Was sich bei der Europawahl abzeichnete, setzt sich im Gemeinderat in Überlingen fort: Die AfD verbucht Zugewinne und schafft auf Anhieb den Sprung in das Stadtparlament. Sie erhält zwei Sitze: für den Landwirt und Gastronom Hans-Dieter Roth und für den Unternehmer und Diplom-Ökonom Thorsten Peters.
Die AfD scheiterte knapp am Fraktionsstatus, für den drei Sitze nötig gewesen wären. Hier zog nach Auszählung des letzten Stimmenbezirks Irene Alpes von LBU/Die Grünen an der AfD vorbei, beziehungsweise schnappte der AfD den dritten Sitz quasi vor der Nase weg.

Der Fraktionsstatus hätte der AfD die Möglichkeit eröffnet, im Ältestenrat am Zustandekommen der jeweiligen Tagesordnung mitzuwirken, was ihr nun aber verwehrt ist. Oberbürgermeister Jan Zeitler reagierte gelassen auf das Einziehen der AfD in den Gemeinderat. „Letztendlich werden wir auch mit dieser neue Situation umgehen können.“
Enttäuschend wenig Frauen und Junge
Als „Enttäuschung“ bezeichnete es OB Jan Zeitler, dass im künftigen Gemeinderat nur fünf Frauen sitzen, noch eine Frau weniger als nach den Wahlen vor fünf Jahren. Als „größte Enttäuschung“ sieht der OB den Umstand, dass keine Kandidatin und kein Kandidat der ganz jungen Generation gewählt wurde, auch nicht die, die sich bisher im Jugendgemeinderat engagiert haben, wie etwa Vanessa Schnell. „Das spricht vielleicht dafür, dass die Arbeit des Jugendgemeinderats noch etwas sichtbarer werden muss.“
Die bisher größte Fraktion, LBU/Die Grünen, verliert einen Sitz gegenüber der Wahl vor fünf Jahren, bleibt aber stärkste Kraft. Für sie kommen keine neuen Gesichter, vielmehr sind die bisherigen Mandatsträger im Amt bestätigt worden. Die beiden bisherigen Räte, Marga Lenski und Benedikt Kitt, die nicht mehr im Rat vertreten sein werden, haben gar nicht kandidiert. Und als siebte Kraft ist künftig Irene Alpes vertrete. Wieder vertreten, kann man sage, da sie früher schon einmal einen Sitz im Gemeinderat hatte. Sie ist pensionierte Lehrerin und wollte sich nach Antritt des Ruhestands wieder verstärkt in die Kommunalpolitik einbringen.
Stimmenkönig Hornstein vor Sorms
Die meisten Stimmen für LBU/Die Grünen verbuchte Walter Sorms, der sich mit Günter Hornstein von der CDU ein Kopf-an-Kopf-Rennen um den Platz des Stimmenkönigs lieferte. Angesichts der 7175 Stimmen, die Sorms, der bisherige Stimmenkönig, nun erneut auf sich verbuchen konnte, sagte der Landwirt vom Hofgut Rengoldshausen: „Das macht meine Demut vor der Aufgabe eher noch größer, und ich werde mich noch intensiver einsetzen.“

Neuer Stimmenkönig ist Günter Hornstein mit 8183 Stimmen. Er war in früheren Amtsperioden schon zweimal Stimmenkönig, zu Zeiten, als die CDU noch die meisten Sitze im Rat stellte, und freut sich jetzt über die Bestätigung seiner Person und seiner Ratsarbeit. „Das persönliche Ergebnis ist schön, für mich ist aber das Gesamtergebnis wichtiger.“ Hornstein startet damit in seine siebte Amtszeit, insgesamt 30 Jahre als Gemeinderat der Stadt Überlingen hat der pensionierte Polizeibeamte schon hinter sich.
Im Gesamtergebnis konnte die CDU zulegen. Sie ist künftig mit sechs Personen im Rat vertreten, ein Sitz mehr als bisher. Ihre bisherigen Mandatsträger schafften den Wiedereinzug. Spannend im Verlauf des Auszählungsprozesses war das Rennen zwischen der Notarfachangestellten Aniko Haufe und Rechtsanwalt Franz Dichgans um den sechsten Platz. Beide hatten vor fünf Jahren schon kandidiert, diesmal schaffte es Dichgans in das Gremium.
FWV-ÜfA gewinnt einen Sitz hinzu
Drittstärkste Kraft im Gemeinderat ist künftig die Fraktion FWV-ÜfA. Auch hier sind die vier bisherigen Mandatsträger wieder im Rat vertreten, ergänzt durch den Vorsitzenden des Ortsvereins, Rechtsanwalt Christian Sellerbeck. Spannend war das Rennen um den fünften Platz, der FWV-ÜfA von der Verhältniswahl her zustand. Hier wechselten sich im Prozess Lothar Thum und Susanne Held ab, letztlich obsiegte Thum. Interessant beim Blick auf FWV-ÜfA sind die individuellen Ergebnisse der Gewählten. So verbuchte Robert Dreher vor fünf Jahren noch fast 5700 Stimmen. Diesmal reichte es Hubert Büchele mit knapp 3900 Stimmen zum beste Ergebnis. „Wir freuen uns natürlich über den zusätzlichen Sitz im Stadtrat“, kommentierte Christian Sellerbeck. „Wir hatten viele tolle Kandidaten, die die Wähler überzeugen konnten.“
SPD steht vor einem Generationswechsel
Vor dem größten Generationswechsel steht die SPD. Sie ist künftig mit der Einzelhändlerin Kirsten Stüble und dem Arzt Rainer Röver im Rat vertreten. Michael Wilkendorf, der bisher schon im Gemeinderat gesessen hat, und als einziger Mandatsträger sich der Wiederwahl stellte, schaffte den Sprung in den Rat erneut. Er hatte sich mit dem Studenten Jan Stüble ein Kopf-an-Kopf-Rennen geliefert.
Für die FDP schafften die Mandatsträger Ingo Wörner und Raimund Wilhelmi den Wiedereinzug. Den dritten Platz für die Liberalen nimmt künftig der Gastwirt Andreas Liebich ein, gewissermaßen der natürliche Nachfolger von Gastwirt Peter Vögele, der nicht mehr angetreten war. Die FDP hatte bei den Wahlen vor fünf Jahren ebenfalls drei Stimmen erzielt, in der laufenden Amtsperiode mit Gerhard Graf, der der BÜB+ abtrünnig geworden war, Zuwachs erhalten.
Die BÜB+ stellte keine Liste auf, nachdem sie nicht genügend Bewerber gefunden hat. Dass ein Einzug in den Gemeinderat auch mit einer unvollständigen Liste gelingen kann, zeigt die AfD, die nur neun von 26 möglichen Kandidaten ins Rennen schickte.