Vor den Toren des Bodenseekreises werden die Rechtschreibregeln wieder respektiert. Viele Monate hatte ein Graffiti sie missachtet – und damit Aufmerksamkeit auf sich gezogen. In eine Fahrtrichtung hieß es: „FÜHR DIE TIRE VON MIR“, in die andere: „FÜR AALE TIRE JETZT“. Was beide Sätze genau bedeuteten, blieb offen. Klar war aber: Die Verfasser wollten auf Tierschutz aufmerksam machen – mit einer bewusst falschen Schreibweise. Nun ist der Schriftzug weg. Doch wer könnte daran interessiert gewesen sein, diese Botschaft zu entfernen?
Waren es Deutschlehrer?
Deutschlehrer sind die Bewahrer der korrekten Rechtschreibung. Die Regeln sind eine große Errungenschaft, die aber scheinbar bedroht ist. Auf den Smartphones der Generation Z spielen Groß- und Kleinschreibung, Kommata oder der Punkt als Satzende keine Rolle mehr. Die jungen Nutzer wischen mit dem Daumen über den Bildschirm und das Handy weiß, was man sagen will. Selbst moderne Schreibprogramme korrigieren die Worte, während Nutzer sie auf dem Computer eintippen. Und dann kommt auch noch dieses Graffiti, was jegliche Anstand vermissen lässt. Also dachten sie sich möglicherweise: Putzlappen raus und weg damit!
War es der Duden-Verlag?
Der Duden-Verlag ist die letzte Bastion der deutschen Rechtschreibung. In dem Nachschlagewerk finden sich Substantive wie „Sabbeltante“, „Gutmensch“ oder „Hüftgold“. Regelmäßig nimmt die Redaktion aber auch neue Wörter auf, beispielsweise „In-vitro-Fleisch“, „Erdüberlastungstag“ oder „Lifehack“. Doch der Schriftzug auf der B31 war möglicherweise ein Stück zu progressiv.
Einfach schreiben wie man will? So nicht! Wenn alle Rechtschreibregeln außer Kraft gesetzt sind, hat der Duden keinen Sinn mehr und die Mitarbeiter sind ihre Jobs los. Also dachte sich die Redaktion möglicherweise: Besser eingreifen, bevor die deutsche Sprache komplett die Bundesstraße hinab geht.
War es ein Fleischliebhaber?
Die Preise für Fleisch steigen, immer mehr Menschen werden Vegetarier und die Supermarktregale platzen vor Tofu-Würstchen. Und dann fordern auch noch Tierschützer von Greenpeace eine höhere Steuer auf Fleisch für mehr Tierwohl. Diese Weltlage mag für Liebhaber von Rumpsteak oder Wiener Schnitzel schmerzhaft sein. Und dann auch noch dieses Graffiti. Bevor sich also ein Bundesminister verirrt und den Schriftzug liest, dachte sich möglicherweise ein Fleischliebhaber: Putzlappen raus und weg mit dem Graffiti!
Die Auflösung
Die Wahrheit aber ist: Die Straßenmeisterei Radolfzell hat Ende Mai das Graffiti entfernt, wie die Pressestelle des Landratsamts Konstanz auf SÜDKURIER-Anfrage erklärt. Damit hat die Bundesstraße ihren einzigen Hingucker verloren. Doch immerhin ist jetzt wieder alles beim Alten – und keiner stellt mehr Tierwohl, Fleischkonsum oder die deutsche Rechtschreibung in Frage.