Frau Neuschäfer, Sie haben das Golden Globe Race gewonnen, ein Segelrennen um die Welt. Wie kamen Sie überhaupt zum Segeln?

Als ich 23 war, hatte ich mir in den Kopf gesetzt, dass ich Segeln lernen möchte. Ich habe Segelscheine gemacht und freiwillig auf Booten gearbeitet, um Erfahrung zu sammeln. Dann habe ich angefangen, als Segellehrerin zu arbeiten, arbeitete auf Charterbooten und war Skipper eines Bootes, mit dem wir zur Antarktis gefahren sind, nach Patagonien, Südgeorgien und so weiter.

Woher kam die Idee, am Golden Globe Race teilzunehmen?

2018 fand nach 50 Jahren die erste Wiederholung dieses Rennens statt. Da habe ich angefangen, mich dafür zu interessieren. Ende 2019 habe ich mich dann eingeschrieben für das Rennen 2022.

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Wie liefen die Vorbereitungen für das Rennen ab? Hatten Sie bereits eine Yacht?

Nein, ich hatte weder eine Yacht noch das Geld. Aber ich habe mich einfach eingeschrieben auf Verdacht, dass ich es irgendwie hinbekommen werde. Als erstes wollte ich sehen, welches der erlaubten Boote für mich am besten wäre. Ich habe mich für die Cape George 36 entschieden. Damit ich mir die Yacht kaufen konnte, habe ich mir eine große Summe Geld ausgeliehen von Privatleuten. Dann habe ich viel trainiert. Ich war in Kanada und wollte zurück nach Südafrika, weil ich zwei Jahre nicht zu Hause war. Ich habe mich entschieden, nach Hause zu segeln – circa 7000 Meilen. Das war ein gutes Training. Von Kapstadt bin ich dann wieder nach Europa gesegelt. Im Training bin ich also 15.000 Seemeilen gesegelt, bevor das Rennen begann.

Als Vorbereitung für das Rennen um die Welt segelte Neuschäfer 15.000 Seemeilen.
Als Vorbereitung für das Rennen um die Welt segelte Neuschäfer 15.000 Seemeilen. | Bild: Kirsten Neuschäfer

Dann gingen Sie an den Start und waren 233 Tage lang allein auf dem Meer unterwegs. Welche Erfahrungen sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?

Da gibt es einige echt schöne Erfahrungen, zum Beispiel einfach tolles Segeln, wo das Boot so lief, wie es laufen sollte – zum Beispiel im Südozean. Kapstadt war sehr schön, ich bin dort nachts angekommen mit wenig Wind und bei Vollmond, im November. Da sind die Buckelwale an der Küste entlanggezogen. Ich bin da die ganze Nacht herumgetrieben und hatte die Wale neben mir. Und natürlich Kap Hoorn. Ich habe dort mit dem Leuchtturmwächter geredet und er hat mir erzählt, dass ich vorn bin. Das war ein gutes Gefühl. Das schlimmste für mich waren zwei Wochen Flaute am Äquator. Das war für mich mental am schwierigsten. Ich wusste nicht, ob ich noch Hoffnung auf den Sieg hatte.

Wie sah für Sie ein normaler Tag auf der Yacht aus?

An einem normalen Tag habe ich versucht, nachts einen Schlafrhythmus zu haben und trotzdem alle zwei Stunden aufzustehen, um meinen Kompasskurs aufzuschreiben. Morgens bin ich aufgestanden, habe einen Kaffee getrunken und gefrühstückt. Am frühen Morgen gab es das Zeitsignal vom Funkgerät, danach habe ich meine Uhr gestellt, weil wir keine digitalen Uhren dabei haben durften. Dann habe ich meinen Kurs ausgerechnet. Jeden Morgen war ich auf dem Deck unterwegs und habe das Schiff kontrolliert. Dann habe ich geschaut, wie ich die Geschwindigkeit des Bootes optimieren kann. Nachmittags habe ich etwas gegessen und versucht zu schlafen, falls ich die ganze Nacht wach bleiben muss aus irgendwelchen Gründen. Die Nähe von Land war immer ein Problem oder wenn man einen Sturm erwartet hat. Wenn ich Freizeit hatte, das Boot gut lief und ich am Segel und am Ruder nichts tun musste, habe ich gelesen. Ich habe viel gelesen, während des ganzen Rennens bestimmt 100 Bücher. Und ich habe Briefe geschrieben. Wir durften zwar nichts empfangen, aber wir durften Briefe überreichen. Und ich hatte kleine Rituale: Wenn ich am Äquator vorbeigesegelt bin oder an einem großen Kap und das Wetter schön war, dann habe ich auch mal ein halbes Gläschen Wein getrunken und was Leckeres gegessen.

