Er war zwar nur ein kleiner Fisch in einer der kriminellsten Vereinigungen weltweit. Der Prozess gegen den 33-jährigen Salvatore G., der am 15. November vor dem Landgericht Konstanz geführt wurde, stand dennoch unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen mit Leibesvisitation für die Besucher.

Die Berufungskammer verurteilte Salvatore G. zu zwei Jahren und fünf Monaten Haft wegen Kokainhandels und wegen der Unterstützung einer kriminellen ausländischen Vereinigung. Er sei nur der „Handlanger“ eines Mafiaclans gewesen, so die Einschätzung der Vorsitzenden Richterin.

„Heimlicher Stützpunkt“ in Stockach-Seelfingen

Die Unterstützung der kriminellen Vereinigung bestand darin, dass Salvatore G. eine Wohnung und ein Warenlager in Stockach-Seelfingen als Strohmann anmietete. Das diente nach Überzeugung des Gerichts als „heimlicher Stützpunkt“, von dem aus schwarz ein Lebensmittelhandel betrieben wurde, an dem Salvatore G. selbst aber nicht beteiligt gewesen sei.

Der Clan, dem Salvatore G. angehören soll, habe mit bandenmäßiger Steuerhinterziehung, Versicherungsbetrug und mit Drogenkriminalität sein Vermögen gemehrt, so der Vorwurf. Bei einer Verhaftungswelle im Mai 2021 wurden Vermögenswerte von über fünf Millionen Euro registriert. Ein Großteil der mutmaßlichen Mafiosi sitzt in Italien in Haft, ihnen drohen teils bis zu 20 Jahre Haft.

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Bei der Razzia im Mai 2021 unter dem Decknamen Platinum durchkämmten 800 Einsatzkräfte zeitgleich 87 Wohn- und Geschäftsräume zwischen Norddeutschland und Süditalien. Im Zentrum standen zwei Restaurants in Überlingen und Radolfzell sowie ein Warenlager und eine Wohnung in Stockach-Seelfingen. Unter den Festgenommenen: der 1989 geborene Salvatore G.

Angeklagter lebt seit 2011 in Überlingen

Salvatore G. lebte nach außen hin das bescheidene Leben eines Kellners. Aufgewachsen in Locri in Kalabrien, kam er 2005 nach Erfurt, im März 2011 dann nach Überlingen. Er sagte, dass er in einem Zimmer oberhalb des Restaurants lebte, in dem er arbeitete. Er habe pro Monat rund 1500 Euro Lohn bezogen, an guten Abenden seien 150 Euro Trinkgeld hinzugekommen.

Sein Nachname ist Programm. Der Name G. steht für einen lokalen Clan, der nach Erkenntnissen der Ermittler eine herausgehobene Position innerhalb der ′Ndrangheta genießt. Die ′Ndrangheta ist die Vereinigung der kalabrischen Mafia, die als eine der mächtigsten Mafia-Organisationen der Welt gilt.

Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen wurde der Prozess gegen den 1989 geborenen Salvatore G. am Landgericht Konstanz geführt.
Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen wurde der Prozess gegen den 1989 geborenen Salvatore G. am Landgericht Konstanz geführt. | Bild: Stefan Hilser

Der Clan G. wird nach Erkenntnissen der Ermittler, die im Gerichtsurteil bestätigt wurden, von dem 1963 geborenen Domenico G. angeführt. Er wird als Capo oder Boss bezeichnet, unter ihm gibt es als Rangniedere etwa den sogenannten Buchhalter, darunter folgen sogenannte Soldaten sowie Anwärter und Unterstützer, denen die ′Ndrangheta vertraut.

Bodenseeregion als Drehkreuz für harte Drogen

Der Clan G. habe mit Kokain von höchster Qualität gehandelt, das in Mengen von 50 bis 60 Kilogramm aus Südamerika bezogen und unter anderem nach Rotterdam oder Hamburg verschifft wurde. Deutschland, und hier die Bodenseeregion, sei für die Drogenhändler nur eine Durchgangsstation, bevor die Betäubungsmittel, meist Kokain, auf Sizilien, Sardinien oder Kalabrien im größeren Stil verkauft werde.

