Das Ergebnis war haarscharf: Mit zwölf Ja-Stimmen, elf Nein-Stimmen und einer Enthaltung hat der Gemeinderat am Mittwochabend für einen erneuten Aufstellungsbeschluss des Bebauungsplans Rauenstein Ost votiert. Vorher hatten sich fast alle Stadträte in teilweise sehr umfassenden Wortbeiträgen gemeldet. Nach der Abstimmung meldete sich Andrea Knorr, Sprecherin einer Bürgerinitiative, zu Wort: „Wir als Bürgerinitiative Landschaftspark St. Leonhard sind der Meinung, dass die Bürgerschaft über die Bebauung des Landschaftsparks abstimmen sollte. Daher werden wir umgehend ein Bürgerbegehren initiieren.“
In mancher Wortmeldung wurde die Sorge deutlich, dass das Wohngebiet zu groß werden könnte. „Wenn wir das beschließen, ist die Bebauung so, wie jetzt vorgesehen, gesetzt. Das ist meine Erfahrung“, fürchtete Herbert Dreiseitl (LBU/Grüne). Gerade diese Stelle sei aber für die Natur extrem wichtig und hochsensibel.
Umstrittenes Projekt, knappe Entscheidung
Bürgermeister unterbindet Applaus
Robert Dreher (FWV-Üfa) sagte: „Beide Seiten haben gute Argumente und die sollte man jeweils respektieren. Zur Demokratie gehört, dass man die Entscheidung, die wir nachher haben werden, respektiert.“ Für ihn sei das Plangebiet so, wie jetzt vorgeschlagen, zu groß und entspreche nicht mehr den Ausgangsüberlegungen. Seinen Worten folgte Applaus von der Tribüne, woraufhin Baubürgermeister und Sitzungsleiter Thomas Kölschbach mahnte: „Bitte kein Applaus in der Gemeinderatssitzung.“ Auch Ulf Janicke (LBU/Grüne) hielt die Zustimmungsbekundungen für nicht gerechtfertigt, „denn da wird eine Front aufgestellt, die die Sache nicht verdient hat“. Janicke machte deutlich, dass der Weg für ihn falsch herum sei. „Ich möchte, dass wir erst konkretisieren: Was meinen wir mit bezahlbarem Wohnraum?“
Bürger äußern sich in Fragestunde
Die Frage nach „bezahlbarem Wohnraum“, und wie dieser definiert wird, spielte bereits in der Bürgerfragestunde eine Rolle. Bei diesem Tagesordnungspunkt nutzten die Kritiker des Projekts die Gelegenheit, ihre Sicht den Räten zu schildern.
Günter Hornstein (CDU) sagte später in der Ratsdebatte: „Es ist unstrittig, dass wir Wohnungen benötigen. Herr Kölschbach hat eindrücklich dargestellt, warum das der richtige Platz ist, ich werde zustimmen.“ Verständnis äußerte Hornstein hinsichtlich der Verkehrssituation in der Rauensteinstraße. Da müsse man genau hinsehen. Auch Bernadette Siemensmeyer (LBU/Grüne) hielt es für unbestritten, dass es bezahlbaren Wohnraum brauche. „Die Ziele sind alle richtig. Ich frage mich nur, ob die Stelle die richtige ist.“ Wenn eine Fläche als Grünfläche im Flächennutzungsplan dargestellt sei, bedeute das, dass sich die Vorgänger im Gemeinderat Gedanken gemacht hätten.
Alpes bezeichnet sich als „Anwältin der Natur“
Irene Alpes (LBU/Grüne) bezeichnete sich „in dieser Frage als Anwältin der Natur“ und sagte: „Wir dürfen eigentlich keinen Nettoverlust an städtischen Grünflächen mehr erlauben.“ Auch habe sie Zweifel, „ob es mittelfristig überhaupt bei diesem kleinen Gebiet bleiben soll.“
Bruns sieht sich als „Anwalt der Wohnungssuchenden“
Alexander Bruhns (CDU) nannte sich hingegen „Anwalt der Menschen, die keine Wohnung haben“. Und deshalb sei es höchste Zeit, voranzumachen. Die Aufladung des Themas habe bei allen Spuren hinterlassen. „Ich finde es auch richtig und wichtig festzuhalten, dass aus den Eingaben der Bürgerschaft wichtige Punkte eingeflossen sind.“
Die Ja- und Nein-Stimmen gingen teils quer durch die Fraktionen, die SPD war allerdings geschlossen dafür. Michael Wilkendorfs Wunsch: „Wir stellen uns vor, durch eine gemeinnützige Genossenschaft einen Mietwohnungsbau zu erstellen.“ Auch er sei allerdings für ein Ende der Bebauung an der Feldscheuer. „Der nun vorliegende Entwurf des Plangebiets geht darüber hinaus, wir werden im Bebauungsplanverfahren dezidiert begleiten. Die Reitwiese bleibt unbebaut.“ Wilkendorfs Fraktionskollegin Kirsten Stüble sagte: „Wir haben die Verantwortung den Bürgern gegenüber.“ Bezüglich der Glaubwürdigkeit in der Politik sei es wichtig, nun hinsichtlich bezahlbarem Wohnraum Taten folgen zu lassen. Ihre Vision sei, dass der Gemeinderat bestimme, wer in die Wohnungen ziehen darf.
