Er suchte am Bodensee sein Glück, doch es wurde die schlimmste Zeit seines Lebens. Heimweh, Einsamkeit und Drogensucht plagten ihn, er wurde straffällig und erhielt eine Bewährungsstrafe. Den Tiefpunkt markierte aber wohl der Raubüberfall Anfang Oktober 2022 in Überlingen und seine Flucht in seine Heimat Griechenland.
Einige Monate später sitzt der Mann nun im Saal des Amtsgerichts Konstanz. Der Vorwurf: Raub in Tateinheit mit Körperverletzung und Computerbetrug. Der 45-jährige Angeklagte blickt zurück und ihm steigen Tränen in die Augen: „Ich weiß nicht, was damals mit mir passiert ist. Es war eine sehr schlechte Zeit.“
Drogenprobleme ziehen sich durch sein Leben
Vor Gericht ließ der Angeklagte eine Erklärung zur Tat und dem Hintergrund durch seine Verteidigerin Barbara Jokic verlesen. Außerdem wurde noch ein Bericht des Gerichtshelfers hinzugezogen, der im Vorfeld des Prozesses verfasst worden war. Der Mann sei in einer griechischen Kleinstadt in einem stabilen Elternhaus aufgewachsen. Er habe die Hochschulreife erlangt und an einer Universität Informatik studiert, so der Bericht des Gerichtshelfers. Aus unterschiedlichen Gründen konnte er aber nie Fuß fassen in der Arbeitswelt und habe sich mit Gelegenheitsjobs durchs Leben geschlagen. Ein großer Faktor sei seine Drogensucht gewesen. Seitdem er 19 Jahre alt gewesen sei, habe er Drogen konsumiert. Vor seinem Umzug nach Deutschland sei er aber wieder „clean“ gewesen, so der Bericht.
Am Bodensee sollte alles anders werden: Ein Verwandter habe ihm in Überlingen 2017 einen Job als Koch organisiert, wie Verteidigerin Jokic verlas. In Deutschland sei er aber nicht zurechtgekommen. „Auch seine Ehefrau wollte nicht hierbleiben und kehrte bald in die Heimat zurück.“ Abgesehen von einem kurzen Aufenthalt in Norddeutschland habe der 45-Jährige in Überlingen gelebt und in der Gastronomie oder für Zeitarbeitsfirmen gearbeitet. Bis zum nächtlichen Raubüberfall im Oktober 2022.
Heimweh und Geldnot führen zum Überfall
Zu dem Zeitpunkt habe der 45-Jährige genug von Deutschland gehabt und wollte so schnell wie möglich in die Heimat zurück, so seine Verteidigerin. Aufgrund seines regelmäßigen Drogenkonsums habe er aber kein Geld für die Ausreise gehabt. „Das hat pro Tag mindestens 30 Euro gekostet“, sagte der Angeklagte auf Nachfrage von Richterin Friederike Güttich. Zu dem Zeitpunkt war er wegen voriger Strafdelikte auf Bewährung.
Um seine Ausreise finanzieren zu können, überfiel der Angeklagte in der Nähe vom Münsterplatz nachts einen 80-Jährigen, der gerade von einer Gaststätte auf dem Heimweg war. Er riss den Rentner zu Boden und nahm ihm sein Portemonnaie und die EC-Karte ab. Der Geschädigte hatte in seiner Geldbörse den Pin-Code, so konnte der Angeklagte 2000 Euro von dessen Konto abheben. In den Folgetagen habe er sich dank des Geldes über Friedrichshafen und die Schweiz nach Griechenland abgesetzt, so die verlesene Erklärung. Dort wurde er Ende März 2023 festgenommen, nach Deutschland gebracht und saß in Untersuchungshaft.
Geschädigter: „Seitdem meide ich dunkle Gassen“
Bei dem Raubüberfall erlitt der Geschädigte nach eigener Aussage keine nennenswerten Verletzungen, lediglich eine kleine Schürfwunde an einem Finger. „Er hat es schonend gemacht“, sagte der 81-Jährige Mann aus dem östlichen Bodenseekreis. Bis heute fühle er sich aber unsicher bei Dunkelheit. „Seitdem gehe ich abends und nachts nicht mehr allein nach Hause und meide gewisse dunkle Gassen“, sagte er. Im Anschluss an seine Aussage bat der Angeklagte um Entschuldigung für seine Tat. „Ich war in einer ausweglosen Situation“, sagte er. Der Geschädigte nahm diese an und wünschte ihm vor Verlassen des Gerichtssaals alles Gute.
Angeklagter wird wohl Haft im Heimatland verbüßen
Richterin Friederike Güttich verurteilte den Angeklagten schließlich zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten. Hinzu kommen für den Angeklagten noch 2000 Euro Wertersatz für den Geschädigten und die Kosten des Verfahrens. Die Haftstrafe erklärte Güttich mit den zugegebenen Delikten sowie den Vorstrafen des Angeklagten. Strafmildernd sei aber zu werten gewesen, dass sich der 45-Jährige geständig zeigte, den Geschädigten bei der Tat nicht verletzte und sich vor Gericht bei ihm entschuldigte.
Auf eine Anordnung zu einer Drogentherapie verzichtete die Richterin im Rahmen des Urteils. Laut eigenen Angaben sei der Geschädigte mittlerweile wieder gefestigt genug, um Rauschmitteln zu widerstehen. „Wenn ich nahe bei meiner Familie bin, nehme ich keine Drogen“, sagte er. Auf seinem Wunsch hin soll er die Haftstrafe in seinem Heimatland verbüßen. Der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft verzichteten direkt nach dem Urteil auf die Einlegung von Rechtsmitteln. Damit ist das Urteil rechtskräftig.