So viel Harmonie war bei den Grünen früher undenkbar. Dem Streit als Grundlage von Demokratie wurde gehuldigt. Nun wurde die politische Auseinandersetzung um die besten Köpfe und Ideen wegorganisiert. Indem Martin Hahn als einzige Person im parteiinternen Werben um eine Kandidatur vor seine Parteifreunde trat, war die Kontroverse so gut wie ausgeschlossen. Martin Hahn sprach zwar von Nervosität, die ihn bei seiner Bewerbungsrede befallen habe, nötig war sie indes nicht. Es konnte ihm allenfalls passieren, dass über die Maßen gegen ihn gestimmt würde. Die acht Gegenstimmen und zwei Enthaltungen sprechen für ein Grummeln hinter den Kulissen.

Nicht als Abgeordneter präsent

Vordergründig schlug Hahn keinerlei Kritik entgegen – einzig in dem Vorwurf aus dem Friedrichshafener Ortsverband, dass er im Osten des Wahlkreises zu wenig präsent sei. Hahn antwortete, dass das nicht stimme, und gab den Medien die Schuld. Seine Präsenz in Printmedien, behauptete er, sei zurückgegangen. Was Hahn dabei vergisst: Es liegt schon an den Akteuren selbst, ob sie Berichtenswertes von sich geben. Zudem war Hahn im vergangenen Jahr in der Region so präsent und in der Zeitung so gut vertreten wie nie zuvor. Nicht in seiner Rolle als Landtagsabgeordneter, für die er über Monate hinweg kaum Öffentlichkeitsarbeit betrieb. Sondern als Kandidat für die Oberbürgermeisterwahlen in Überlingen, als er ein mediales Feuerwerk zündete.

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Hahn zeigt Absatzbewegungen zur CDU

Für diese Ambitionen streifte der Grüne seinen grünen Kittel ab und kandidierte, wie mehrfach von ihm betont, „parteiunabhängig“. Teils war seine Nähe zur FDP in Überlingen näher als zu den Grünen. Doch Schwamm drüber, seine Parteifreunde haben ihm verziehen und schicken ihn erneut ins Rennen um den Landtag. Bei Hahn wissen sie, dass er gut bei den Leuten ankommt, das OB-Wahl-Ergebnis in Überlingen war alle Achtung wert. Warum also einen parteiinternen Zoff vom Zaun brechen? Nicht bei den Grünen im Jahr 2025.

Hahn gilt als die personifizierte Schwarz-Grüne-Koalition. Mit seiner Kritik am Gebaren von CDU-Bauernminister Hauk zeigte er Absatzbewegungen und eine Betonung grüner Werte. Danach lechzen die Grünen. Im warmen Applaus für Hahns Ersatzkandidatin Christine Bernard, die mehr Stimmen als Hahn erhielt, war erkennbar, was sich die Grünen im Bodenseekreis neben Harmonie eben auch wünschen: Einen Kandidaten, der ihre Ur-Werte offensiv nach außen trägt.