In der Wiestorstraße sind die Sterne gewissermaßen zum Greifen nahe. Jährlich strömen mehrere tausend Besucher in die Sternwarte, um zu sehen und zu verstehen, was sich am Himmelszelt abspielt. Seit 1957 existiert die Sternwarte in Überlingen, welche seinerzeit von Elektromeister Bruno Müller (1907-2005) gegründet wurde. Die Sternwarte Überlingen ist ein eingetragener Verein mit 18 Mitgliedern, deren Vorsitzender heute Peter Wüst ist.

Sternwarte wurde 1957 in Betrieb genommen

Dem 79-Jährigen merkt man sein Alter nicht im Geringsten an. Innerhalb der Sternwarte ist es recht beengt. Hinter der Eingangstür des runden Gebäudes wartet direkt eine Wendeltreppe, auf die ein einzelner Mensch gerade so draufpasst. Nach den zehn Stufen thront oben das große Teleskop. Etwa ein Meter Abstand bis zur Wand bleibt noch, um sich um dieses herum zu bewegen.

Peter Wüst kommt mit seinem Fahrrad angefahren, nimmt beim Hochsteigen zwei Stufen auf einmal. Es mutet an wie die Freude eines Kindes, wenn der Ingenieur um sich greift, um den Besuchern etwas zu zeigen. Umtriebig und voller Energie. Der gebürtige Heilbronner ist in seinem Element.

Peter Wüst betreut heute als Vorsitzender die Überlinger Sternwarte. Bild: Christoph Heuser
Peter Wüst betreut heute als Vorsitzender die Überlinger Sternwarte. Bild: Christoph Heuser | Bild: Heuser, Christoph

Die Astronomie faszinierte ihn schon immer. 1966 zog er für seine Stelle bei der Firma Diehl nach Überlingen, wo er seitdem wohnt. Ein prägendes Ereignis war für ihn die Mondlandung im Jahr 1969, an die er sich noch gut erinnert. "In den Tagen zuvor gab es in den Medien und auch in den Gesprächen mit Arbeitskollegen oder Freunden gar kein anderes Thema mehr", blickt Wüst auf die Zeit vor der Landung zurück und vergleicht es mit dem Finale einer Fußball-Weltmeisterschaft. Während der Mondlandung selbst lief eine Live-Schaltung. "In der damaligen Zeit eine Seltenheit." Über Stunden hinweg verfolgten die Zuschauer auf ihren Röhrenbildschirmen die Apollo-11-Mission. "Jeder, der einen Fernseher hatte, schaute es", sagt der Hobby-Astronom. Die Hälfte aller Fernsehanstalten weltweit war zugeschaltet.

Anspannung vor den Fernsehgeräten

"Ich weiß gar nicht mehr, wie lange es genau dauerte", sagt Wüst, der das Ereignis auf der ARD mitverfolgte. Insgesamt 28 Stunden am Stück lief die Sendung aus dem eigens dafür gebauten Fernsehstudio in Köln. "Auf die Uhr schaute ich gar nicht mehr, wir waren alle unglaublich aufgeregt, ob alles funktioniert", erzählt der Vorsitzende der Überlinger Sternwarte.

Zeitgleich fand in Berlin ein späterer Owinger richtig Gefallen an der Raumfahrt: Axel Kopsch ist Experte in der bemannten Raumfahrt. Heute sitzt er im Garten hinter seinem Haus in der Kirchfeldstraße und erinnert sich an die Zeit vor knapp 50 Jahren. Bevor er anfängt zu erzählen, hebt er sein Notizbuch vom Schoß auf den Tisch und schlägt durch das Anheben des Zeichenbands eine Seite auf. Handschriftlich und fein säuberlich sind die wichtigsten Eckpunkte notiert. Das Wichtigste ist sogar mit neongelber Farbe hervorgehoben.

Axel Kopsch schaut sich in seinem Garten in Owingen die Zeitungsartikel über die „Flight Acceptance Review“ an, die 1994 im Überlinger ...
Axel Kopsch schaut sich in seinem Garten in Owingen die Zeitungsartikel über die „Flight Acceptance Review“ an, die 1994 im Überlinger Kursaal stattfand. | Bild: Heuser, Christoph

Axel Kopsch verfolgte 1969 die Übertragung der Mondlandung gemeinsam mit Kommilitonen bei einem Freund, der bereits einen Fernseher besaß. "Immer mal wieder wollte einer gehen, aber ich sagte dann, dass wir das jetzt bis zum Ende gucken müssen", erinnert sich Kopsch, "schließlich war es ein historisches Ereignis", unterstreicht der heute 74-Jährige. Die Fernsehzuschauer sahen stundenlang die amerikanische Raumkapsel und warteten darauf, dass die Astronauten aussteigen.

Unterdessen mussten die Moderatoren das Programm füllen. Dafür wurde die Raumkapsel nachgebaut und im Studio von Experten beschrieben. "Aber das hat sich mehrmals wiederholt", sagt Axel Kopsch, der zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht wusste, dass er selbst einmal in der Raumfahrt tätig sein würde.

Raumfahrtexperten treffen sich im Kursaal

Nach Schulzeit in Dortmund und Elektrotechnik-Studium in Berlin, verschlug es ihn an den Bodensee. Seine erste Stelle trat er bei Dornier an und hatte dort zunächst auch noch keine Berührungspunkte mit der Raumfahrt. Erst nach zwei innerbetrieblichen Projekten kam der gleitende Übergang in die Satellitentechnik. Auf einmal war Axel Kopsch mittendrin. Der Erdbeobachtungssatellit ERS-2 war eine seiner größten Herausforderungen. Bevor ein Satellit einsatzfähig ist, dauert es ungefähr ein Jahrzehnt. Nach der Planungsphase kommen etliche Überprüfungen bis hin zum sogenannten „Flight Acceptance Review“ (FAR). Diese bescherte der Stadt Überlingen ein Großaufgebot internationaler Fachleute, denn die FAR fand im September 1994 im Überlinger Kursaal statt. 130 Raumfahrtexperten aus der ganzen Welt reisten an, um den von Dornier im Auftrag der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) gebauten Satelliten abzunehmen. Und es gab grünes Licht. "Nach zehn Jahren der Planung und Entwicklung war das gewissermaßen wie mein eigenes Kind", sagt Kopsch.

Dann klappt er sein Büchlein zu. Seit neun Jahren ist Axel Kopsch im Ruhestand. "Ich hätte nie gedacht, dass ich etwas mit Raumfahrt zu tun haben würde", wundert er sich noch heute. Und daran, dass er selbst mal Raumfahrtexperten nach Überlingen holt, war 1969 schon gar nicht zu denken.