„Wo drückt der Schuh?“, fragte die SPD und postierte sich gut drei Stunden mit ihrem roten Schuh in der Münsterstraße. Der sollte von Passanten mit Anregungen und Kritik gefüllt werden, derer sich die Mitglieder später annehmen wollen. Mit direkter Ansprache und dem Hinweis auf diese Möglichkeit gelang das; Zettel um Zettel flatterte am Samstag in den Schuh. Etliche Fragen konnten direkt von den acht signalrot gekleideten Mitgliedern beantwortet werden.

„Der Verkehr soll raus aus der Stadt. Während der Landesgartenschau ging das doch auch“, sagt Lutz Scholz. Seine Frau Hannelore glaubt, dass die Ordnungshüter bei überall parkenden Prominenten ein Auge zudrückten.

Häufigere Kontrollen gefordert

Das Ehepaar Scholz wünscht sich auch einen besseren Zugang zum Sportplatz „Ob den Mühlen“. Zwar könne man gegen 80 Euro Pfand einen Schlüssel bekommen, doch die Öffnungszeiten für Rentner seien ungünstig. „Ich möchte auch vormittags mal zum Walken und Laufen auf den Platz und während der Ferien ist er auch gesperrt – aber er wird schön gepflegt“, sagt Lutz Scholz. Beide wünschen sich außerdem mehr Parkmöglichkeiten für Radler und häufigere Kontrollen von Radfahrern, die verbotenerweise durch die Fußgängerzone fahren, anstatt abzusteigen.

Radfahren und das Drumherum ist auch ein Anliegen von Mirko Gutemann. „Die Stadt könnte fahrradfreundlicher werden“, befindet der 46-Jährige. Er wünscht sich mehr und zentrale Abstellplätze sowie den Ausbau von Radwegen, damit man die Verkehrswende positiv beeinflussen könne. „Die Frage ist: Was kann Lokalpolitik beeinflussen, wie kann man die Innenstadt freier bekommen?“ Und wenn man an ältere Menschen denke? „Viele sind vom Auto aufs E-Bike umgestiegen, besonders in Corona-Zeiten.“

Auch Kirsten Stüble, Vorsitzende des SPD-Ortsvereins, hat ein Anliegen: Wie erreicht man die Bürger? Obwohl die Sperrung der Christophstraße wegen des Baus eines Kreisels im SÜDKURIER und im städtischen Mitteilungsblatt „Hallo Ü“ publiziert worden sei, zeigten sich Autofahrer ahnungslos. „Die Leute sind gar nicht informiert, die lesen das nicht.“

Suche nach Kandidaten läuft

Neben der jährlichen Abfrage der Anliegen der Bürger – „und nicht nur vor den Wahlen“, betont Stüble – suche der Ortsverein auch Menschen, die sich vorstellen können, sich für die Kommunalwahl 2024 aufstellen zu lassen. „Gute Politik kann im Gemeinderat nur mit engagierten Leuten gelingen, die mitgestalten möchten und dadurch etwas verändern können. Das wünschen wir uns für alle Parteien. Die Parteipolitik spielt im Gemeinderat auch keine so große Rolle“, sagt Stüble. Die SPD sei auch offen für Nichtmitglieder. Als Repräsentantin der SPD muss Stüble auch Beschimpfungen ertragen: „Kriegstreiberpartei“ wird da gerufen. Es gibt auch Lob. Etwa von Helmut Schroeter. Als Norddeutscher ist er vor mehr als 50 Jahren mit der Familie nach Überlingen gekommen. „Ich bin sehr zufrieden und wir sind froh, dass wir hier wohnen dürfen.“ Einen Verbesserungsvorschlag hat der 85-Jährige dann doch: „Man könnte nach dem Vorbild von Ludwigshafen, Uhldingen und Bodman die Treppen am Landungsplatz mit Holz belegen, wenigstens im Sommer. Da könnte man dann viel besser sitzen und es sähe auch schöner aus.“

Und nochmals ist der Radverkehr ein Thema. Prisca Resch wünscht sich eine autofreie Innenstadt und während der Bauphase in der Christophstraße ein Durchkommen für Radfahrer. Gerade für die Kinder und Jugendlichen, die mit dem Rad unter anderem zur Schule fahren. „Wir müssen immer warten, bis alle durch sind und dann die ganze Straße durchlaufen. Dann sind wir schon spät dran, denn das dauert mindestens fünf und manchmal 15 Minuten“, ergänzt Reschs Tochter.

Auch persönliche Anliegen im Blick

Einige Passanten haben private Anliegen an die Genossen, die am Samstag den roten Schuh in der Münsterstraße aufgestellt haben. Teils bedürfen sie der Abstimmung mit der Stadtverwaltung, teils können sie gleich beantwortet werden.

  • Die Feriengäste Regina und Claus Semjan aus Niedersachsen diskutierten mit dem Genossen Wilfred Zöbisch über allgemeine Politik und das Erstarken der AfD. Die Wohnmobilisten haben aber auch ein lokales Anliegen: „Insgesamt ist Überlingen sehr schön, aber in Sachen Nachhaltigkeit und Umwelt könnte es besser sein: Wir vermissen beim Wohnmobil-Stellplatz und in der Stadt die Möglichkeit, separat Müll zu trennen. Sogar in Norditalien ist das besser organisiert“, sagen Regina und Claus Semjan. Verständnis haben sie beispielsweise für die Verkehrsprobleme in einer alten Stadt mit engen Straßen, allerdings keines für ein ganz anderes Problem: „Das Bodensee-Trinkwasser ist zwar optisch sauber, aber es ist mit Medikamenten- und Drogenrückständen und multiresistenten Keimen kontaminiert“, meinen die beiden Niedersachsen. Die Rückstände könne man doch mit einem besonderen Filter zurückhalten. Auch die Motorboote könne man doch international verbieten, schlägt Claus Semjan mit Blick auf den Spuren hinterlassenden Treibstoff vor.
  • Die jüngsten Überlinger, die sich beim roten Schuh äußeren, sind zwei 16-jährige Jugendliche. „Mich stört, dass die Schule um 7.50 Uhr anfängt, da wissenschaftlich erwiesen ist, dass man seinen Kopf erst ab 10 Uhr anstrengen kann.“ Ihre Freundin schreibt auf den Zettel für den roten Schuh: „Mich stören Rassismus und Schulstress.“ Ob die Überlinger SPD beides abstellen kann?