Jenna Santini und Stefan Hilser

Bei aller Betroffenheit über den Brand von Notre Dame hält es der Überlinger Stadtpfarrer Bernd Walter für angezeigt, jetzt auf die eigenen Kirchengebäude ein besonderes Augenmerk zu werfen. Seit erst 140 Tagen im Amt, sei er noch nicht mit dem Brandschutz vertraut, weshalb Walter an Münstermesner Markus Korn verweist.

Gegen Diebstahl gut geschützt

Korn ist ebenfalls froh, dass das Thema nach Notre Dame eine besondere Bedeutung erhält, denn er habe schon mehrfach an verschiedenen Stellen darauf hingewiesen, dass ein Brand im Dachstuhl des Nikolausmünsters zu größeren Schwierigkeiten führen könne. Die "Schatzkammer" der Pfarrei, in der wertvolle sakrale Gegenstände lagern, sei durch eine Brandschutztüre gesichert. Auch gegen Diebstahl sei man mit hoch modernen Alarmanlagen gewappnet. Doch im Dachstuhl des spätgotischen Münsters gebe es weder Sprinkleranlagen, noch eine Brandmeldeanlage, noch eine Steigleitung, mit der Wasser in den Dachstuhl gepumpt werden könnte. Korn: "Es ist mir definitiv nicht richtig wohl dabei."

Erscheint nach dem Feuer von Paris in neuem Licht: Das Osterfeuer vor dem Münster, dessen Brandschutz zu Wünschen übrig lässt.
Erscheint nach dem Feuer von Paris in neuem Licht: Das Osterfeuer vor dem Münster, dessen Brandschutz zu Wünschen übrig lässt. | Bild: Hilser, Stefan

Da Korn neben seinem Beruf als Mesner ehrenamtlich bei der Freiwilligen Feuerwehr aktiv ist, organisiert er immer wieder Übungen mit seinen Kameraden, die letzte Übung der Gesamtwehr liegt einige Jahre zurück, eine Abteilungsübung fand 2018 statt. Die Schwierigkeiten seien bekannt, etwa, wenn die Feuerwehr einen gefüllten Wasserschlauch in den 66 Meter hohen Nord-Turm bringen muss. Korn: "Unter Atemschutz und bei einer verrauchten Wendeltreppe weiß man erst mal, wie schwer so ein voller Schlauch ist."

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Bedeutende Kunstschätze im Nikolausmünster sind der Hochaltar der bekannten Bildhauerfamilie Jörg Zürn (1616) und weitere 14 Seitenaltäre, darunter der Marienaltar von David Zürn und der Betz-Altar von Jörg Zürn. Notfallpläne, die festlegen würden, in welcher Reihenfolge die Kunstgegenstände gesichert werden, gebe es nicht, so Korn. "Ich stehe dann mit Rat und Tat zur Seite", sagte er, wissend, dass es Zeit wäre, das präventiv irgendwo festzuhalten.

Wer ist zuständig?

Das Münster steht im Eigentum der Kirchengemeinde. Für Brandschutzertüchtigungen oder Sanierungen wie aktuell die Bleiglasfenster im Chorraum sei das Erzbischöfliche Bauamt in Konstanz zuständig, so die Aussage von Mesner Korn, der bei Fragen zu Brandschutzvorschriften nach Konstanz verweist.

Dem widerspricht die zuständige Sachgebietsleiterin. Beate Maier: "Die Verantwortlichkeit liegt nicht beim Erzbischöflichen Bauamt Konstanz, sondern immer in den Händen des Eigentümers, also in diesem Falle bei der Röm.-kath. Kirchengemeinde Überlingen, vertreten durch den gewählten Stiftungsrat." Wird durch den Stiftungsrat zum Beispiel der Beschluss gefasst, mögliche brandschutztechnische Maßnahmen zu prüfen und umzusetzen, könne die fachliche Unterstützung durch das Erzbischöfliche Bauamt über das Ordinariat in Freiburg erwirkt werden. Maier: "Bei entsprechender Beauftragung würde die Koordination, Planung und Durchführung in unseren Händen liegen, so wie bereits bei früheren Maßnahmen und der derzeitig laufenden Maßnahme der Chorfenstersanierung. Im Falle brandschutztechnischer Maßnahmen würden wir aber mit Sicherheit einen Brandschutzsachverständigen sowie auch die Feuerwehr mit ins Boot holen."