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Was haben Sie denn in dieser Zeit gegessen und hatten Sie genug Proviant dabei?

Essen hatte ich genug dabei. Ich hätte problemlos noch sechs Wochen länger auf See bleiben können. Ich hatte mehrere Sachen, wie Reis und Nudeln mit Soße. Zum Frühstück Müsli und Kaffee, Nüsse und Trockenobst und viel Dosenessen. Ich habe auch Zwiebeln mitgenommen, die haben es sogar überlebt bis zum Ende der Reise. Zum Trinken musste ich irgendwann Regenwasser sammeln. Ich bin mit 380 Litern losgesegelt, was natürlich bei einer so langen Zeit nicht ausreicht.

Gab es in der langen Zeit auf See Momente, in denen Sie sich einsam gefühlt haben?

Ich habe meine Einsamkeit genossen, ich würde sagen, 80 Prozent der Zeit war ich echt zufrieden in meiner kleinen Welt. Dass ich Briefe geschrieben habe, hat mir geholfen. Als Mensch braucht man doch ein bisschen Dialog. Die Momente, wo ich mir gewünscht hätte, jemand wäre mit an Bord, waren die schwierigeren Momente, etwa in der Flaute. Da hatte ich manchmal den Eindruck, dass ich verrückt werde. Da wäre es für mich schön gewesen, jemanden zum Reden zu haben.

Kirsten Neuschäfer war 233 Tage lang allein auf dem Meer unterwegs. Einsam hat sie sich auf ihrer Yacht jedoch selten gefühlt.
Kirsten Neuschäfer war 233 Tage lang allein auf dem Meer unterwegs. Einsam hat sie sich auf ihrer Yacht jedoch selten gefühlt. | Bild: Don & Jane GGR

Am Ende haben Sie den Wettkampf gewonnen. Wie ging es danach für Sie weiter?

Das ist schon eine große Veränderung: Acht Monate allein und plötzlich wollen lauter Menschen etwas von einem wissen. Es war schwierig. Ich habe mich ein bisschen aufs Meer zurückgesehnt. Aber ich war auch begeistert davon, dass so viele Leute das Rennen verfolgt hatten. So viele Menschen haben mir geholfen, überhaupt zur Startlinie zu kommen. Mit meinen Erzählungen von der Reise kann ich jetzt etwas zurückgeben.

Als erste Frau überhaupt hat Kirsten Neuschäfer aus Südafrika das Golden Globe Race gewonnen.
Als erste Frau überhaupt hat Kirsten Neuschäfer aus Südafrika das Golden Globe Race gewonnen. | Bild: Kirsten Neuschäfer

Ihre Erfahrungen teilen Sie am 25. April auch bei einem Vortrag in Überlingen. Wie kam es dazu, dass Sie extra nach Deutschland kommen?

Das ist durch Bobby Schenk (Anm. d. Red: ein deutscher Sportsegler, der auch durch seine Vortragstätigkeit vor großem Publikum bekannt ist) passiert. Ich habe ihn Anfang des Jahres kennengelernt. Es war dann seine Idee, dass ich solche Vorträge halten könnte.

Am Bodensee waren Sie noch nie?

Nein, das ist eine schöne Möglichkeit. Ich stelle mir das wunderschön vor mit den Bergen und dem See und ich freue mich drauf.

Welche Pläne haben Sie für die Zukunft?

Ich weiß nicht genau, was ich vorhabe. Sich neu zu erfinden, ist nicht so einfach. Eigentlich habe ich Lust, weiter zu segeln. Andererseits war ich fast vier Jahre weg aus Südafrika. Ich habe Lust, wieder in der Nähe meiner Heimat zu sein. Meine Eltern sind hier und ich habe noch ein Haus, da muss ich mich drum kümmern. Mindestens das kommende Jahr würde ich gern hier sein und an einer Dokumentation arbeiten über das Rennen. Und meine ganzen Erfahrungen würde ich auch gern aufschreiben. Wenn die Zeit wieder da ist, dann segle ich wieder. Einfach mal zum Spaß, ohne Rennen, ohne Arbeit.

Frau Neuschäfer, wir bedanken uns für das Gespräch.