Röver: „Dem Wohl der ganzen Stadt verpflichtet“
Rainer Röver, ebenfalls SPD, merkte an, dass einige Punkte in der Vergangenheit „einer demokratischen Diskussionskultur nicht würdig“ gewesen seien, „zum Beispiel, wenn unterstellt wurde, die Stadt mache geheime Absprachen mit Schweizer Investoren, um Luxuswohnungen zu bauen. Das ist eine Falschbehauptung.“ Gemeinderäte seien dem Wohl der ganzen Stadt verpflichtet, eben auch all jenen, die keine hohen Mieten zahlen können.
Der Ansicht war auch Franz Dichgans (CDU): Man sei es den Menschen, die in Überlingen arbeiten und sich keinen teuren Wohnraum leisten können, schuldig, dass sie die Chance haben, in Überlingen zu wohnen. Dichgans merkte an, dass die Fläche zum großen Teil mit Kleingärten belegt sei. „Das ist eine Nutzung, die der Allgemeinheit als Landschaftspark nicht wahnsinnig viele Vorteile bringt.“ Denke man sich diese Fläche dazu, könne man aus dem Zusammenhang der Wiesen einen größeren Park machen.
Ulrich Krezdorn (CDU) sagte: „Mir ist der soziale Gedanke in dem Fall näher und ich will, dass die Kinder ihre Jugend nicht im Schulbus verbringen, weil Familien sich eine Wohnung in Überlingen nicht leisten können.“ Das sei übrigens auch ein Umweltgedanke. Seine Fraktionskollegin Sonja Straub hatte etwas Sorge, dass sich das Wohngebiet vergrößern könne: „Mir würde es gefallen, wenn der Wendehammer nicht so einladen würde, dass man die Straße weiterführt nach oben. Das ist mir ein bisschen zu offen.“ Auch hatte Straub Zweifel, ob die Lage geeignet sei für bezahlbaren Wohnraum. „Muss man das wirklich in Seesichtlage machen? Es gibt genug Dörfer, die darauf warten, dass man bei ihnen ein Baugebiet ausweist.“
Kölschbach: „Kein in Stein gemeißelter Entwurf“
Walter Sorms (LBU/Grüne) sprach davon, dass sein Umfeld mit Unverständnis oder sogar mit Verwerfungen auf seine Entscheidung reagiert habe, als Grüner dafürzustimmen. „Ganz zu schweigen von meinem inneren Kampf.“ Er wisse, dass er sich unbeliebt mache, aber er bekomme so viele verzweifelte Anfragen von Leuten, die keinen bezahlbaren Wohnraum finden. „Das, wovon wir reden, geht in Richtung Daseinsvorsorge. Um das zu schaffen, müssen wir jede Stellschraube nutzen.“
„Man verbiegt sich innerlich“, sagte Ralf Mittelmeier (FWV-ÜfA). „Man sagt mal Ja und mal Nein. Als ich kam, war ich nicht sicher, was ich entscheide. Die Zuschauer da oben sitzen einem im Genick.“ Das führte zu mitfühlendem Gelächter auf der Tribüne. Mittelmeier bezweifelte, „ob wir es in Überlingen schaffen, den Wohnraum so zu sättigen, dass die Mieten günstiger werden“. Auch er sagte, dass ihm vieles in der Sitzungsvorlage suggeriere, „dass der Plan so umgesetzt wird, wie er da steht“.
Jörg Bohm (CDU) mahnte hingegen: „Was mir Angst macht, ist das mangelnde Vertrauen in das eigene Gremium. Oder trauen wir unserer Verwaltung nicht? Uns selber nicht?“ Man habe durchaus die Möglichkeit, während des Verfahrens zu gestalten. Baubürgermeister Kölschbach versicherte: „Ich habe Ihnen mein Wort gegeben, dass das ein städtebauliches Konzept ist, das überarbeitet wird und dazu stehe ich. Das ist kein in Stein gemeißelter Entwurf.“