 

Beispiel Konstanzer Münster

Das Konstanzer Münster steht im Eigentum des Landes. Hier gibt es nach Angaben der Feuerwehr Steigleitungen in den Türmen, Brandmeldeanlagen in allen Teilen des Münsters und mindestens ein Mal pro Jahr eine Übung am Münster.

Drehleiter für den Turm zu kurz

Kreisfeuerwehrpressesprecher Christian Gorber sagt, dass bei einem Brand wie in Notre-Dame vieles mühselige Handarbeit sei. Etwa an den hohen Kirchentürmen: "Es ist ein schwieriges Thema, weil da tatsächlich die Geräte zu Ende gehen." Würde eine übliche Drehleiter reichen, um über diese die Spitze des Münsterturms in Überlingen zu erreichen? "Nein, sie würde nicht reichen. Die Plattform ist auf 50 Metern", sagt Gorber. Insgesamt hat der Turm eine Höhe von mehr als 60 Metern. Eine Standard-Drehleiter habe jedoch nur eine Länge von 23 Metern, so der Kreisfeuerwehrpressesprecher.

Ein Unwetter über Überlingen, das die Gefahren aufzeigt. Tatsächlich fährt der Blitz in den Boden, aber nicht bei dem hier zu sehenden ...
Ein Unwetter über Überlingen, das die Gefahren aufzeigt. Tatsächlich fährt der Blitz in den Boden, aber nicht bei dem hier zu sehenden Nikolausmünster, sondern auf der gegenüberliegenden Seeseite am Bodanrück. | Bild: André Kobsik

Gefragt ist dann die Kraft der Feuerwehrleute, um ein solches Objekt von innen zu begehen und zu löschen. In der engen Wendeltruppe des Münsterturms gab es zuletzt eine Übung mit schwerem Gerät. "Es ist Schwerstarbeit, da nur Schlauchmaterial vorzubringen", sagt Gorber, der selbst Zugführer bei der Überlinger Feuerwehr ist. Hilfreich kann eine Steigleitung sein. Dabei handelt es sich um eine trockene Leitung, die für den Transport von Löschwasser gedacht ist. Dann muss nicht der komplette Turm mit Schläuchen ausgelegt werden. Der Einbau der Leitung müsse aber mit dem Denkmalschutz vereinbar sein, so Gorber.

Wer erstellt Notfallplan?

Generell steht die Feuerwehr bei einem Kirchenbrand vor der Herausforderung, zum einen das Feuer zu löschen, zum anderen Kulturgüter zu retten. Gorber: "Hier sind wir auf die Hilfestellung der Kirchen angewiesen." Die Verantwortung für Einsatzpläne und Pläne, welche Kulturgüter zuerst abtransportiert werden sollten, liegt ihm zufolge bei den Eigentümern – nicht bei der Feuerwehr. "Wenn es brennt oder sonst ein Schaden entsteht, erschließt sich mir als Feuerwehrmann nachts um drei nicht, was wie raus zu transportieren ist", sagt Gorber. Als Beispiel nennt er den Hochaltar, der im Ganzen kaum zu retten ist. Aber: "Es lassen sich vielleicht ein paar Figuren abmontieren" und feste Elemente abdecken.

