Konflikte in einer Notunterkunft im westlichen Bodenseekreis haben jetzt zu einer Gerichtsverhandlung geführt. Auf der Anklagebank im Amtsgericht Überlingen sitzt an diesem Tag eine 71-jährige Bewohnerin. Laut der Staatsanwaltschaft soll sie eine andere Bewohnerin mit einem Schlag auf den Arm verletzt haben. Vorgeworfen wird ihr vorsätzliche Körperverletzung. Gegen den Strafbefehl hat sie zuvor Einspruch eingelegt, begleitet wird sie von einem Pflichtverteidiger.

71-Jährige bestreitet, die Tat begangen zu haben

„Ich habe immer wie verrückt geklaut, aber ich habe noch nie eine Körperverletzung begangen“, sagt die 71-Jährige. Sechs Verurteilungen stehen, ihre Person betreffend, im Strafregister. Auch berichtet sie von einem Motorradunfall, bei dem sie sich einen Bruch zuzog: „Ich kann niemanden kräftig schlagen.“ Vor sieben Jahren wurde sie begutachtet. „Da steht drin, ich habe eine Psychose“, erklärt die Angeklagte. Sie wünscht sich eine weitere Begutachtung. Der Ablauf ist im Sozialgesetzbuch festgelegt. Es erfolgt eine sozialmedizinische, bei Bedarf auch psychologische Begutachtung.

„Ich habe immer wie verrückt geklaut, aber ich habe noch nie eine Körperverletzung begangen.“
Angeklagte, 71 Jahre

Die 71-Jährige sagt: „Ich muss irgendwo in ein Altenheim.“ Richter Alexander von Kennel entgegnet: „Das erzählen Sie mir seit fünf Jahren“, worauf sich die Angeklagte auf die Lage in der Pflege bezieht: „Die Pflegeplätze sind knapp.“ Das Leben in der Notunterkunft beschreibt sie als große Anstrengung. „Jeder Tag ist eigentlich unmöglich zu leben. Ich habe nichts zu Essen. Ich will da draußen nicht mehr sein“, sagt die 71-Jährige. Parallel zu dem Vorfall mit dem Schlag, der ihr zur Last gelegt wird, läuft ein weiteres Verfahren. Sie soll mit einer Glaskaraffe auf eine andere Bewohnerin losgegangen sein. Hier sagt sie ebenso: „Ich räume nichts ein, was ich nicht gemacht habe.“

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Psychiatrisches Gutachten versetzt Angeklagte in Rage

Das Gericht entscheidet sich schließlich für ein psychiatrisches Sachverständigengutachten anstelle einer gewöhnlichen Begutachtung und dafür, die Hauptverhandlung auszusetzen. Bei der Nennung des Paragrafen 63 wird die Angeklagte hellhörig. Dieser sieht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus vor. Grund ist eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit oder der verminderten Schuldfähigkeit, wobei von weiteren Taten und damit einer Gefahr für die Allgemeinheit ausgegangen wird. „Aus mir machen Sie nicht so einen Fall. Jahrelang habe ich in diesen Anstalten verbracht. Hören Sie auf“, ruft die 71-Jährige verärgert. Richter von Kennel setzt dem entgegen, dass immerhin ein Schlag mit einer Karaffe im Raum stehe.

„Aus mir machen Sie nicht so einen Fall. Jahrelang habe ich in diesen Anstalten verbracht.“
Angeklagte über die mögliche Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus

Bis Ende Dezember ist die Angeklagte auf einer der kanarischen Inseln, finanziert durch den Nachlass einer Verwandten. Das Sachverständigengutachten soll danach erstellt werden. „Sie müssen da hingehen“, sagt von Kennel. Doch die 71-Jährige versucht ihn herauszufordern: „Was machen Sie, wenn ich in Spanien bleibe? Mich suchen?“ Und legt nach: „Wenn es geht, bleibe ich in Spanien. Ich habe Angst hier in Deutschland. Ich habe noch ein paar Monate oder ein Jahr zu leben. Das verbringe ich nicht in solchen Anstalten.“ Gericht und Staatsanwaltschaft antworten nicht auf die Ausführungen.

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