Während die Stadträte in den Saal treten, wartet dort Oberbürgermeister Jan Zeitler gleich mit einem komplexen Anliegen: die neue Grundsteuer. Der Ausschuss für Finanzen und Verwaltung tagt zum ersten Mal nach der Gemeinderatswahl. „Das Thema bewegt die Bürgerschaft“, sagt Zeitler. Die Zeit drängt. Stadträte und Bürgermeister sind sich gleichsam der Lage bewusst. Im nächsten Jahr muss die Gemeinde eine neue Grundsteuer erheben. Nur wie? Darüber informiert Stefan Krause, Kämmerer und Leiter der Finanzverwaltung Überlingens.
Die Kommunen hätten die Kritik der Öffentlichkeit auszuhalten, sagt Krause, gleichzeitig aber als letztes Glied in der Kette den kleinsten Gestaltungsspielraum. Tatsächlich kann der Gemeinderat nämlich nur den Hebesatz beschließen. Für die Erhöhung der Steuer ist allerdings eine andere Zahl relevant, der Grundsteuermessbetrag. Diesen kann die Stadt nicht beeinflussen.
So funktioniert die Grundsteuer
Doch von vorne: Es gibt drei Arten von Grundsteuern: A, B und neuerdings C. Relevant ist vor allem die Grundsteuer B, sie umfasst bebaute Grundstücke und solche, die bebaut werden könnten. Welchen Betrag man am Ende zahlt, wird anhand eben jener zweier Zahlen berechnet: Grundsteuermessbetrag und Hebesatz.
Zunächst wird der Grundsteuermessbetrag ermittelt. Dafür multipliziert man Quadratmeter, Steuermesszahl und Bodenrichtwert. Zentral ist der Bodenrichtwert. Er gibt den Wert des Bodens eines Grundstückes an, abhängig von der Lage. Gutachter hatten 2022 die Stadt in Zonen eingeteilt. Wer wissen möchte, in welcher Zone das eigene Grundstück liegt, kann auf der Internetseite Boris-BW nachsehen. Und dann wird man eine Überlinger Besonderheit feststellen: Mit einer Spanne von 140 Euro bis 2800 Euro pro Quadratmeter liegen die Werte der Grundstücke in der Stadt sehr weit auseinander. Krause erklärt: „Wer am Wert des eigenen Grundstücks zweifelt, kann ein Gutachten einholen.“ Doch gilt es zwei Hürden zu beachten. Schätzt der Gutachterausschuss den Wert eines einzelnen Grundstücks, kostet das 400 Euro. Dabei wird das Ergebnis nur dann berücksichtigt, wenn er einen Unterschied von 30 Prozent feststellt.
Etwa 100 Überlinger haben diesen Schritt gewagt und einen Antrag gestellt. Einsprüche liegen in vierstelliger Zahl auf den Schreibtischen des Finanzamts. Das geht aus der Sitzungsvorlage hervor. Für den Messbetrag sei nämlich, anders als viele Bürger annehmen würden, nicht die Stadtverwaltung zuständig.
Wer mehr zahlt und wer weniger
Erst wenn das Finanzamt den individuellen Messbetrag festgestellt hat, wird er mit dem für alle Überlinger gültigen Hebesatz multipliziert und durch hundert geteilt. Wie hoch der Hebesatz sein soll, darüber müssen nun die Stadträte entscheiden. Eines steht allerdings schon fest: Der Hebesatz für 2025 wird „massiv reduziert“, wie es in der Sitzungsvorlage heißt und nochmals von Zeitler in der Sitzung bekräftigt wurde. Der aktuell noch gültige Hebesatz wird aufgehoben. Dass er gesenkt werden muss, geht auch mit dem Vorhaben der Stadt einher, nicht mehr durch Grundsteuer einzunehmen als bisher. Doch heißt das nicht, dass die 5,8 Millionen gleich verteilt bleiben. Denn es steht noch etwas fest: Wer ein Einfamilienhaus in guter Lage besitzt, zahlt künftig mehr. Entlastet werden dafür jene mit Grundstücken in Gewerbegebieten und kleinen Innenstadtwohnungen.
Wann der Hebesatz feststehen soll
Wie viel mehr oder weniger künftig gezahlt wird, steht allerdings noch aus. Es erweist sich als kompliziert, einen geeigneten Hebesatz zu berechnen. Das hat zweierlei Gründe. Erstens haben die Böden in den Überlinger Teilorten einen unterschiedlichen Wert. Der Hebesatz gilt aber für das gesamte Stadtgebiet. Die Stadt kann also nicht über den Hebesatz umverteilen. Zeitler unterstrich dies auch auf Nachfrage der Stadträtin Kirsten Stüble (SPD).
Und zweitens: Es liegen schlicht nicht alle relevanten Daten zu anderen Steuerkategorien vor. Bis Oktober soll sich das ändern, so Krause. Im November soll der Gemeinderat den neuen Hebesatz verabschieden. Für die Verzögerung verantwortlich sei auch das Land Baden-Württemberg, wie es in der Sitzungsvorlage heißt. Dieses habe „die Finanzämter für diesen aufwändigen Prozess nur bedingt mit Personal ausgestattet“.
Transparenzregister sorgt für Ärger
Da ist der Ärger beim Bürgermeister und einigen Stadträten umso größer auf das vom Land vorgesehene Transparenzregister. Die Idee dahinter ist, dass Bürger einsehen können, wie hoch der Hebesatz einer Kommune sein müsste, damit sie aufkommensneutral bleibt. Das heißt, dass sie in den Jahren 2024 und 2025 den gleichen Betrag einnimmt. Das Register soll verhindern, dass Gemeinden unbemerkt mehr Steuern einnehmen. Die Einführung des Registers unterstelle, wie auch Kämmerer Krause sagte, die Kommunen seien intransparent. Dabei sei „genau das Gegenteil“ der Fall, kalkuliere das Land doch mit veralteten Zahlen. Auch der Städte- und Gemeindetag kritisieren das Register.
Einen ähnlichen Vortrag hielt Krause zwei Tage darauf auch in der Gemeinderatssitzung. Dort sagte Zeitler: „Es wird eine Verschiebung innerhalb des Gefüges geben. Das ist das Ziel dieser Reform.“ Und Günter Hornstein (CDU) appellierte an profitierende Eigentümer, die Steuersenkung an ihre Mieter weiterzugeben.