Die Natur erwacht, die Tage werden länger und die ersten warmen Sonnenstrahlen kitzeln die Haut – eigentlich Grund genug, voller Energie durchzustarten. Doch stattdessen fühlen sich viele Menschen müde und antriebslos. Grit Wildemann, Wundmanagerin und Ernährungsberaterin im Überlinger Helios-Spital, erklärt das Phänomen – und gibt Tipps, was dagegen hilft.

Was genau ist Frühjahrsmüdigkeit?

Der Grund für das Phänomen liegt tief in unserem Körper: „Jeder Mensch erlebt eine hormonelle Umstellung im Frühling“, erklärt Wildemann. Frühjahrsmüdigkeit sei ein natürlicher Prozess, ausgelöst durch die wechselnden Temperaturen und Lichtverhältnisse. Häufige Symptome seien Müdigkeit, Erschöpfung, Kreislaufprobleme, Kopfschmerzen oder Gereiztheit.

Laut Wildemann sind etwa 30 bis 60 Prozent der Menschen betroffen – Frauen häufiger als Männer. Der Wechsel der Jahreszeiten bringt den Hormonhaushalt durcheinander. Während im Winter das Schlafhormon Melatonin dominiert, steigt mit der zunehmenden Helligkeit die Produktion von Serotonin – dem sogenannten Glückshormon. Doch dieser Übergang passiert nicht reibungslos.

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Besonders herausfordernd für den menschlichen Körper sind laut Wildemann die unsteten Temperaturen im Frühling: „Der Hormonspiegel ist nicht ausgewogen, da es keine gleichbleibende Wetterlage gibt“, erklärt sie. Morgens noch frostig, mittags angenehm warm, abends wieder kühl – für den Kreislauf bedeutet das Stress. Wer körperlich fit ist, stecke die Umstellung besser weg als andere.

Was sind Frühlingsgefühle?

Während einige sich müde und schlapp fühlen, erleben andere genau das Gegenteil: einen Energieschub. Die berühmten „Frühlingsgefühle“ haben biologische und psychologische Ursachen. „Wenn die Tage länger werden und die Temperatur steigt, wird Serotonin gebildet – das sogenannte Glückshormon“, erklärt Wildemann. Das hebt die Stimmung, steigert die Motivation und sorgt für Lebensfreude.

Doch auch unser Verhalten spielt eine Rolle: „Man ist mehr draußen, man sieht sich mehr, sieht mehr lächelnde Gesichter“, beschreibt Wildemann den Effekt. Nach den dunklen Wintermonaten zieht es viele wieder nach draußen – sei es zum Spazieren, Sport oder Treffen mit Freunden. Diese Aktivitäten verstärken das Gefühl von Lebenskraft zusätzlich.

Was hilft gegen Frühjahrsmüdigkeit?

Wer der Frühjahrsmüdigkeit entkommen will, kann mit kleinen Anpassungen im Alltag viel bewirken. Wildemann rät dazu, möglichst viel Tageslicht zu tanken, sich gesund zu ernähren und den Kreislauf in Schwung zu bringen. Über die richtige Ernährung könne man sehr viel steuern, fügt die Expertin an. Grünes Gemüse, Kräuter, Nüsse und Samen, Fisch, Beeren – ganz nach dem Motto: „Eat the rainbow“ – je bunter, desto besser.

„Eat the rainbow“ – je bunter, desto besser – ist das Motto für die Ernährung. Besonders im Frühling, sagt Grit Wildemann.
„Eat the rainbow“ – je bunter, desto besser – ist das Motto für die Ernährung. Besonders im Frühling, sagt Grit Wildemann. | Bild: Rasmus Peters

Besonders grünes Gemüse wie Spinat oder Grünkohl enthalte viel Eisen, das den Sauerstofftransport im Blut unterstützt, erklärt Wildemann. Kombiniert mit Vitamin-C-haltigen Lebensmitteln wie Zitrusfrüchten kann der Körper das Eisen besser aufnehmen. Auch Nüsse und Samen sind wertvolle Energielieferanten, reich an Omega-3-Fettsäuren und Magnesium. „Jetzt ist die Zeit für leicht Verdauliches, um Leber und Nieren zu entlasten“, rät Wildemann. Schwere, deftige Wintergerichte sollten durch frische, saisonale Lebensmittel ersetzt werden.

Frische Kräuter wie Petersilie und Oregano beleben Körper und Geist und helfen, die Frühjahrsmüdigkeit zu überwinden.
Frische Kräuter wie Petersilie und Oregano beleben Körper und Geist und helfen, die Frühjahrsmüdigkeit zu überwinden. | Bild: Rasmus Peters

Auch die Wahl der Kleidung kann einen Einfluss haben. „Sei bunt, das macht gute Laune“, rät die 63-Jährige. Zudem empfiehlt sie, regelmäßig zu lüften, ätherische Öle wie Rosmarin oder Zitrone zu nutzen und den Kreislauf mit Wasseranwendungen zu aktivieren, etwa durch Wechselduschen oder Kneipp-Güsse. „Und singen unter der Dusche“, ergänzt Wildemann und lacht. „Danach hat man einfach gute Laune.“

Viele Menschen greifen in der Umstellungsphase zu Vitaminpräparaten oder anderen Nahrungsergänzungsmitteln. Doch Wildemann sieht das kritisch: „Ein gesunder Mensch kann alles, was er braucht, über die Ernährung aufnehmen. Eine ausgewogene Ernährung reicht vollkommen aus.“ Lediglich für Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen oder Aufnahmestörungen können Nahrungsergänzungsmittel sinnvoll sein.

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Bewegung bringt den Körper in Schwung

Mindestens genauso wichtig wie die Ernährung ist laut Wildemann die Bewegung: „Ausreichend Bewegung hält den Serotoninspiegel stabil.“ Sport regt die Durchblutung an, versorgt das Gehirn mit mehr Sauerstoff und bringt durch das Tageslicht den Hormonhaushalt ins Gleichgewicht. Wer sich regelmäßig an der frischen Luft bewegt, kann die Frühjahrsmüdigkeit schneller hinter sich lassen, sagt die Expertin.

Am Ende ist die Frühjahrsmüdigkeit ein natürlicher Prozess, der zum Jahreszeitenwechsel dazugehört. „Sie ist keine Krankheit“, betont Wildemann. „Sie geht vorbei – und dann kommt der Sommer.“ Wer dem Körper mit Licht, Bewegung und guter Ernährung etwas auf die Sprünge hilft, der könne den Frühling in vollen Zügen genießen.