„Wir haben in den vergangenen Monaten von der Geschäftsführung bis zum Ehrenamt alles getan, um das System Tafel wie gewohnt aufrecht zu erhalten“, beteuert Petra Demmer. „Aber wegen der geänderten Rahmenbedingungen können wir ab 1. Dezember keine neuen Tafelausweise mehr ausgeben.“ Der Geschäftsführerin des Caritasverbands, wo die Überlinger Tafel angesiedelt ist, fällt es sichtlich schwer, diese Entscheidung zu verkünden.

Diese Entwicklung hatte sich in den kommenden Monaten abgezeichnet. Bereits im Sommer gab es eine Pause bei der Aufnahme von neuen Kunden. Da jeder Nutzer eine kleine Gebühr pro Einkauf zahlen muss, sprechen die Organisatoren stets respektvoll von Kunden. „Wir haben zurzeit 120 gültige Tafelausweise. Von den Inhabern kommen rund 80 regelmäßig jede Woche“, erklärt Patricia Fleig vom Caritas Sozialdienst. Sie ist für die Ausgabe der Ausweise zuständig und bekam in den vergangenen Wochen immer mehr Anfragen. Damit kommt die Überlinger Tafel nun an ihre Grenzen.

Petra Demmer, Norbert Sieveking und Patricia Fleig (von links) haben sich die Entscheidung, keine weiteren Tafelausweise mehr ...
Petra Demmer, Norbert Sieveking und Patricia Fleig (von links) haben sich die Entscheidung, keine weiteren Tafelausweise mehr auszugeben, nicht leicht gemacht. | Bild: Sabine Busse

Zurzeit kommen mehrere Faktoren zusammen, die die Verantwortlichen zwingen, die Notbremse zu ziehen. Die Zahl der Flüchtlinge, sowohl aus der Ukraine als auch aus anderen Staaten, habe sich erhöht, so Fleig. „Durch die stark gestiegenen Preise kommen aber auch vermehrt Einheimische, ältere Menschen mit einer kleinen Rente oder Migranten, die schon lange hier leben und nun wiederkommen“, berichtet die Sozialpädagogin. Der höheren Nachfrage stehen begrenzte Ressourcen gegenüber. Norbert Sieveking, langjähriger Tafelmitarbeiter, berichtet wie wenig planbar das Angebot sei: „Mal bekommen wir bei einem Lebensmittelhändler eine Kiste, mal wieder mehr.“ Dazu kommen die begrenzten räumlichen und personellen Kapazitäten. Bei der Überlinger Tafel sind fast nur ehrenamtliche Helfer aktiv. Der Raum für die Ausgabe der Lebensmittel fasst nur wenige Menschen und auch die Möglichkeiten Waren gekühlt zu lagern, sind beschränkt. Das alles ließe eine Ausweitung des Angebots nicht zu, sind sich die Experten der Caritas einig.

„Wir wollen den Menschen, die kommen auch genug anbieten können“, ergänzt Norbert Sieveking. Schließlich reiche das Einzugsgebiet bis Owingen, Heiligenberg oder Uhldingen. Die Überlinger Einrichtung ist neben Markdorf und Friedrichshafen eine von drei Tafelläden im Bodenseekreis. Wer den Weg und die Fahrtkosten auf sich nehme, solle wenigstens mit vollen Taschen nach Hause gehen, meint Sieveking. Außerdem betrage die Wartezeit an den beiden Ausgabetagen manchmal bereits zwei Stunden.

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Berechtigt einen Ausweis zu beantragen, sind grundsätzlich alle Menschen, die am Existenzminimum leben, also Hartz 4 oder Wohngeld beziehen, beziehungsweise in der Grundsicherung sind, also auch Geringverdiener. „Wir hoffen, dass das Bürgergeld und die Erhöhung des Kindergelds im nächsten Jahr etwas Entspannung bringen“, sagt Patricia Fleig vorsichtig optimistisch. Sie berichtet von einer Frau, die zu ihr in die Beratung kam. Ihr bleiben nach Abzug aller Kosten aktuell 110 Euro zum Leben im Monat, da die gestiegenen Stromkosten aus den Regelsätzen beglichen werden müssen.

Für Menschen mit einem so kleinen Einkommen ist die Tafel lebenswichtig. Daher ignorieren die Verantwortlichen den Aufruf des Dachverbands in Baden-Württemberg, keine Lebensmittel zuzukaufen. Damit werde der Grundidee der Initiative, weniger Lebensmittel wegzuwerfen und gleichzeitig Menschen mit einem geringen Einkommen zu fördern, widersprochen, argumentiert der Verband.

Auf Spenden angewiesen

Um überhaupt zuzukaufen, aber auch die steigenden laufenden Kosten stemmen zu können, ist die Tafel auf Spenden angewiesen. Die Stadt Überlingen unterstützt die Tafel jährlich mit 10 000 Euro und aktuell mit einem Energiekostenzuschuss von 2000 Euro. Zu den ständigen Unterstützern gehört zudem der Rotary Club. Wie lange die Ausgabe der Berechtigungsscheine ausgesetzt wird, lässt sich noch nicht sagen. „Wir können im Moment nur kurzfristig planen,“ sagt Petra Demmer. „Wir werden eine Warteliste führen und besondere Härtefälle im Blick haben.“