Überlingen – Die Mitglieder des Stadtverbands Überlingen-Sipplingen-Owingen im Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverband (BLHV) konnten von ihrer Jahresversammlung viele Informationen und Anregungen zum Thema "Innovative Vermarktungskonzepte" mit nach Hause nehmen. Mit Hans Schmeh aus Lippertsreute, der der Initiative Linzgau-Korn angehört, und Christoph Hönig aus Mühlingen, Vorsitzender des Vereins Gutes vom See, hatte der Vorstand zwei kompetente Referenten engagiert.
Das Bild, das der Stadtverbandsvorsitzende Hubert Rauch von der Situation der Landwirtschaft zeichnete, war von düsteren Farben gekennzeichnet. "Ausufernde Bürokratie" und "unterirdische Preise" machten den Landwirten das Leben schwer. Die Ertragslage bezeichnete Rauch als völlig unbefriedigend und nannte die Ursache dafür beim Namen: "Wir sind dem auf wenige Player zusammengeschrumpften Lebensmittelhandel auf Gedeih und Verderb ausgeliefert." Selbst landwirtschaftliche Genossenschaften stünden dieser Marktmacht ohnmächtig gegenüber. Rauch forderte: "Wir müssen zusehen, dass wir mit dem Lebensmittelhandel wieder auf Augenhöhe kommen."
Wie Christoph Hönig darlegte, sei der Verein Gutes vom See diesem Ziel mit seinem Konzept schon ein gutes Stück nähergekommen. Hans Schmeh verdeutlichte, dass auch die 13 Landwirte von Linzgau-Korn, die mit einer Mühle und drei Bäckerbetrieben gemeinsame Sache machen, bei der Preisgestaltung ein Wort mitreden können. Das schlage sich in einem Vergütungsniveau für die Produkte nieder, das über den Weltmarktpreisen liege. Ebenso funktioniere dies bei der Erzeugerorganisation EZO Süd, der Hans Schmeh mit seinem Hagenweiler Hof in Lippertsreute ebenfalls angehört. In allen Fällen verpflichten sich die zuliefernden Landwirte, bestimmte Qualitätsstandards einzuhalten.
"Mehrerlöse lassen sich nur über Qualität erzielen", betonte Schmeh. Das gelte insbesondere für die Direktvermarktung. Sie lasse sich in verschiedenen Formen betreiben. Entweder als Spezialist in Form einer Hofmetzgerei oder einer Hofkäserei oder als Sortimenter, indem man Erzeugnisse anderer Kollegen hinzukaufe, oder auch in einer gemeinschaftlichen Vermarktung, wie bei Linzgau-Korn.
"Oft hakt es daran, dass wir Landwirte uns zu schlecht verkaufen", meinte Christoph Hönig, der in Mühlingen bei Stockach eine große Freiland-Hühnerhaltung betreibt. "Wir tun oft zu wenig dafür, um die Wertschätzung für unsere landwirtschaftlichen Erzeugnisse zu wecken", erklärte der gelernte Diplom-Agrar-Ingenieur. Der Verein Gutes vom See, der unter anderem mit 27 Edeka-Märkten in der Region Verträge geschlossen hat, unterstütze jeden Landwirt dabei, ein besonderes Produkt in den Laden zu bringen. "Kommen Sie mit Ihren Ideen auf uns zu und lassen Sie sie mit uns gemeinsam weiterspinnen", ermunterte Hönig seine Berufskollegen. Sie sollten gegenüber dem Lebensmittelhandel nicht in eine "Ergebenheitsstarre" verfallen, mahnte der Vorsitzende von Gutes vom See.
Hermann Gabele, der Leiter des Landwirtschaftsamtes Bodenseekreis, machte sich während der Referate seitenweise Notizen und stellte am Ende des Abends fest: "Das war eine sehr spannende Veranstaltung."
Vermarktungskonzepte
- Linzgau-Korn: Das regionale Partnerprojekt wurde vor zehn Jahren aus der Taufe gehoben. Derzeit sind daran 13 Landwirte, eine Mühle und drei Bäckereien beteiligt. Die Initiative zur Gründung des Projekts kam von der Frickinger Landbäckerei Baader. Die Landwirte verpflichten sich zu bestimmten Anbaustandards, wie Blühstreifen an den Feldrändern, und bekommen dafür einen höheren Preis für ihr Getreide.
- Erzeugerorganisation Süd: Die EZO Süd wurde vor über 20 Jahren gegründet und steht für besonders umweltschonende und artgerechte Tierhaltung. Der Verein, der sich über Süddeutschland erstreckt, hat rund 50 Mitglieder. Neben Landwirten gehören ihm auch Umwelt- und Tierschutzorganisationen an.
- Gutes vom See: Der Zusammenschluss engagierter Unternehmer hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Kulturlandschaft am Bodensee in ihrer Vielfältigkeit zu fördern und zu erhalten. Der Verein, der vor zehn Jahren gegründet wurde, pflegt eine branchenübergreifende Kooperation von Landwirtschaft, Lebensmittelhandwerk, Handel, Gastronomie und Großküchen.