Die Überlinger Tafel steht vor großen Herausforderungen. Es geht ihr wie ihren Kunden: Es reicht hinten und vorne nicht. Nachdem im Sommer 140 Menschen in der Woche kamen – doppelt so viele wie früher – um Lebensmittel gegen einen kleinen Kostenbeitrag zu erstehen, war die Kapazitätsgrenze erreicht. Das berichtet Leonie Zehrer, die bei der Caritas für die Koordination des Tafelladens zuständig ist.
Seit Juni gibt es keine Tafel-Ausweise mehr
„Im Juni mussten wir die Ausgabe der Tafel-Ausweise stoppen“, berichtet sie. Wie zurzeit alle Tafel-Läden in Deutschland befindet sich auch die Überlinger Einrichtung, hier in Trägerschaft des Caritasverbands Linzgau, in einer schwierigen Lage. Die Zahl der Flüchtlinge hat seit Beginn des Ukraine-Krieges drastisch zugenommen und die die Inflation sorgt für eine deutliche Preissteigerung bei Lebensmitteln.
Dazu kommen die höheren Energiekosten, wodurch sich immer mehr Menschen die Grundversorgung mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln nicht mehr leisten können. Leonie Zehrer hat beobachtet, dass immer mehr Einheimische in den Laden kommen. Gleichzeitig werden auch bei den Tafeln die Lebensmittel knapper. Zwar würden einige Einzelhändler sie bei den Bestellungen bereits mit einplanen und ein lokaler Metzger sei als Spender hinzugekommen.

Aber unterm Strich nehme die Warenmenge ab. „Wir bekommen weniger Lebensmittel und auch die Zahl der Händler wird weniger“, berichtet Zehrer. Sie rechnet mit einer weiteren Zunahme an Bedürftigen, wenn Ende des Jahres die Abrechnungen der Energiekosten anstehen.
Und die Tafel kommt immer mehr an ihre Grenzen – besonders in finanzieller Hinsicht. Für die eigentlich mittlerweile zu kleinen Räume traf kürzlich eine Mieterhöhung ein. Dazu machten ihnen die gestiegenen Energiekosten zu schaffen, sagt Zehrer. „Wir sind ja kein Wirtschaftsunternehmen und können die Kosten nicht an die Kunden weitergeben.“
Die Tafel finanziert sich fast ausschließlich aus Spenden. Für die Unterstützung der Stadt Überlingen von 10.000 Euro pro Jahr seien sie sehr dankbar, betont Leonie Zehrer. Trotzdem bleibe ein großes finanzielles Defizit.
Dachverband sieht Staat in der Pflicht
Wie die Tafel Deutschland sieht sie den Staat in der Pflicht. Bereits im Mai forderte der Dachverband in einer Pressemitteilung: „Gemeinnützige, spendenempfangende Organisationen wie die Tafeln müssen finanziell durch den Staat unterstützt werden, um die notwendige Infrastruktur durch Lager und Transport bereitstellen, anpassen und unterhalten zu können.“
Der Dachverband appellierte auch an seine Mitglieder, keine Lebensmittel zuzukaufen. Das widerspreche dem Grundgedanken, überschüssige Waren zu verteilen, um gleichzeitig Verschwendung zu vermeiden und Bedürftigen zu helfen. Doch das Konstrukt funktioniert so nicht mehr.
Mittlerweile werden Lebensmittel zugekauft
Auch die Überlinger Tafel kauft mittlerweile Lebensmittel zu. „Was sollen wir machen? Wir können doch die Leute, die sich darauf verlassen nicht stehen lassen!“, argumentiert Leonie Zehrer. Zum Glück gebe es eine relativ große Spendenbereitschaft unter der Bevölkerung. Mit den Spenden kaufen sie vor allem Öl, Mehl und Nudeln sowie mittlerweile auch manchmal Obst und Gemüse zu. Auch der Bedarf an Hygieneartikeln sei groß.

Trotz der angespannten Lage, sei die Stimmung bei der Tafel und ihren Kunden immer noch gut. Das liege vor allem an den engagierten Helfern. Beeindruckt ist die junge Sozialarbeiterin von dem Erfindungsreichtum einiger Kunden. So habe eine alleinstehende Frau einmal 1,5 Kilogramm übrig gebliebene Champignons mitgenommen.
Auf die verdutzte Frage, wie sie die schnell verderblichen Pilze alleine verbrauche, erfuhr Leonie Zehrer, dass die Frau sie zum Teil trocknet und einkocht, um sie haltbar zu machen. „Der Einfallsreichtum und wie die Leute wirtschaften ist bewundernswert,“ lobt sie.