Es ist halb zehn am Morgen. Eigentlich keine Zeit für Kinogänger. Dennoch schieben sich viele Mädchen und Jungen durch das Entree der Kinos in der Cinegreth. Thomas Lailach, Chef der drei Vorführsäle unter dem Dach der Überlinger Greth und zwei weiterer Abspielorte in der Franziskanerstraße, hat alle Hände voll zu tun.
Heutzutage läuft jede Filmvorführung digital ab, gesteuert über sein Tablet, und da hakt gerade irgendetwas. „Noch einen Moment Geduld“, bescheidet er die Lehrerin und den Lehrer, „gleich hab ich es.“ Die Schulklassen entern derweil zwei Kinosäle. Gezeigt wird für die Jüngeren „Räuber Hotzenplotz“ und für die älteren „Plastic Fantastic“, ein Film über das Thema Müll und nachhaltigeres Leben.
Ohne Popcorn geht es nicht
Die Schulklassen aus Überlingen und Nussdorf sind im Rahmen der landesweiten Kino-Schulwoche in die Cinegreth gekommen. Lailach: „Wir beteiligen uns gerne an so einer Aktion. Das Land gibt für diese Vorführungen Filmlisten vor, aus denen wir in Kooperation mit Schulen auswählen können.“ Noch schnell Popcorn oder andere Süßigkeiten an der Kino-Theke besorgt, dann schließen sich die Türen zu den beiden Sälen und im Vorraum wird es still.
Wie geht es den Überlinger Kinos nach der Pandemie und mit der großen Konkurrenz durch Streaming-Dienste? „Das Kino läuft wieder so, dass man seine Rechnungen bezahlen kann“, bringt Lailach es auf den Punkt. Aber: „Ohne Concession kann heute kein Kino mehr überleben.“ Concession meint im Kino-Fachjargon den Verkaufstresen für Popcorn und Ähnliches. „Das ist genauso wie an den Tankstellen, am Spritverkauf verdienen die Pächter gar nichts, nur durch den Verkauf anderer Artikel“, sagt Thomas Lailach.
Erneut wurde die Cinegreth ausgezeichnet
Dennoch stehen die Kinos in Überlingen nicht schlecht dar. Gerade eben wurden sie wieder unter der Rubrik „Sehr gute Programmaktionen/-ideen“ vom Land Baden-Württemberg als einer von 58 Lichtspielbetrieben ausgezeichnet. „Nur einmal haben wir in den zurückliegenden Jahren keinen Preis erhalten“, sagt Thomas Lailach. Er habe damals aus Arbeitsgründen die Unterlagen zu spät eingereicht. „Sonst waren wir immer dabei.“
Ausgezeichnet werden die Überlinger Kinobetriebe vor allem für die Auswahl ihres Programms. Lailach zeigt dort viele kleine Filme, die er zuvor auf der jährlichen Filmmesse in Leipzig entdeckt hat. „Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir ein sehr treues Publikum haben“, sagt er, „vor allem Senioren, die noch gerne ins Kino gehen, um anspruchsvolle Filme zu sehen.“
James Bond bringt Umsatz am Tresen
Natürlich müsse er auch sogenannte Blockbuster ins Programm nehmen, amerikanische Filme also, die mit großem Werbeaufwand in den Verleih gedrückt werden und mit denen schnell viel Geld verdient werden soll. „Blockbuster sind Popcorn“, sagt Lailach schmunzelnd, denn wenn er diese Kassenschlager wie zum Beispiel James Bond zeigt, könne er am Tresen viel Umsatz und damit Gewinn machen. Am liebsten sind ihm persönlich aber die anspruchsvollen Filme, wie gegenwärtig zum Beispiel der „Buchspazierer“. Der Film laufe schon seit Anfang Oktober und es kämen immer noch genügend Zuschauerinnen und Zuschauer, sodass sich die Vorführung lohne.
Die Nachwirkungen der Pandemie
Die Corona-Pandemie hat den Kinos stark zugesetzt. Für die Menschen sei diese Zeit wie eine Gebrauchsanleitung gewesen, in der die Menschen gelernt hätten, sich zu Hause zu unterhalten, meint Thomas Lailach. Noch kämpfe die Branche mit der veränderten Marktlage und auch die Kinos in Überlingen hätten noch nicht wieder die Besucherzahlen der Vor-Corona-Zeit erreicht. „Aber die Lage hat sich stabilisiert“, zieht er sein Resümee für Überlingen. Während die drei Kinos in der Cinegreth täglich bespielt werden, zeigt Lailach gegenwärtig nur am Samstag und Sonntag Filme in den Kinos Kammer und Tivoli in der Franziskanerstraße. „Aber hier wollen wir auch wieder den Freitag mit ins Programm nehmen“, verrät er.
Die beiden Kinos in der Franziskanerstraße liegen dem 55-Jährigen besonders am Herzen, aus Familientradition. Dort übernahm sein Urgroßonkel 1936 die Kammerlichtspiele und später betrieb er ein zweites Kino, das Tivoli am heutigen Standort des Parkhauses Mitte. Als dieses Ende der 70er Jahre abgerissen wurde, übernahmen die Eltern von Thomas Lailach 1981 die Kammerlichtspiele in der Franziskanerstraße und bauten dort einen zweiten Kinosaal ein, nannten ihn Tivoli als Reminiszenz an das frühere Lichtspieltheater am Bahnhof Mitte.
„Ich habe vor 40 Jahren im Kammer/Tivoli bei meinen Eltern angefangen“, erinnert sich Thomas Lailach, der später dann die Kinos von seinen Eltern übernahm. Deshalb will er auch in jedem Fall über das Jahr 2029 hinaus in der Franziskanerstraße Filme zeigen. Für die Cinegreth ist die Zukunft indes offen. „Am 9. Januar 2029 läuft der Erbpachtvertrag für die Greth mit der Stadt Überlingen aus. Wir wollen weitermachen“, sagt er, „aber wir brauchen andere Rahmenbedingungen.“
G9 macht Hoffnung
Ein weiteres Thema sind die Mitarbeiter. „Sie fehlen uns, genauso wie überall“, sagt Thomas Lailach. „Durch die Wiedereinführung von G9 an den Schulen sind eventuell wieder mehr Schülerinnen und Schüler dafür zu begeistern, hier mitzuarbeiten“, sagt er hoffnungsvoll und sein Blick wandert zum oberen Kinosaal, wo gerade seine Hoffnungsträger einen anspruchsvollen Film nicht streamen, sondern als Gemeinschaftserlebnis im Kino genießen können.