Dieter Leder, Stef Manzini und Martin Baur

Überlingen/Sipplingen – Den westlichen Bodenseeraum und den Hegau erwischte das heftige Unwetter am Freitagabend am stärksten. In der Zeit von 20.45 Uhr bis 23 Uhr erreichten Polizei und Feuerwehr eine Vielzahl von Notrufen. Bäume stürzten um, auch größere Gegenstände flogen umher und teilweise überfluteten Straßen. In der Folge kam es vereinzelt auch zu Stromausfällen. Feuerwehr und Polizei waren im Dauereinsatz. Die Feuerwehr Überlingen rückte ab 21 Uhr innerhalb kurzer Zeit zu insgesamt 27 Einsätzen aus. Neben zahlreichen Unwettereinsätzen – durch Schlammlawinen verschmutzte Fahrbahnen, Wassereinbrüche und umgestürzte Bäume – mussten die Einsatzkräfte auch zu drei Brandeinsätzen. Das Promenadenfest in Überlingen wurde um 21.30 Uhr abgebrochen und durch Polizei, Feuerwehr und Ordnungskräfte "ohne Zwischenfälle geräumt", heißt es im aktuellen Polizeibericht.

Im Bereich von Sipplingen kam es auf der B 31 zu Hangrutschungen, so dass die Fahrbahn zeitweise gesperrt werden musste. Ebenfalls gesperrt wurde die B 31 zwischen Stockach und Überlingen, da die Fahrbahn an mehreren Stellen überflutet und mit Schlamm bedeckt war. Auch Zugstrecken mussten am Abend wegen umgestürzter Bäume, unterspülter Gleise sowie beschädigter Oberleitungen vorübergehend gesperrt werden. Betroffen waren schwerpunktmäßig die Bahnstrecken zwischen Radolfzell (Kreis Konstanz) und Friedrichshafen (Bodenseekreis) sowie zwischen Radolfzell und Konstanz. Bei Sipplingen rutschte eine Schlammlawine über die Gleise. Das Gleis blieb allerdings befahrbar. Die Bahn stellte – auch grenzüberschreitend in die Schweiz – Schienenersatzverkehr bereit, bis sämtliche Strecken am heutigen Samstagmorgen wieder komplett freigegeben werden konnten.

Der erste Alarm erreichte die Einsatzabteilung Stadt der Freiwilligen Feuerwehr Überlingen gegen 21 Uhr. Aufgrund des zeitgleich stattfindenden Promenadenfestes und der weiter steigenden Intensität des Unwetters wurde ab diesem Zeitpunkt eine Wachbereitschaft im Gerätehaus einsatzbereit gehalten. Ebenso wurde die Führungsgruppe zu besseren Koordination der bereits laufenden Einsätze hinzugezogen. Neben den Einsätzen im Stadtgebiet wurde die Feuerwehr Überlingen auch zu drei Einsätzen in die Nachbargemeinde Sipplingen gerufen. Im Rahmen der Überlandhilfe unterstützten die Überlinger Wehrmänner die Feuerwehr Sipplingen bei einem Brandmeldealarm mit der Drehleiter. Ferner rückte ein Löschzug zu einem vermeintlichen Gebäudebrand ebenfalls nach Sipplingen aus. Im weiteren Verlauf wurden auch Wassersauger für die parallel laufenden Einsätze der Feuerwehr Sipplingen zur Verfügung gestellt.

Insgesamt war die Feuerwehr Überlingen mit den Einsatzabteilungen Bonndorf, Nesselwangen, Hödingen und Stadt bis spät in die Nacht hinein im Einsatz. Neben den Einsätzen im Stadtgebiet, verzeichnete die Feuerwehr auch zahlreiche Einsätze in den Überlinger Teilorten Nesselwangen und Bonndorf. Wassereinbrüche, umgestürzte Bäume und ein Verkehrsunfall auf der B 31 mussten ebenso abgearbeitet werden, wie ein weiterer Brandmeldealarm in der Nußdorferstraße, heißt es im Einsatzbericht der Feuerwehr. Aber auch hier konnte glücklicherweise schnell Entwarnung gegeben werden. Personen kamen bei den Einsätzen nicht zu schaden.

Promenadenfest wird um 21.30 abgesagt

Es war kurz nach 20.45 Uhr, als die starke Gewitterfront das Überlinger Promenadenfest traf. Tausende feierten dort das Stunden zuvor eröffnete Fest der Überlinger Vereine. Die Stände waren vorsorglich schon mit massiven Gewichten gegen Starkwind gesichert worden, doch der aufkommende Sturm war heftiger als erwartet. Verzweifelt versuchten Vereinsmitglieder zu retten, was noch zu retten ist: Sie sicherten alles und kletterten sogar auf die Dächer ihrer Zelte, um die sich bereits teilweise losgerissenen Zeltplanen wieder zu befestigen.

Zudem setzte heftiger Starkregen ein und sorgte für einen Stromausfall auf der Promenade. Auch mobiles Internet und Telefon brachen zusammen, verzweifelte Angehörige sorgten sich wegen fehlender Nachrichten von Besuchern des Promenadenfestes. Um 21.30 Uhr musste das Fest schließlich für den Abend abgesagt werden, die Einsatzkräfte räumten das Gelände: An einigen Ständen wurde aber dennoch weitergefeiert, während andere Stände vom Sturm völlig zerlegt wurden – wie das Zelt der "Guggevamps". Glücklicherweise wurde durch herumfliegende Trümmer niemand ernsthaft verletzt: „Wir haben nur die üblichen Einsätze,“ so eine erste Information von einem der Helfer des DRK vor Ort.

