Die aktuellen Diskussionen und Demonstrationen gegen Diskriminierung machen ihm Mut. Der 23-jährige Jamal berichtet öffentlich von einem Vorfall, der ihn selbst betrifft, der schon über ein Jahr zurück liegt, den er bislang aber für sich behielt, aus Angst vor möglichen Reaktionen in der Öffentlichkeit.

Diskriminiert wegen seiner Hautfarbe: Warum Jamal jetzt an die Öffentlichkeit geht Video: Stefan Hilser,

Jamal saß im Foyer der Sparkasse. Er spielte mit seinem Handy, nachdem er zuvor seine Kontoauszüge aus dem Automaten holte. Er wollte sich nur die Zeit bis zum Arbeitsbeginn in seinem Ausbildungsbetrieb vertreiben, als ein Sparkassen-Mitarbeiter ihn aufforderte, das Gebäude zu verlassen. „Ich habe das erst gar nicht für voll genommen“, erzählt der 23-Jährige. Nach wenigen Augenblicken kam der Sparkassen-Mitarbeiter zurück, und begründete, laut Jamal in barschem Ton: Mehrere Personen würden sich aus Angst vor dem 23-jährigen nicht getrauen, den Schalterbereich des Bankgebäues zu betreten. Er solle ihn verlassen.

Jamal ist Kunde der Sparkasse Überlingen. Im Frühjahr 2019 wurde er von einem Mitarbeiter des Geldinstitutes aus dem Foyer geworfen, ...
Jamal ist Kunde der Sparkasse Überlingen. Im Frühjahr 2019 wurde er von einem Mitarbeiter des Geldinstitutes aus dem Foyer geworfen, weil andere Menschen aufgrund seiner Hautfarbe Angst hätten, das Gebäude zu betreten. Die Sparkasse hat sich dafür entschuldigt und sagt: „Diskriminierung ist für uns ein absolutes No-Go“. | Bild: Hilser, Stefan

Jamal verließ unter Protest die Hauptstelle des Geldinstituts in der Überlinger Münsterstraße. „Wenn mir jetzt einer sagt, das könnte jedem passieren, dann ist das kompletter Blödsinn. Ich bin nicht weiß, und das ist der Grund dafür, und nichts anderes“, sagt Jamal zu der von ihm berichteten rassistischen Diskriminierung. Er werde immer wieder in die gleiche Schublade gesteckt, sagt Jamal. „Wie schlimm das eigentlich war, habe ich so richtig gemerkt, als ich den Vorfall Freunden und meiner Chefin erzählt habe.“ Erst durch die aktuellen Aktionen der Black-Lives-Matter-Bewegung, nach dem Tod George Floyds durch Polizeigewalt in Minneapolis, USA, fand er den Mut, mit seiner Geschichte an die Öffentlichkeit zu treten, er fühle sich geradezu dazu verpflichtet.

„In jedem anderen Land der Welt sind wir Fremde, wir haben Kunden mit rund 300 verschiedenen Nationalitäten.“Wolfgang Aich, ...
„In jedem anderen Land der Welt sind wir Fremde, wir haben Kunden mit rund 300 verschiedenen Nationalitäten.“Wolfgang Aich, Pressesprecher der Sparkasse Bodensee | Bild: Edmund Möhrle

Jamal ist sein Künstlername, seinen vollen Namen möchte er hier nicht veröffentlicht haben, denn dann komme es eventuell erneut zu Diskriminierungen auch gegen seine Familie, vermutet er. Jamal ist in Deutschland geboren. „Mein Vater ist Afrikaner, meine Mutter eine Frau von hier.“

Der Vorfall in der Sparkasse aus dem Frühjahr 2019 ist Wolfgang Aich noch so präsent, als habe er sich gerade eben erst ereignet. „Da gibt es bei uns absolut null Toleranz, denn rassistische Diskriminierung ist durch nichts zu entschuldigen“, erklärt der Pressesprecher der Sparkasse Bodensee. Entschuldigt hat man sich unmittelbar nach dem Vorfall, und zwar durch einen Brief an Jamal, unterschrieben vom Vorsitzenden des Vorstandes, Lothar Mayer.

