„Der Bedarf an Fachkräften im Gesundheitswesen spitzt sich immer weiter zu“, sagt Rahel Kopietz. Sie hat bei den Helios Kliniken Rottweil und Überlingen die Clusterleitung Integration inne. Ihre Aufgabe ist es, Pflegepersonal aus dem Ausland zu gewinnen und für ihre Eingliederung zu sorgen.
Heute ist Kopietz nach Überlingen zu einem Netzwerktreffen gekommen, an dem auch sieben Frauen und Männer aus Mexiko teilnehmen, die seit September hier im Krankenhaus arbeiten. Davor haben sie ein Jahr lang als Stipendiaten von Helios in ihrem Heimatland einen Online-Deutschkurs absolviert. Ausgebildete Fachkräfte sind sie auch, die meisten haben sogar ein Studium absolviert, da die Pflegeausbildung in Mexiko, wie in vielen anderen Ländern, akademisch ist.
In Deutschland sind sie noch Anerkennungspraktikanten, bis sie Ende 2025 die Prüfung zur Pflegefachkraft absolvieren und das B2-Sprachlevel erreichen.
Bewerbungsgespräche in Guadalajara
Rahel Kopietz schildert, wie die jungen Fachkräfte und der deutsche Arbeitgeber zusammengekommen sind. „Man braucht eineinhalb bis zwei Jahre Vorlaufzeit“, so die Clusterleiterin. Unterstützung hätte die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der Agentur für Arbeit geleistet, die mit den Anforderungsprofilen der zu besetzenden Stellen Kontakte herstellte. Rahel Kopietz und die Pflegedienstleiterin aus Überlingen sind dann nach Guadalajara gefahren, das liegt rund 550 Kilometer nordwestlich der Hauptstadt Mexiko Stadt, und haben bei einer Art Jobmesse Bewerbungsgespräche geführt. Sieben Kandidaten kamen infrage und haben den Schritt gewagt.
Warum junge Leute ihre Heimat verlassen
Einer von ihnen ist Eduardo Hernández. „Ich wollte in einem anderen Land arbeiten“, begründet er seine Entscheidung. Ein Kollege, der nach Frankfurt gegangen war, hatte ihm zu dem Schritt geraten und von den Arbeitsmöglichkeiten in Deutschland erzählt. „In Mexiko gibt es viele junge Leute“, fügt Eduardo an und berichtet, dass er in einem Militärhospital „zum Teil sehr viel“ gearbeitet habe.
Wie viele seiner Kollegen hatte auch der 28-Jährige mehrere Jobs, um über die Runden zu kommen. Sein Vater habe ihm geraten, nach Deutschland zu gehen, damit er unabhängig werden könne. Ähnlich lief es bei Claudia Martinez. Eine ehemalige Kollegin empfahl ihr, nach Deutschland zu gehen. Die Eltern der 29-Jährigen rieten ihr ebenfalls dazu. Viviana musste in ihrem Heimatland auch mehrere Jobs absolvieren, und als Freunde ihr berichteten, dass die Menschen in Deutschland freundlich seien, wagte sie den Schritt.

Schwierige Wohnungssuche
Die drei kamen im September in der Bodenseeregion an und wohnen in Zweier-WGs. Die Wohnungen hat der Arbeitgeber gesucht und möbliert. „Es ist schwierig, Wohnungen zu finden, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln in erreichbarer Entfernung sind“, sagt Manuela Plaul. Die Kinderkrankenschwester kümmert sich im Helios Überlingen um die Integration der ausländischen Kräfte.
Da in Überlingen nichts zu finden war, mussten sie auf Nachbargemeinden ausweichen. Viviana und Claudia brauchen eine Stunde mit Bus und Zug, um aus Stockach zur Arbeit zu kommen. Eduardo schafft es aus Uhldingen-Mühlhofen schneller. Bei der Bewältigung der administrativen Anforderungen im neuen Land helfen den jungen Mexikanern ehrenamtlich Kolleginnen und Kollegen, zum Beispiel, um ein Konto einzurichten, Behördengänge zu erledigen oder Formulare auszufüllen.
Von salzigem Essen und Kohlensäure
Nach fast drei Monaten in Deutschland finden sich die Drei schon gut zurecht. Viviana schätzt vor allem die bessere Sicherheitslage in Deutschland, wo sie allein abends auf die Straße gehen könne. Auf die größten Unterschiede zwischen Mexiko und Deutschland angesprochen, kommt man schnell zum Thema Essen. „Es ist so salzig“, meint Claudia und ihre Kollegen nicken heftig. Mineralwasser mit Kohlensäure war ihnen ebenso fremd, wie der Umstand, dass sonntags alle Supermärkte geschlossen haben. Komplett neu sei für sie die Mülltrennung gewesen, sagt Viviana. Alleine das Wort geht ihr schwer über die Lippen. Wie viele Neubürger mussten auch sie das Sortieren des Abfalls erst lernen.

Reisen steht oben auf der Wunschliste
Nach ihren Zielen und Wünschen fürs kommende Jahr gefragt, steht bei allen Dreien das Reisen ganz oben auf der Liste. Claudia würde gerne einmal nach Japan reisen, Eduardo möchte Paris und London sehen sowie nach Italien reisen. Dazu wollen sie ihre Deutschkenntnisse verbessern und „Freunde finden“, hebt Viviana hervor.
Auf die Frage, wie es ist, zum ersten Mal Weihnachten im Ausland zu verbringen, zuckt Viviana mit den Schultern: „Zuhause müssen wir auch an Weihnachten arbeiten.“