In Amadou Kouatés Heimat Afrika ist das Trommeln traditionell Männersache. In seinen Trommelgruppen rund um den Bodensee spielen fast ausschließlich Frauen. Woran liegt das? Auf diese Frage antwortet Edith Schmidt, seit zehn Jahren dem afrikanischen Djembe-Trommeln verfallen: „Man munkelt hinter vorgehaltener Hand, hier lassen sich die Männer nicht so gern was sagen.“ Beide lachen.

Edith Schmidt lässt beim Trommeln alle Gedanken nach einem stressigen Tag los

Motivation für Edith Schmidt ist es, nach einem stressigen Tag durch die Konzentration auf das Trommeln alle Gedanken loszulassen. „Meine Unmusikalität – man hat mir als Kind im Musikunterricht förmlich die Triangel aus der Hand genommen – hat sich in Luft aufgelöst!“, sagt die begeisterte Trommlerin. Eine Frau aus der Gruppe ergänzt: „Diese Power durch das Trommeln beflügelt mich in meiner Arbeit.“ Eine weitere meint: „Das Trommeln bei Amadou hat mir durch die schwerste Zeit meines Lebens geholfen.“ Alle drei Frauen besuchen Amadou Kouatés Trommelkurs, der in Überlingen seit 27 Jahren einmal wöchentlich stattfindet, aktuell in der Wiestorschule.

„Wir sind das kulturelle Gedächtnis unseres Volkes, es wird weitergegeben durch das Trommeln, Tanzen oder durch Geschichten erzählen.“
Amadou Kouaté

Amadou Kouaté gehört in seiner senegalesischen Heimat der Kaste der Griot an: „Wir sind das kulturelle Gedächtnis unseres Volkes, es wird weitergegeben durch das Trommeln, Tanzen oder durch Geschichten erzählen.“ Kouaté folgt in dieser Tradition seinem Vater Doudou Diarra, der in der Region um die Stadt M'Bour ein berühmter Griot gewesen sei, wie sein Sohn sagt.

Edith Schmidt trommelt seit zehn Jahren: „Ich hielt mich lange für unmusikalisch, das hat sich durch mein Trommeln bei Amadou ...
Edith Schmidt trommelt seit zehn Jahren: „Ich hielt mich lange für unmusikalisch, das hat sich durch mein Trommeln bei Amadou Kouaté vollkommen geändert.“ | Bild: Stef Manzini

Seit fast 40 Jahren unterrichtet Kouaté wöchentlich rund 100 Schüler

Seit fast 40 Jahren unterrichtet Amadou wöchentlich rund 100 Schüler in der Schweiz und Deutschland. Auch in Österreich und Italien hat er schon Workshops gegeben. „Das Trommeln ist sehr gut für die Europäer, um abschalten zu können. Hier arbeiten alle viel mit dem Kopf und beim Trommeln geschieht etwas mit dem Körper. Rhythmus, das ist Puls und Herz. Musik ist international, jeder kann trommeln“, sagt Kouaté.

Eine Musikgruppe aus Berlin bat ihn 1983 nach Deutschland

Er war in den 1980er Jahren nach Berlin gekommen. 1983 war eine Musikgruppe aus Berlin in einem Clubhotel im Senegal abgestiegen. Die Musiker waren vom Trommelspiel Kouatés so begeistert, dass sie ihn baten, nach Berlin zu kommen. 1985 gründete er dort mit seinen Brüdern die noch heute existierende Band „SAF-SAP“, was so viel bedeutet wie „Griots mit heißem Blut“. Die Band repräsentierte die afrikanische Kultur bei der 750-Jahr-Feier der Bundeshauptstadt. Anfang der 1990er Jahre startete Kouaté mit Trommelunterricht und Workshops in Süddeutschland und lebt seitdem in der Schweiz und in Konstanz.

