Überlingen Das Schwein macht den Anfang. Es liegt direkt am Eingang zur Ausstellung rücklings auf einem Tablett. Der rosa Stoffkörper erinnert an Kuscheltiere, wären da nicht die aufgemalten Zahlen mit denen Metzger die Fleischpartien markieren. Das weckt ambivalente Gefühle, macht nachdenklich und ist damit ein ideales Beispiel, was Kunst auslöst. Das Schwein von Elisabeth Hölzl ist ein Exponat der Jubiläumsausstellung des Internationalen Bodensee-Clubs (IBC) in der Städtischen Galerie Fauler Pelz. Vor 75 Jahren gründeten Kunstschaffende in Überlingen die Vereinigung, die bis heute das große Potenzial an Kreativen in der Region verdeutlicht. „Über den See – 75 Jahre IBC“ ist die Präsentation überschrieben. Sie wird nicht nur besonders lange zu sehen sein, sondern bietet auch eine bemerkenswerte Qualität und Vielfalt, wozu auch die Werke von Künstlern aus Österreich und der Schweiz beitragen.
Rückblick auf die Anfänge
Das erste Grußwort bei der Vernissage, zu der 402 Besucher gekommen sind, spricht Bürgermeister Thomas Kölschbach. Er lobt Bette Bayer, Vorsitzende der Fachgruppe Kunst, und Wolfgang Braungardt, Präsident des IBC: „Sie haben dem Verein neue Impulse verliehen.“ Anschließend erinnert Kölschbach an die Anfänge des Clubs. Dazu gehörten auch Auseinandersetzungen mit der lokalen Politik, die nicht immer begeistert war von den Ideen der Kreativen. Denen fehlten vor allem Räume. Das Museum hätten die Verantwortlichen damals als nicht geeignet für moderne Kunst erklärt, so Kölschbach. Der Club machte dann mithilfe der Presse Druck und durfte 1952 erstmals den Faulen Pelz bespielen. Seit 1954 finden hier regelmäßig Ausstellungen statt.
Zum IBC gehören neben bildenden Künstlern und Literaturschaffenden auch Musiker. Das Genre vertreten an diesem Abend Dorle Ferber mit Stimme und Violine sowie Saxofonist Bernd Konrad aus Konstanz. Ihre Improvisationen geben der Vernissage eine besondere akustische Ebene, oft überraschend, bisweilen herausfordernd. Mit dem Lied der beiden Königskinder, die ein See trennt, spielen sie auf die nicht immer leichte Zusammenarbeit der Sektionen des Clubs an, die mit der Ausstellung wieder neu belebt wird.
„Den IBC am See und um den See herum zu feiern ist wichtig, denn es ist eine schwierige Aufgabe, einen Verein, der vor allem von ehrenamtlicher Arbeit lebt, aufrechtzuerhalten“, betont Bette Bayer in ihrer Rede. Sie bedankt sich bei der Stadt und dem Kulturamt für die finanzielle und personelle Unterstützung, „das ist auch ein Zeichen von Wertschätzung“. Einen weiteren Dank richtet sie an die Künstler aus Österreich und der Schweiz, die „sich auf die Ausstellung eingelassen haben“ und ihre Werke für fast ein Jahr zur Verfügung stellen. Ein besonderes Lob richtet Bayer an die Kuratorin Juliane Lachenmann: „Sie ist mit Sachverstand und Herz dabei“.
Werke aus drei Ländern
Die Kunsthistorikerin Juliane Lachenmann ist als Galeristin in Konstanz tätig. Ihr fiel die Aufgabe zu, in relativ kurzer Zeit, Künstler und Werke aus drei Ländern zur Bewerbung aufzufordern und anschließend eine Auswahl zu treffen. „Die Ausstellung spiegelt die Diversität und Komplexität der Kunstschaffenden am Bodensee wider“, erläutert sie den Zuhörern. Die 87 Künstler stünden symbolisch für Offenheit, Weitblick und tiefes Vertrauen in das Schaffen der Kunst. Juliane Lachenmann bezeichnet den IBC als bedeutenden Ort des Dialogs. „Der See trennt nicht, er ist der gemeinsame Lebensraum, der IBC bildet die Brücke“. In einer Zeit der Umbrüche nehme die Kunst die Rolle ein, zum Innehalten aufzufordern, Fragen zu stellen – auf vielfältige Weise, laut oder leise, abstrakt oder spielerisch, so Lachenmann weiter. Ihr Ziel sei es, einen vielschichtigen Spannungsbogen der Kunst zu zeigen. „Jede künstlerische Position ist ein Geschenk an das Jubiläumsjahr“, schließt sie ihren Vortrag.
Im anschließenden Gespräch räumt Juliane Lachenmann auf die Frage, welche Herausforderung der Faule Pelz an sie als Kuratorin stellt, ein: „Der Raum ist besonders, aber nicht einfach.“ Vor allem die zum Teil roten Wände sorgen bei der Kunstpräsentation immer wieder für Kopfzerbrechen. Den Besuchern wird das nicht auffallen, weil stimmige Lösungen gefunden wurden. Auf der langen Wand im hinteren Raum hängen Arbeiten von 35 Kreativen des Kunsthauses Vorarlberg. Sie konnten kleine Boxen individuell gestalten, was im Ergebnis eine besondere und dichte Vielfalt an Darstellungen hervorgebracht hat.
Diese Vielfalt setzt sich in der gesamten Ausstellung fort. Einige Beispiele: Die junge Künstlerin Michaela Kessler präsentiert beeindruckende Kugelschreiber-Zeichnungen und Gabriele Einstein transportiert mit ihrem abstraktem „Lichtspiel“ eine besondere Stimmung. Die Farbradierung von Peter Kapitza ist ästhetisch und technisch eine Klasse für sich. Das Porträt eines älteren Mannes von Lisa Sicken fordert zur „Gegenüberstellung“ auf.
Dazu erweitern Skulpturen und Installationen die Präsentation um die dritte Dimension. Michael Kussels kinetisches Werk setzt sich im Inneren per Knopfdruck in Bewegung, Hannelore Buchers Knospe aus Marmor strahlt ruhige Eleganz aus, während Eli Brüning „alte Zöpfe“ aus Zeitungspapier abschneidet. Die Liste ließe sich um viele Werke aus dieser ausgesprochen sehenswerten Ausstellung fortsetzen. Zu seinem 75. Geburtstag demonstriert der IBC wie frisch und facettenreich die Kunst vom Bodensee ist.
Die Ausstellung
Die Ausstellung „Über den See – 75¦Jahre IBC“ mit Werken von 87 Künstlern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz in der Städtischen Galerie Fauler Pelz, Seepromenade 2, ist noch bis Anfang Februar 2026 zu sehen. Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag 14¦bis 17 Uhr, Samstag, Sonntag und an Feiertagen von 12 bis 17 Uhr. Eintritt 2,50 Euro. Ein Rahmenprogramm mit Musik, Performances, Vorträgen sowie Künstlervorstellung ist in Vorbereitung. Weitere Informationen gibt es im Internet:www.ibc-ueberlingen.de