Ein Sitz weniger schon 2014, jetzt ging noch einer flöten: Die CDU Überlingen verliert kontinuierlich an Einfluss auf die Stadtpolitik. Gefühlt gehört die einstige Mehrheitspartei heute nur noch zu den Kleinen. Wie schon bei den Europawahlen, wurden die Schwarzen von den Grünen auch im Überlinger Stadtparlament überholt. Zum Spurt setzten die Öko-Politiker nicht erst auf der Zielgeraden an, vielmehr zeichnete sich seit Monaten ab, dass globale Ereignisse auf die lokale Politik einen wachsenden Einfluss ausüben. Wer die Klima-Kids von „Fridays for future“ weglächelte, der hat deren Botschaft nicht verstanden. Sie wollen Politik von unten her verändern: Mit Demos, Mülltrennung und der Teilnahme an Wahlen.
Personifizierter Ausdruck für einen Klimawandel in der politischen Großwetterlage ist Benedikt Kitt, der mit seinen 21 Jahren bei denen punktet, die früheren Wahlen fern blieben, den jungen Leuten. Der Fleischer, Ex-Oberministrant, Sohn von Obstbauer Kitt und Enkelsohn der Gemeinderats-Legenden Friedrich Kleffner (CDU) und Sybilla Kleffner (LBU) wird mit mehr als 4000 Wählerstimmen ins Rennen geschickt – auf dass er neue Töne im Rat anstimme. Etwas Nestschutz in seiner erstarkten Fraktion schadet für den Anfang nicht.
Der Wunsch nach einem Generationswechsel kommt bei der SPD in Person des 40-jährigen Manuel Wilkendorf zum Ausdruck – der eigentlich gar nicht wollte. Von seinem Vater Michael Wilkendorf zur Kandidatur überredet, fegt Wilkendorf junior wegen seiner Prominenz in diversen Vereinen nun Sylvia Kruse-Baiker aus dem Gremium, ausgerechnet die soziale Stimme der SPD. Mit Polterer Udo Pursche und dem über 70-jährigen Wilkendorf senior gibt die Orts-SPD das Abziehbildchen einer gerupften Bundes-SPD. Nicht gerade das, was sich der SPD-OB als Hausmacht wünschte.
Für Zeitler wird das Regieren mühevoller. Dafür sorgt die BÜB+, die sich als einzige Gruppe in den letzten Monaten konsequent um die Unzufriedenen kümmerte. Für BÜB-Gründer Dirk Diestel geht ein Lebenstraum in Erfüllung, nach verlorenen Wahlen auf dem CDU-, später auf dem FWV-Ticket, klappt‘s nun mit der BÜB+. Spannend, ob sich sein Fraktionskollege Roland Biniossek, bisher Einzelkämpfer der Linken, in die Fraktion und über sie ins Gesamtgremium einbinden lässt. So wie Diestel gestrickt ist, wird er die Kooperation mit den anderen Fraktionen suchen. Suchen müssen, denn Ratsarbeit ist auch Mannschafts-Sport (davon zeugt übrigens auch die Traurigkeit, die sich bei vielen Räten breit machte, weil Weigelt und Kruse-Baiker vom Platz flogen). In dieser Rats-Familie nun das richtige Maß von Distanz und Nähe zu finden, stellt für BÜB+ die Nagelprobe dar.