Das könnte Sie auch interessieren

Neuer Verein will Patenschaften für Kinder im Senegal vermitteln

Sein großes Anliegen ist es, in seiner Heimat Hilfe zu leisten. „Bei mir zuhause sind die Menschen arm, es gibt viele Kinder, die hungrig sind, kein sauberes Wasser haben und keinerlei Möglichkeiten, sich zu bilden. Es ist nicht einfach, in die Augen eines hungernden Kindes zu sehen.“ Sein neues Projekt ist der Verein „Kerouk Ndimmal“, was so viel heißt wie „Haus der Hilfe“. Die Corona-Pandemie verzögerte die Vereinsgründung. Mitglieder können Patenschaften für ein Kind übernehmen, um diesem warme Mahlzeiten und Schulbildung zu ermöglichen.

In seiner Heimat ist Amadou Kouaté für sein soziales Engagement bekannt

Obwohl Amadou Kouaté fast die Hälfte seines Lebens in Deutschland verbrachte, fühlt er sich ganz als Afrikaner. Edith Schmidt erzählt, dass das soziale Engagement Kouatés weit über die Stadtgrenzen M‘Bours hinaus bekannt sei. Die Mittsechzigerin reist seit vielen Jahren nach M'Bour. Frage man dort nach Amadou, dem Griot, wisse fast jeder, wo er zu finden sei. Zu ihm kämen auch Menschen, die er nicht kennt, und bitten ihn beispielsweise, Kosten für den Arzt oder ein Rezept zu übernehmen. „Amadou hilft“, weiß Edith Schmidt.

„Wir reisen gemeinsam nach Afrika, dann ist da kein Platz für Rassismus mehr“

AmadouKouaté spricht über die aktuelle Debatte um rassistische Diskriminierung gegen Menschen nicht weißer Hautfarbe.

Sie haben in über 40 Jahren im deutschsprachigen Raum selbst noch nie eine rassistische Diskriminierung erlebt. Was machen Sie anders als viele andere Menschen schwarzer Hautfarbe, die häufig damit konfrontiert sind?

Ich gehe seit 1983 nie an Orte, an denen sich Rassisten oder Europäer aufhalten, die nichts mit Ausländern zu tun haben wollen. Ich gehe auch nicht ins Kino, in ein Fußballstadion oder in ein Restaurant. Überall, wo ich hingehe, läuft afrikanische Musik oder Reggae-Musik. Und alle Menschen, die diese Musik hören, sind keine Rassisten, sondern Leute, die afrikanische Menschen mögen.

Halten Sie die aktuelle Kraft der „Black Lives Matter“-Bewegung, ausgehend von den USA, für so stark, dass sich auch hier in Deutschland etwas Gravierendes verändern wird?

Ja, das glaube ich – weil dieser Kampf mittlerweile international ist. Dies ist notwendig, damit die Weißen in Amerika und Europa oder wo auch immer mehr Achtung und mehr Wertschätzung den Afrikanern, den Südamerikanern, aber auch den Schwarzen in den Vereinigten Staaten entgegenbringen.

Ein junger farbiger Mann aus Überlingen erzählte mir, dass er beispielsweise am Busbahnhof immer von der Polizei quasi als Einziger kontrolliert werde. Warum ist das auch in der Kleinstadt so?

Ich denke, das ist nicht schlimm; wir sind nicht von hier und man sieht sofort, dass wir Ausländer sind. Es gibt viele Ausländer, die keine gültigen Aufenthaltspapiere haben und auch Amerikaner oder Afrikaner, die im Drogengeschäft tätig sind oder in der Prostitution. Viele Afrikaner wollen nicht arbeiten wie die Europäer, wollen aber alles haben und an das „leichte Geld“ in Europa kommen.

Sprechen Sie über Themen wie Diskriminierung auch mit Schülern und Freunden? Haben Sie das Gefühl, durch Ihre Arbeit zum Abbau von Diskriminierung beizutragen? Was kann Musik zum Miteinander beitragen?

Natürlich mache ich das. Über meine Musik habe ich in den 40 Jahren in Europa mit vielen meiner Schüler Freundschaft geschlossen. Wir reden zusammen über meine Kultur, wir haben eine gute Zeit zusammen und lachen viel. Wir kochen auch afrikanische Mahlzeiten und wir essen alle, wie in Afrika üblich, zusammen aus einer großen Schüssel. Wir reisen gemeinsam nach Afrika und am Ende lieben diese Europäer Afrika und die Afrikaner – und dann ist da kein Platz für Rassismus mehr.