Unter den Gästen der eindrucksvollen Vernissage am spätsommerlichen Sonntag saßen auch Angehörige der verstorbenen Künstler: Theresa Siegmund und Esther Asshof (Gattin und Enkelin von Hubert Siegmund), Andreas Langenbeck (Sohn des Ehepaares Gaensslen) sowie Dieter Buchner (Schwager von Heinz Neuhaus).
In der vormittäglichen Eröffnungsstunde hielt Kunsthistorikerin Ulrike Niederhofer, selbst seit 20 Jahren in Hödingen wohnhaft, die Laudatio. Auf der Suche nach Gemeinsamkeiten sei sie bei den meisten Ausstellern – bis auf Heinz Neuhaus und August Braunwarth – auf "leidvolle Erfahrungen durch den Krieg" gestoßen. Hödingen wurde für sie zum Ort des Friedens, der Ruhe, der Entspannung, der Natur, wo sie wieder zu sich finden konnten. Eine "bewusste Entscheidung" für diesen Ort also. Dann, so die Laudatorin, sei ihr aufgefallen, dass die meisten "sogenannte Allrounder" seien und Kunst in ihr Leben zu integrieren wussten, "über ihren Beruf hinaus". Sie lebten die seit den großen Renaissance-Künstlerpersönlichkeiten bekannte Verbindung von Handwerk und Kunst, nicht im Sinne von "L'art pour l'art", sondern als "Können". Handwerk war künstlerische Eingebung Gottes.
Ulrike Niederhofer empfahl für mehr Wissen über die Künstler-Handwerker auch die in der Ausstellung ausgelegten Bücher, um den visuell ausgestellten "Bruchteil des Gesamtwerkes von diesen Künstlern" zu vergrößern. Sie spannte ihren lobenden Bogen von den "Holzwürmern" Fritz Spannagel und Karl Nothhelfer. Letzterer wegen seines Interesses für funktionales Sitzen auch als "Popologe" bekannt. Der Typograf Paul Renner war auch Maler (Landschaften, Porträts und Akte), Buchgestalter und Designer und entwarf die Schrift Futura (1928).
Hans Gaensslen mit seinem "fantastisch-surrealen Frühwerk" wurde später zum Maler von Landschaftsbildern der Bodenseeregion mit der Idylle des Dorfes. Seine Frau Agnes produzierte Feinheiten wie Bastelanleitungen, Spieldosen, aber durch Hinterglasbilder mit religiösen und mythologischen Motiven. Hubert Siegmund verbinde Kunst und Technik "mit Präzision und Geduld": Der Bahnhof Süßenmühle, die Burg Eltz, der Raddampfer Hohentwiel oder das Modell "Mittelalterliche Stadt" sind Beispiele. Horst Beck zeige nach diversen Berufen als Künstler "eigene, individuelle Ausprägung, mit harmonischer oder auch dissonanter Zusammensetzung von Farbe, Linie und Fläche – einerseits lyrisch leise, andererseits auch furios und laut". August Braunwarth und Heinz Neuhaus pflegten Kunst als Hobby im Rückgriff auf den Beruf für "eigene Gestaltungskraft und individuelle Entfaltung".
Den Tag der letzten Vernissage nutzten Ortsvorsteher Martin Keßler und Herbert Schmon zum Dank: an Gisela Schröder-Fröhlich, Marianne Roth, Angela Ewert, Michaela und Benedikt Asshoff, Dieter Buchner, Werner Niedermann und Hermann Schappeler, an den Pfarrgemeinderat, die KLJB, an den Förderverein und weitere Helfer.
Die Ausstellung
„775 Jahre Hödingen – das Dorf und seine Künstler“: Erinnert wird in der letzten Folge der fünfteiligen Ausstellung von 27. August bis 17. September im KLJB-Raum, Mutschellerstraße 10 (bei der Pfarrkirche), an die verstorbenen Künstler Agnes Gaensslen (Designerin), Horst Beck (Maler), August Braunwarth (Maler), Hans Gaensslen (Grafiker, Direktor der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe), Heinz Neuhaus (Chemiker). Karl Nothelfer (Architekt und Designer), Professor Paul Renner (Typograf), Hubert Siegmund (Designer und Modellkonstrukteur) und Professor Fritz Spannagel (Architekt). Die Ausstellung ist bis 17. September sonntags von 14 Uhr bis 18 Uhr geöffnet.