In Überlingen und Radolfzell betrieb der Clan Restaurants

Der Clan G. sei in San Luca (Kalabrien) im Piemont, auf Sardinien und Sizilien verortet, „und insbesondere im Bodenseeraum“. Jener Domenico G. sprach bei Streitigkeiten innerhalb des Clans demnach das letzte Machtwort. Bis zu seiner Verhaftung habe er von San Luca aus operiert, in besonderen Fällen sei er aber an den Bodensee gereist. Vor allem nach Überlingen, wo der Clan ein Restaurant unterhielt, in dem auch der Angeklagte arbeitete.

Wie Salvatore G. sagte, lebten zwei Brüder von ihm in Deutschland. Mit den vier Clanchefs, die im Gericht als Domenico, Giovani, Francesco und Sebastiano benannt wurden und die alle den selben Nachnamen tragen, sei er nicht verwandt. Sein Rechtsanwalt Franz Dichgans sagte, dass die Namensgleichheit Zufall sei. In Kalabrien komme der Familienname G. so häufig vor wie in Deutschland Müller und Maier, sagte der Verteidiger vor Gericht.

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In erster Instanz wurde der 33-Jährige bereits im Oktober 2021 zu einer Haftstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt. Das Gericht hielt ihn des Drogenhandels und der Unterstützung einer kriminellen ausländischen Vereinigung für schuldig, zudem wurde ihm Geldwäsche vorgeworfen. Gegen das Urteil legten sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft Berufung ein.

Die Staatsanwaltschaft wollte ein höheres Strafmaß erreichen, der Angeklagte einen Freispruch. Kurz vor Beginn der Berufungsverhandlung am 15. November 2022 beschränkte sich der Angeklagte auf die Feststellung des Strafmaßes, was einem Geständnis gleichkam und dem Gericht somit einen aufwändigen, auf fünf Gerichtstage angesetzten Prozess, ersparte.

Verstöße gegen „Gesetz des Schweigens“ enden mit dem Tod

Es blieb nun dabei, dass das Urteil des Amtsgerichts verlesen und darauf Bezug genommen wurde. In diesem Urteil wird beschrieben, dass es innerhalb der ‚Ndrangheta „eine eiserne Regel“ gebe, nämlich treu und gehorsam zum eigenen Clan zu halten. „Es gilt das Gesetz des Schweigens.“ Wer damit bricht, werde häufig mit dem Tod bestraft. „Ein Austritt bedeutet den Verlust aller sozialen und familiären Bindungen.“

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Das Urteil der Berufungskammer, das noch nicht rechtskräftig ist, fiel für den Angeklagten nun um einen Monat günstiger aus als in erster Instanz. Insgesamt erhielt er zwei Jahre und fünf Monate Freiheitsentzug. Der Einzug von 123.000 Euro, das mutmaßlich aus illegalen Geschäften stammte, wozu ihn das Amtsgericht noch verurteilte, wird ihm erspart. Dem Angeklagten kam hier zugute, dass es beim Geldwäschegesetz zwischenzeitlich eine Änderung gab und das Gericht nun deutlicher nachweisen hätte müssen, woher genau die Geldbewegungen in Höhe von über 120.000 Euro auf seinem Bankkonto stammten. Die Staatsanwaltschaft hatte diesen Vorwurf, der an der Gesamtstrafe wenig geändert hätte, deshalb fallen gelassen.

Drogengeschäfte mit einem V-Mann

Dass Salvatore G. die Machenschaften des Clans G. unterstützte, indem er als Strohmann fungierte und Clanmitgliedern einen geheimen Unterschlupf und eine Lagerhalle in Seelfingen besorgte, war vor Gericht unstrittig. Ihm wurde zugute gehalten, dass er an den von hier aus schwarz getätigten Lebensmittelgeschäften nicht beteiligt gewesen sei.

Zum Verhängnis wurde ihm ein V-Mann der Staatsanwaltschaft, den er im April/Mai 2019 für einen echten Drogenkunden hielt. Er bot ihm erst ein Kilo und dann fünf Kilo Kokain „in höchster Qualität“ an. Glück für Salvatore G., dass das Geschäft platzte, weil vor der geplanten Übergabe das Koks im kalabrischen Seehafen Gioia Tauro von der italienischen Polizei beschlagnahmt wurde. Sonst wäre die Strafe wohl erheblich höher ausgefallen.