Meilenweit liegen die Einordnungen der Stadtverwaltung und des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) zur Umsetzung des Überlinger Radverkehrskonzepts auseinander. Spricht der ADFC-Kreisvorsitzende Bernhard Glatthaar in diesem Zusammenhang vom „Totalversagen der Stadt“, weist Überlingen dies jetzt als „total verfehlt“ zurück.

Im SÜDKURIER am 28. Oktober 2020 erhob der ADFC schwere Vorwürfe gegen die Stadtverwaltung Überlingen, sprach von „einer Grenze der Eskalation“, die jetzt erreicht sei, und machte diesbezüglich hauptsächlich Oberbürgermeister Jan Zeitler verantwortlich. „Das liegt schon am Chef“, sagte Bernhard Glatthaar. Der ADFC-Kreisvorsitzende aus Friedrichshafen begründete seine Aussage unter anderem damit, dass eine erneute Fahrradtour, wie man im Frühjahr 2019 vereinbart hatte, 2020 nicht zustande gekommen war. Bei dieser Fahrt wollte der ADFC die Umsetzungen der vereinbarten Maßnahmen seitens der Stadt überprüfen. Diese Maßnahmen seien absolut notwendig, wollte Überlingen sich von einem der letzten Plätze des alljährlich stattfindenden ADFC-Klimatests absetzen und die Radwege endlich sicherer für Nutzer machen, argumentierte Glatthaar.

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Der SÜDKURIER berichtete am 28. Oktober, dass die Radtour im Mai 2019 durch Initiative des SÜDKURIER zustande gekommen war. Zu einer Wiederholung 2020 kam es nicht, weil Oberbürgermeister Jan Zeitler zu dieser Veranstaltung den SÜDKURIER nicht mehr dabei haben wollte. Daraufhin sagte der ADFC den Termin für eine gemeinsame Radtour mit Vertretern der Stadtverwaltung ab.

Stadt: „Geht dem ADFC wohl nur um Öffentlichkeitswirksamkeit“

Die Verwaltung möchte zu diesem Vorgang nun herausstellen, dass es dem ADFC wohl nur um Öffentlichkeitswirksamkeit bei der Aktion gehe, was man sehr bedauere. Weiter begründet die Stadt in ihrer Presseerklärung, sie habe die Redaktion bei einer erneuten Radtour nicht einladen wollen, weil die Tour 2019 von der ADFC-Ortsvorsitzenden Irene Alpes, nicht vom SÜDKURIER initiiert worden sei. Irene Alpes sagt dazu: „Ich kann mich erinnern, dass Stef Manzini vom SÜDKURIER die Idee zu der gemeinsamen Radtour im Frühling 2019 hatte.“

Die Fahrradtour im Mai 2019

In einer umfangreichen Stellungnahme zu den Vorwürfen des Fahrradclubs tritt die Verwaltung nun der Behauptung entgegen, keinen regelmäßigen Kontakt zum ADFC zu haben, beziehungsweise auf eingehende Schreiben des Kreisvorsitzenden nicht zu antworten. In dem von der Stadt als „Richtigstellung“ bezeichneten Schreiben zum Zeitungsbericht „ADFC frustriert über Stadt“ vom 28. Oktober 2020 werden dazu Kontakte zwischen der Abteilung Stadtplanung und deren Leiter Thomas Kölschbach und dem ADFC, unter anderem im Oktober, aufgezählt.

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Gründung des Arbeitskreises Rad noch offen

Auch zu der Feststellung und dem Bedauern, dass der Arbeitskreises Rad (AK Rad) bisher nicht zustande gekommen ist, nimmt die Stadt detailliert Stellung. Sie weist darauf hin, dass eine zeitnah anberaumte Sitzung des AK-Rads mit rund 20 Teilnehmern aktuell in der Pandemie-Stufe-3 nicht zu verantworten sei und auch nicht der angemessenen Vorbildfunktion der Stadt in der Corona-Pandemie entspreche. Dies stößt auf Unverständnis bei Irene Alpes: „Warum kann man denn nicht eine Videokonferenz machen, wie es landauf-landab überall mittlerweile üblich ist und gut funktioniert“, fragt die Überlinger Ortsvorsitzende des ADAC.

Stadt weist Vorwurf der Tatenlosigkeit zurück

Rund 2,1 Millionen Euro habe man in den vergangenen zwei Jahren für den Radverkehr in Überlingen aufgebracht, schreibt die Stadtverwaltung. Man wolle somit den im Raum stehenden Vorwurf der Tatenlosigkeit entkräften. In einer Auflistung der finanzierten Maßnahmen nehmen der Radweg Weiherhalde mit knapp 1,7 Millionen Euro und der neue Radschutzstreifen in der Bahnhofstraße mit 380 000 Euro den Löwenanteil der aufgewendeten Kosten in Anspruch. „Von einem Totalversagen bei der Umsetzung des Radverkehrskonzepts in Überlingen zu sprechen, erscheint uns damit nachweislich völlig verfehlt“, so die Stadtverwaltung.

„Die Ansicht des Kreisvorsitzenden des ADFC stimmt nicht immer mit der Beurteilung der Fachleute und Planungsbüros übereinstimmt.“
Aus der Stellungnahme der Stadtverwaltung

Bernhard Glatthaar vom ADFC hatte bemängelt, dass viele der 2019 vereinbarten Maßnahmen noch nicht umgesetzt wurden. Dazu hält die Stadtverwaltung des Weiteren schriftlich fest, „dass die Ansicht des Kreisvorsitzenden des ADFC nicht immer mit der Beurteilung der Fachleute und Planungsbüros übereinstimmt“. Als Beispiel wird die Hafenstraße genannt, deren Fahrbahnmarkierung Glatthaar von Schulstraße bis Mantelhafen für überflüssig hielt. Ein Dozent des Deutschen Instituts für Urbanistik halte diese jedoch in Absprache mit der Verkehrsbehörde und der Polizei für notwendig.

Arbeiten für verkehrsberuhigte Hafenstraße haben begonnen

Die Überlinger Hafenstraße wird in einen verkehrsberuhigten Bereich umgewandelt; die Arbeiten begannen Anfang November und werden voraussichtlich fünf Monate dauern. Diese Maßnahme sei für ihn quasi der Startschuss, weiterführend in der Jakob-Kessenring-Straße Überlingens Altstadt Stück für Stück fahrradfreundlicher und fahrradsicherer zu machen, hatte Oberbürgermeister Jan Zeitler bei der gemeinsamen Radtour 2019 versprochen.