„Harte“ Konsequenzen für Sparkassen-Mitarbeiter

Jamal akzeptiert die Entschuldigung der Sparkasse, sie sei für ihn jedoch gar nicht in erster Linie schuldig gewesen, sondern das gehe auf das Konto des besagten Mitarbeiters, der habe ihn allerdings nicht um Verzeihung gebeten, so Jamal. Pressesprecher Wolfgang Aich betonte: „Wir sind hart gegen unseren Mitarbeiter vorgegangen, sein Verhalten hatte Konsequenzen, das können Sie mir glauben.“ Die Sparkasse wisse, dass dieser Fall durch das Entschuldigungsschreiben an die Öffentlichkeit gelangen könnte, habe aber nichts dagegen, sagt Aich. „Wir vertuschen so etwas nicht, sondern gehen dagegen strikt vor, das ist unser Weg.“ In den 16 Jahren seiner Tätigkeit bei der Sparkasse sei ihm kein vergleichbarer Fall bekannt geworden.

„Ein persönliches Gespräch mit Jamal wäre uns sehr wichtig, ich bin mir sicher, dies würde einiges erklären.“Oliver ...
„Ein persönliches Gespräch mit Jamal wäre uns sehr wichtig, ich bin mir sicher, dies würde einiges erklären.“Oliver Weißflog, Sprecher des Polizeipräsidiums | Bild: Polizeipräsidium

Kein Einzelfall sind hingegen die zahlreichen Personenkontrollen durch die Polizei, denen sich Jamal oft hilflos ausgeliefert fühlt, wie er berichtet. Er schätze die Zahl der bisherigen Kontrollen, in denen er sich ausweisen und den Polizisten seine Tasche zeigen musste, auf ungefähr 30 Mal. „Meist stehe ich dann am ZOB, (Zentraler Omnibusbahnhof Überlingen), und warte auf den Bus. Oft sind viele junge Menschen um mich herum, ich bin immer der Einzige, der kontrolliert wird. Alle denken dann, ich habe was verbrochen“, so Jamal.

Jamal: „Meine Hautfarbe ist mein Laster in diesem Land“

Eine dieser Personenkontrollen fand sogar direkt vor seinem Ausbildungsbetrieb, einem Einzelhandelsgeschäft in der Überlinger Altstadt statt. „Da stand ich mit einer anderen Mitarbeiterin draußen und habe eine Zigarette geraucht“, erinnert Jamal. „Das ist für mich rassistische Diskriminierung. Wie ich mich dann fühle? Meine Hautfarbe ist mein Laster in diesem Land, so fühle ich mich dann, ich kriege ja auch nie eine Begründung von der Polizei.“ Jamal ist wütend.

Schwierige Lage derzeit für die Polizei

Die Polizei reagiert scharf auf die Vorwürfe Jamals von willkürlicher rassistischer Diskriminierungen durch wiederholte Personenkontrollen. Oliver Weißflog, der stellvertretende Leiter der Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit im Polizeipräsidium Ravensburg, sieht keinen Anlass, an Polizeikontrollen etwas zu korrigieren. Die Polizei weist generell den Vorwurf eines rassistisch motivierten Kontrollverhaltens zurück.

Polizei: Vorwürfe ohne objektive Belege

Weiter teilte der Polizeisprecher mit: „Es ist für Polizeibeamte gerade in der aktuellen Zeit nahezu unmöglich, die Kontrolle oder gar die Festnahme beispielsweise eines Farbigen – und möge sie aus einem konkreten Anlass heraus auch noch so gerechtfertigt sein – nicht sofort im Lichte einer rassistischen Vorgehensweise erscheinen zu lassen. Umgekehrt ist es für Menschen anderer Nationalität, anderer Hautfarbe oder sonstiger auffälliger Merkmale aktuell sehr einfach, eine polizeiliche Kontrolle unter den Vorwurf des Rassismus zu stellen, oftmals auch als bloße Behauptung in den Raum hinein ohne objektive Belege.“ Die Polizei kontrolliere an Kriminalitätsschwerpunkten aufgrund der gesetzlichen Grundlagen, jedoch nicht anhand von äußerlichen Merkmalen, sondern anhand objektiv nachvollziehbarer Kriterien. Gerade vor Ort sei das Polizeirevier Überlingen als bürgernahe und rechtstreu handelnde Dienststelle bekannt, so der Polizeisprecher, der Jamal ein Treffen anbot, um im direkten Gespräch Verständnis füreinaner zu finden.

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