Wer sich als Pädagoge an Waldorfschulen derzeit an gesetzliche Regeln zu Hygiene und Corona-Prävention samt Maskenpflicht hält, hat es nicht immer leicht und kommt bisweilen mächtig unter Druck. Vor Kurzem eskalierte der Streit an einer Waldorfschule bei Göppingen. „Lehrer und Schulleitung haften persönlich für jedes im Unterricht umgefallene Kind“, war laut „Stuttgarter Zeitung„ an der Eingangstür zu lesen gewesen und dazu die offene Drohung: „Wir jagen euch durch alle Gerichtssäle.“

Einige hegen Wunsch nach alternativen Möglichkeiten

Derlei massive Konfrontationen gibt es an der großen Überlinger Waldorfschule mit ihren nahezu 1000 Schülern aus der ganzen Region nicht, wie Schulvorstand und Geschäftsführung deutlich machen. „Es gibt Eltern wie Kollegen, die darüber besorgt sind und sich mehr alternative Möglichkeiten wünschen wie zum Beispiel Unterricht mit Abständen ohne Maske, wie es vor den Sommerferien möglich war“, erklärt Wilko Braa für den Vorstand auf Nachfrage.

Doch wie alle anderen Schulen müsse die Freie Waldorfschule die Maskenpflicht im Unterricht umsetzen. „Die Spielräume, um Schülern wie Lehrern Zeiträume ohne Maske zu ermöglichen, sind nur sehr begrenzt vorhanden wie in den Pausen, beim Lüften oder beim Essen und Trinken“, betont Braa.

Auch an der Waldorfschule sind Masken Pflicht.
Auch an der Waldorfschule sind Masken Pflicht. | Bild: Hanspeter Walter

Doch im Netz werden auch die Pädagogen der Überlinger Schule nicht nur kritisiert, sondern massiv beschimpft. Alumnis und einige Eltern melden sich zu Wort, denen diesen Bemühungen um einen ordnungsgemäßen und vorschriftsmäßigen Schulbetrieb gar nicht behagen.

Offener Brief auf „Querdenker“-Plattform

„Rudolf Steiner würde sich definitiv im Grabe herumdrehen, wenn er wüsste, was ihr da für ein Theater an der Schule veranstaltet “, schreibt eine ehemalige Schülerin der Überlinger Waldorfschule, die ihren Namen nicht preisgibt, in einem offenen Brief auf einer lokalen „Querdenker“-Plattform und spricht viele ihrer einstigen Lehrer direkt an – nicht gerade in einem sehr freundlichen Ton.

Sie erinnert an „viele wunderbare Erfahrungen und auch tolle Lehrer“. Heute kuschten „rückgratlose Geistesgenossen“, schreibt die Ehemalige, und machten die Maßnahmen der Regierung mit.

Schule weist auf Gelände auf geltende Regeln hin

An der Schule selbst wird schon am Rande des Geländes und spätestens an allen Türen auf die Mund-Nasen-Schutz-Pflicht explizit hingewiesen. Viele Schüler halten sich dem Augenschein nach auch daran.

Klare Ansage im Doppelpack.
Klare Ansage im Doppelpack. | Bild: Hanspeter Walter

Kritische Stimmen auf Informationsbrief

Kritische Stimmen finden sich lediglich auf einem „Informationsbrief für Lehrkräfte, Schulleiterinnen, Eltern und Oberstufen-Schülerinnen“. Der streitet die Sinnhaftigkeit von Masken ab und enthält Links zu Internetseiten für Skeptiker.

Unverständnis für Maßnahmen hält sich in Grenzen

„Wir versuchen per Mail, die Schulgemeinschaft zeitnah über die notwendigen Veränderungen durch die neuen Verordnungen zu informieren und Verständnis dafür zu erreichen“, erklärt Vorstandsmitglied Wilko Braa: „Das wird auch in großen Teilen geschätzt und mitgetragen. Widerstand und Unverständnis für die erforderlichen Maßnahmen halten sich in Grenzen.“

Eine Verschärfung und zeitliche Ausdehnung der Maskenpflicht, verbunden mit weiteren Einschränkungen, könne aber möglicherweise dazu führen, dass „eine Umsetzung allein auf der Grundlage einer verständnisvollen Akzeptanz immer schwieriger werden wird“.

Schule bekommt zunehmend ärztliche Atteste

Für einen Unterricht, der viel auf Kommunikation und Begegnung ausgerichtet sei, bedeuteten die Masken „eine erhebliche Einschränkung in der Interaktion und haben spürbaren Einfluss auf das Wohlbefinden von Schülern wie Lehrern“. Dementsprechend bekomme die Schule zunehmend ärztliche Atteste, die offiziell von der Maskenpflicht befreiten.

Die Ehemalige und Kritikerin im Netz mag dies mit Genugtuung hören beziehungsweise lesen. Sie fordert die Pädagogen dazu auf, der Anthroposophie alle Ehre zu machen, „sodass sich Steiner wieder friedlich schlafen legen kann“. Verantwortliche der Schule indessen bezweifeln, dass ihr geistiger Vater sich überhaupt so schnell aus der Ruhe bringen lässt, wie einzelne Bedenkenträger befürchten.