Die Besucher suchten vor dem Sturm und dem Regen Zuflucht in umliegenden Restaurants und Bars oder stellten sich in geschützten Hausgängen unter. Dekanin Regine Klusmann öffnete kurz entschlossen das evangelische Pfarrhaus in der Grabenstraße/Promenade: Im großen Saal bot sie damit hunderten Festbesuchern einen sicheren Unterschlupf vor Blitz und Sturm sowie eine trockene Bleibe während des sintflutartigen Regens: „Das wirkte beruhigend und entspannte die Situation“, so Klusmann.

Zahlreiche Besucher und insbesondere die Verantwortlichen der Vereinsstände in der Grabenstraße bedankten sich ausdrücklich bei Dekanin Klusmann dafür, dass sie während des Unwetters eine sichere Herberge zur Verfügung stellte. Am Ende konnte sich Klusmann über zahlreiche Spenden zugunsten der Renovierung der Auferstehungskirche freuen. Und auch über die Zusage, dass am Samstagfrüh alle zum putzen und Aufräumen kommen wollen, schließlich sollte am Samstagvormittag der Kinder-Krabbelgottesdienst in dem Saal stattfinden. Und sie hielten Wort: In aller früh stand die Schwerttanzkompanie mit Putzlappen und Schrubbern vor dem Pfarrhaus und nach intensiver Putzaktion war das Pfarrhaus wieder sauber.

Der stürmische See lag am Samstagmorgen ruhig da, auf dem durch den nächtlichen Sturm beschädigten Bootssteg kurierten Festbesucher ihren Rausch aus. Überall an der Promenade wurde geputzt, repariert und Dächer geflickt, überall waren Zeltplanen zum trocknen ausgelegt. „Das sah schlimmer aus, als es war.“ sagte ein Mitglied der Guggevamps. Deren Stand war in der Nacht vom Sturm völlig zerstört worden. Aber, wie sich bei Tageslicht zeigte, waren nur ein paar Zeltstangen wirklich beschädigt worden. „Die müssen wir wieder grad biegen, das bekommen wir hin.“ Wenig später war das zerstörte Zelt wieder aufgebaut. Mitarbeiter der Stadtgärtnerei zersägten auf der Promenade am Morgen zudem auch einen im Sturm umgestürzten Baum.

Dank unermüdlichem Einsatz vieler Helfer konnte das Promenadenfest am Samstag planmäßig weitergehen. Es wird weitergefeiert. Auch wenn für den Abend neue Gewitter vorausgesagt werden.

Tiefe Schwärze am Himmel – und dann ging alles ganz schnell

Mitten drin im Unwetter auf dem Promenadenfest war auch SÜDKURIER-Mitarbeiterin Stef Manzini. Folgend schildert sie ihre Einrücke.

"Die erste Regendusche so gegen 20 Uhr war zwar heftig aber nur kurz gewesen und tangierte den Festbetrieb auf dem Überlinger Promenadenfest am Samstagabend nur unwesentlich. Die Vorboten des danach heranziehenden Unwetters zeigten sich mit einer so tiefen Schwärze am westlichen Himmel, dass der Blick immer wieder prüfend in Richtung desselben ging. Eine knappe Stunde später und mittlerweile am Stand der Landesgartenschau-Freunde auf Höhe des Zeughauses angekommen, kam zu der bedrohlichen Schwärze der Wind auf.

Dann ging alles ganz schnell. Die ersten Festbesucher suchten unter den großen Schirmen der umliegenden Lokale vor der kommenden Nässe Schutz, aber diese Schirme wurden bereits in weiser Vorahnung und teilweise unter großen Mühen zusammengeklappt. So blieb nur die Flucht in die Lokale und was dann folgte war abenteuerlich und teilweise auch beängstigend. Der Sturm schwoll gewaltig an und mit ihm auch die Wellen des Sees, auf dem nun die Wasserschutzpolizei und das Feuerwehrboot patrollierten. Ein Schmuckhändler aus dem Badgarten, dem sein Zelt davongeflogen war, konnte im Moment nur noch seinen Schmuck zusammenraffen und traf triefnass im Eiscafe ein. Ein ganz großes Kompliment dem Team vom Incontro, das sehr besonnen, freundlich und routiniert die Gäste hinter den angelaufenen Fenstern mit Annehmlichkeiten versorgte und eine Stimmung schuf, die keinerlei Hysterie aufkommen ließ.


Die Männer und Frauen der Landesgartenschau-Freunde rund um Raphael Wiedemer-Steidinger, Roland Leitner und Irene Alpes hielten im wahrsten Wortsinne Stand. Unglaublich, wie sie mit lauter Musik das Heulen des Sturmes übertönten und durch ihren beherzten, aber auch teilweise gefährlich wirkenden Einsatz ihren Stand mit dem wild flatternden Dach am Boden hielten. Als das erstaunlich langanhaltende Unwetter bald nach 22.30 Uhr in einem normalen Regen verebbte, bot die leere Überlinger Promenade ein trauriges Bild. Beim genaueren Hinsehen zeigte sich jedoch, dass alle großen Zelte noch standen und auch noch Fest-Stimmung vorhanden war, jedenfalls im La Vita. Dort hinein hatten sich die Musiker der Zäpfles-Bräss-Band mit ihren Blechblas-Instrumenten geflüchtet und zu ihrer Musik wurde heftig getanzt. (sma)