Christian Gorber, Kreisfeuerwehrsprecher Bodenseekreis: "Was können wir daraus für unsere Kirchen, Schlösser und Kulturgüter lernen?"
Christian Gorber, Kreisfeuerwehrsprecher Bodenseekreis: "Was können wir daraus für unsere Kirchen, Schlösser und Kulturgüter lernen?" | Bild: privat

Welche Kulturschätze sind zentral? Wo befinden sie sich? Wie schwer sind sie? Wie können sie abtransportiert werden? Ist der Transport im Brandfall leistbar? Gorber appelliert, dass sich die Verantwortlichen im Vorfeld über diese Fragen Gedanken machen. Diese Pläne seien aber lange noch nicht Standard. Gorber kann spontan nicht darüber Auskunft geben, ob eine Kirche im Bodenseekreis über einen solchen verfügt. Selbst Einsatzpläne, die über den Standort der Brandmeldeanlage und Wasserhydranten ringsherum sowie die Zufahrts- und Laufwege informieren, sind nicht überall üblich.

Erstellt werden sie mit Brandschutzsachverständigen, wie Gorber berichtet. Von der Feuerwehr gibt es zum Beispiel Vorgaben zu einheitlichen Brandmeldeanlagen. In Überlingen wurde in den vergangenen Jahren die im Eigentum der Stadt stehende Franziskanerkirche modernisiert. Laut Gorber gibt es zum Beispiel eine Steigleitung. Außerdem lägen Laufpläne vor, die nicht nur über die kürzesten Wege, sondern auch über besondere Gefahrenquellen Aufschluss geben – in einer Kirche zur Art der Heizung.

Liegt der Feuerwehr all dies vor, kann der Einsatz bereits bei der Anfahrt zur brennenden Kirche geplant werden. Dann sei schon klar, dass es nicht nur Personal brauche, um den Brand zu löschen, sondern auch um Kulturgüter zu retten, sagt Gorber. Mit Blick auf Paris hofft er, "bei allem Entsetzen", dass die Frage gestellt wird: "Was können wir daraus für unsere Kirchen, Schlösser und Kulturgüter lernen?"

Erst 2018 fand die Hauptübung der Freiwilligen Feuerwehr Salem in Schloss und Kloster Salem statt. Ziel ist es, "möglichst alles ...
Erst 2018 fand die Hauptübung der Freiwilligen Feuerwehr Salem in Schloss und Kloster Salem statt. Ziel ist es, "möglichst alles rauszubekommen." | Bild: Mardiros Tavit

Schloss und Münster Salem: Unersetzbare Kulturgüter

Michael Hörrmann ist Geschäftsführer der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg, zuständig für Kloster und Schloss Salem sowie das Neue Schloss und das Fürstenhäusle in Meersburg. Mit dem Thema Brandschutz beschäftigt sich eine komplette Abteilung, wie der Geschäftsführer berichtet.

Die Monumente verfügen über Brandmelde- und Sprinkleranlagen – in Abstimmung mit dem Denkmalschutz. Zudem gibt es regelmäßige Begehungen, Übungen und Schulungen für die Mitarbeiter. Laut Hörrmann sind Einsatz- und Rettungspläne für die Besucher sowie Meldungsketten Standard. In Paris brach das Feuer im Dachstuhl der Kathedrale aus. Eine Gefahr, der sich Hörrmann bewusst ist. Deshalb werden die Dachstühle der von Schlösser und Gärten zu betreuenden Monumente kontrolliert und ausgeräumt, damit nicht unnötigerweise brennbare Materialien herumliegen.

"Es ist eine große Aufgabe von uns, dass wir eine automatisierte Routine reinbringen", findet Hörrmann. Paris habe vor Augen geführt, dass Kulturgut unersetzlich sei: "Man kann es wieder aufbauen. Aber das Original ist weg." Von Plänen, in denen aufgeführt ist, was zuerst zu retten ist, hält er wenig. Zu schwer falle die Entscheidung zwischen den Stücken. Hörrmann erklärt: "Unser Ziel ist schlichtweg, den Brand so schnell einzudämmen, dass wir alles rausholen können."