Die geplante Elektrifizierung der Bodenseegürtelbahn hat den Sipplinger Gemeinderat immer wieder beschäftigt. Und immer hat er sich dafür ausgesprochen, die dieselbetriebene Bahn durch eine alternative Antriebsform zu ersetzen. Doch wie dieses Dieselloch zwischen Radolfzell und Friedrichshafen zu schließen ist, darüber gehen die Meinungen auseinander.

Während sich die Deutsche Bahn, das Land, der Bodenseekreis und der Regionalverband für eine Elektrifizierung mit Oberleitungsmasten aussprechen und entsprechende Planungen seit vielen Jahren vorantreiben, wehren sich die Sipplinger gegen diese Variante. Vor allem fürchten sie, dass die Masten für die Oberleitungen den ungetrübten Blick von der Seestraße über den Bodensee auf den bewaldeten Bodanrück stören würden. Sie befürchten Nachteile im Tourismus. Eine unterirdische Streckenführung, wie sie die Gemeinde kürzlich aufgrund eines Gutachtens in die Diskussion brachte, haben die Deutsche Bahn, das Land und der Regionalverband jetzt abgelehnt.

Zweimal hatte die Fachhochschule Nordwestschweiz Studien erarbeitet, in denen es darum ging, batteriebetriebene Antriebsformen für Züge zwischen Radolfzell und Friedrichshafen einzusetzen. Entsprechende Studien kamen zum Ergebnis, dass der Einsatz technisch möglich ist. Dieses Vorhaben wurden von Bahn und Regionalverband aber abgelehnt.

Regionalverband sieht Nachteile für überregionale Anbindung

Unlängst schrieb Wolfgang Heine, Vorsitzender des Regionalverbandes, dem SÜDKURIER: „Für die Bodenseegürtelbahn (…) strebt das Land die Elektrifizierung an und keine Hybridlösung, zumal es sich (…) um Lückenschlüsse zum elektrifizierten Netz handelt. Auf der Bodenseegürtelbahn soll ja nach der Elektrifizierung auch wieder der IRE Ulm-Basel fahren und je länger solche durchgehenden Verbindungen sind, um so nachteiliger sind die Hybridlösungen.“

Bild 1: Kein Bahn-Tunnel am Bodensee: Regionalverband erteilt Milliarden-Plan klare Absage
Bild: Schönlein, Ute

Nun hat die Fachhochschule Nordwestschweiz im Auftrag der Gemeinde Sipplingen für 1500 Euro eine weitere Studie erarbeitet. Drei Studierende haben sich mit dem „Vergleich zwischen der bestehenden, derzeit nicht elektrifizierten Strecke über Salem, einer Elektrifizierungs- und Ausbauvariante dieser Trasse gemäß Planungen der Deutschen Bahn sowie einer neu geplanten Streckenführung mit zwei Tunnelabschnitten über Meersburg“ befasst, wie es in der Vorlage für die Sitzung des Gemeinderats Sipplingen hieß.

Bericht zum Tunnel-Projekt jetzt öffentlich

Der 56 Seiten umfassende Projektbericht unter dem Titel „Neue Bodenseegürtelbahn“ lag zur Ratssitzung am 5. Juni zunächst nur den Gemeinderäten vor. Er wurde in einer überarbeiteten Version vom 12. Juni schließlich am 23. Juni ins Ratsinformationssystem eingestellt.

Verfügbar war in der Ratssitzung am 5. Juni indes die Zusammenfassung des Sipplinger Diplom-Ingenieurs Leonard Widenhorn, der die Studie selbst angeregt, mit beauftragt und betreut hatte. In dieser Schlussfolgerung heißt es: „Es zeigt sich beim Vergleich, dass die neue Strecke höhere Investitionen erfordert, aber das Potenzial für den ökonomischen Rückfluss deutlich höher als beim Ausbau der alten Strecke ist.“ Zudem wird für die Tunnellösung positiv auf „höhere Fahrgeschwindigkeiten, höhere Taktraten sowie deutliche Verkürzung der Fahrzeiten als die bestehende Streckenführung“ sowie „die ökologischen Vorteile durch frei werdende Gleistrassen und unterirdische Strecken“ hingewiesen.

Ein Zug auf der Bodenseegürtelbahn fährt durch Sipplingen.
Ein Zug auf der Bodenseegürtelbahn fährt durch Sipplingen. | Bild: Kleinstück, Holger

Die Studierenden hatten die verschiedenen Entwürfe „hinsichtlich ihrer Investitions- und Betriebskosten sowie ihres potenziellen regionalökonomischen Nutzens analysiert“, den sie modellhaft errechneten.

Studenten sehen Tunnellösung selbst kritisch

Sie kommen in der Zusammenfassung ihrer jetzt vorliegenden Studie zu einer etwas anderen Schlussfolgerung: „Insgesamt deutet die Analyse darauf hin, dass der Ausbau und die Elektrifizierung der bestehenden Strecke aktuell die wirtschaftlich robustere und planungssicherere Option darstellen.“ Zwar biete „die neue Trassenführung (…) ein größeres verkehrliches und wirtschaftliches Entwicklungspotenzial“, sei jedoch mit erheblich höheren Investitionskosten und Unsicherheiten verbunden. Wörtlich heißt es: „Besonders die Tunnelbaukosten sowie die ungenaue geologische Datenlage führen zu einem erhöhten finanziellen Risiko. Auch der Nutzen lässt sich derzeit nur unter optimistischen Annahmen abschätzen.“

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Mit Bezug auf diese Einschätzung der Studenten kommt der Regionalverband deshalb in einem Schreiben an den SÜDKURIER zu dem Ergebnis: „Der Regionalverband sieht in Übereinstimmung mit DB InfraGo und dem Landesverkehrsministerium in dem Vorschlag der Gemeinde Sipplingen beziehungsweise des Projektberichtes vom 12. Juni 2025 keinen gangbaren und erfolgversprechenden Weg. Der Projektbericht selbst stellt seine Ergebnisse infrage.“ Man werde diesen Ansatz nicht weiter verfolgen, der eine erhebliche Verzögerung einer elektrifizierten Verbindung zwischen Radolfzell und Friedrichshafen zur Folge hätte und für den zudem keine Chance auf eine Finanzierung bestünde.

In Markdorf und Meersburg liegt die Studie noch nicht vor

Der Bürgermeister von Markdorf, Georg Riedmann, will sich zu dem Projekt nicht äußern – Markdorf würde bei der unterirdischen Streckenführung ebenso wie Salem von der Bodenseegürtelbahn abgekoppelt. Von Meersburgs Bürgermeister Robert Scherer ging keine Stellungnahme ein. Ebenso wie der Stadt Markdorf liegt auch Meersburg die Studie bis heute nicht vor.

Bahnhof in Sipplingen würde geschlossen

Ob die vorgeschlagene Tunnellösung bei den Sipplinger Bürgern letztlich auf Gegenliebe stoßen würde, wäre ebenso fraglich: Die vorgeschlagene und untersuchte Streckenführung sieht keinen Bahnhof in Sipplingen vor. Bei einer Tunnellösung müssten sie Sipplinger zukünftig also entweder nach Ludwigshafen oder zum Westbahnhof in Überlingen fahren, um einen Zug besteigen zu können.