Der erste Ärger um die Grundsteuerreform ist verflogen, der große Knall aber kommt erst noch. Während in den letzten Monaten der Papierkrieg um die Feststellungserklärung Mühe machte, steht jetzt die ungewisse Frage im Raum, ob man künftig erheblich höhere Grundsteuern zahlen muss? Oder vielleicht sogar weniger?
Der pensionierte frühere Leiter des Finanzamts Überlingen, Klaus Seifarth, fragt so: „Was kommt bei dem ganzen Theater hinten raus? Muss ich mit einer exorbitanten Erhöhung der Grundsteuer rechnen, oder wie ist der Plan der Kommunen?“
Erste Einschätzung: Wird‘s für mich künftig teurer?
Die neue Steuer wird ab 2025 fällig. Jeder Häuslebesitzer kann für sich aber jetzt schon abschätzen, ob er eher zu den Gewinnern oder zu den Verlierern zählen wird. Gerade in den Gemeinden am Bodensee, so der Hinweis von Klaus Seifarth, werde es zu enormen Verschiebungen kommen, was an den großen Preisunterschieden für die Grundstücke liegt. Klaus Seifarth fürchtet: „Es wird sehr schwer werden, hier eine Steuergerechtigkeit herzustellen.“ Schlimmer noch: „Es wird starke Verwerfungen geben.“ Die Besitzer von Einfamilienhäusern zählt er tendenziell eher zu den Verlierern.

Internetseite des Landes verschafft einen Eindruck
Um nun grob abschätzen zu können, ob man selbst zu den Gewinnern oder Verlierern zählt, muss man nur den Bodenrichtwert für das eigene Grundstück kennen und ihn in Beziehung setzen zu anderen Bodenrichtwerten in der eigenen Gemeinde. Wie hoch die Bodenrichtwerte sind, lässt sich auf einer Internetseite des Landesamts für Geoinformation ablesen. Hier geht‘s direkt zu der Seite namens Boris-BW. Zudem kommt man über die Homepage der Stadt Überlingen zu einer Tabelle der hier geltenden Bodenrichtwerte.
Beispielrechnung zeigt krasse Preissprünge
Klaus Seifarth verweist auf ein krasses Beispiel im Bereich Überlingen. In Seeuferlage in Überlingen und im Teilort Nußdorf liegt der Bodenrichtwert bei 2800 Euro pro Quadratmeter, im Ortskern des Überlinger Teilorts Bonndorf dagegen nur bei 150 Euro. Die Differenz liegt beim 18,7-fachen. Der Grundstücksbesitzer am See zahlt pro Quadratmeter künftig also das 18,7-fache von dem, was in Bonndorf fällig wird. Beließe es die Stadt nun bei dem bisherigen Hebesatz von 445 Prozent, so die Rechnung Seifarths, würden für den Eigentümer eines bebauten Grundstücks von 600 Quadratmetern in Seeuferlage eine jährliche Grundsteuer von fast 6900 Euro anfallen, auf den glücklichen Bonndorfer Eigentümer mit gleicher Grundstücksgröße nur 365 Euro.
Beispiele Uhldingen, Markdorf und Friedrichshafen
Die Preissprünge in Uhldingen-Mühlhofen sind weniger groß. Hier liegt der Bodenrichtwert für ein Grundstück hinter der Lärmschutzwand an der B31 bei 300 Euro pro Quadratmeter und direkt am See bei 2100 Euro, also beim 7-fachen. Beispiel Markdorf: Hier beträgt die Differenz nur das 1,7-fache. So liegt der Bodenrichtwert am Gehrenberg bei 620 Euro und in der Eisenbahnstraße bei 360 Euro. Beispiel Friedrichshafen: Hier kommt man auf den Faktor zehn: Ein Seegrundstück im Stadtkern liegt bei 3000 Euro, am Krehenberg in Ettenkirch beträgt der Bodenrichtwert dagegen nur 300 Euro.
Wer den Bodenrichtwert bestimmt
Die Gutachterausschüsse in den Gemeinden ermitteln den Bodenrichtwert. Er wird abgeleitet aus den Kaufpreisen früherer Grundstücksverkäufe und aus lokalen Besonderheiten wie Seesicht, Innenstadtlage, Anbindung an Infrastruktur.
Was plant Überlingen?
Reform kein Anlass für Steuererhöhungen
Die Gemeinden sind vom Land Baden-Württemberg dazu aufgerufen, die Steuerreform nicht für höhere Steuereinnahmen zu nutzen. Daran, so die Ankündigung von Überlingens Kämmerer Stefan Krause, werde man sich halten. Es sei eine Aufkommensneutralität angestrebt, die Reform werde nicht für eine Steuererhöhung genutzt. In Anbetracht massiver Investitionen und einer unklaren wirtschaftlichen Situation könne man aber zu keinem Zeitpunkt bindend eine Steuererhöhung ausschließen. Momentan nimmt die Stadt jährlich etwa 5,6 Millionen Euro über die Grundsteuer B ein.
Welchen Zeitplan verfolgt die Stadt?
Nach welchem Zeitplan möchte die Kämmerei die Grundsteuerreform auf kommunaler Ebene umsetzen? Dazu Kämmerer Krause: „Zunächst einmal müssen wir abwarten, bis uns die Messbeträge aus den Messbescheiden des Finanzamts für die auf unserem Stadtgebiet liegenden Grundstücke bekannt sind. Diese Datenbasis wird uns voraussichtlich im Laufe des Jahres 2024 vollständig vorliegen. Erst dann können wir Berechnungen bezüglich des neuen Hebesatzes anstellen.“ Mit ihm hat die Stadt ein Steuerungsinstrument, um die angestrebte Aufkommensneutralität zu erzielen.
Wie beurteilt der Kämmerer die Reform?
Stefan Krause teilte auf Anfrage mit: „Ab 2025 wird es Belastungsverschiebungen zwischen Grundstücken, Grundstücksarten und Lagen geben. Das heißt: Es wird Grundstücke geben, für die ab dem Jahr 2025 mehr Grundsteuer als bisher zu bezahlen ist, und Grundstücke, für die weniger als bisher zu bezahlen ist. Dies ist nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2018 die zwangsläufige Folge der Reform.“