Es ist beschlossen: Der Gemeinderat habe den Verkauf des Anwesens Schulstraße 12 in Unteruhldingen bereits abgesegnet. Das teilte Bürgermeister Edgar Lamm auf Nachfrage unserer Zeitung mit. Inserate auch im Mitteilungsblatt oder auf der Internetseite der Gemeinde verkündeten das angepeilte Grundstücksgeschäft. Altes Schul- und Rathaus weg, Neubauten auf rund 1900 Quadratmeter drauf – so sieht der Plan aus. Am 30. Mai endete die Angebotsfrist. "Die Nachfrage nach Interessenten ist sehr hoch", sagt – wenig überraschend – der Bürgermeister. Doch nicht wenige Uhldlinger fühlen sich selbst verraten und verkauft.

Abrisspläne schon vor vier Jahren
Vor vier Jahren sollte das historische Gebäude, das seit den 1975 als Tourist-Info genutzt wurde, schon einmal weichen. Das Gutachten eines Architekturbüros lag vor, was die Komplettsanierung des fast 110 Jahre alten Hauses kosten würde. Das hieß seit 1995 "Haus des Gastes", weil mit einer knappen halben Million Euro an Landeszuschüssen ein nagelneuer, wenn auch schmuckloser Anbau für die Tourist-Info dazu gestellt wurde. 20 Jahre später spricht Edgar Lamm von einer nötigen Komplettsanierung, die mehr als eine Million Euro kosten soll, ohne die Rechnung öffentlich aufzumachen. Stattdessen kamen die Pläne für eine neue Tourismuszentrale am Ortsrandparkplatz, den heutigen Welterbesaal, auf.
Widerstand schon im Jahr 2014
Gegen den Verkauf des alten Schul- und Rathauses formierte sich im Frühjahr 2014 Widerstand. 483 Unterschriften von Uhldingern bekam der Bürgermeister am 5. Mai ausgehändigt, die sich alle gegen die geplante Veräußerung des "letzten historischen Identitätsmerkmals unserer Gemeinde" stemmten. Schon damals wurden Zweifel laut, ob die Argumente für den Verkauf stichhaltig sind. Schon damals wurde Transparenz eingefordert, wie teuer die Sanierung an welcher Stelle des Gebäudes samt Anbau tatsächlich wäre. Der Gemeinderat sah von einem Verkaufsbeschluss ab, ohne von den Plänen abzulassen, eine neue Tourist-Info zu bauen. Die ist inzwischen fertig.
Früherer Gemeinderat Bollin appelliert vergebens
"Wir Bürger waren der festen Überzeugung, dass ein Verkauf dieses historischen Gebäudes vom Tisch ist, müssen jedoch mit großer Bestürzung feststellen, dass der Bürgermeister den Verkauf gegen den Willen der Bürger weiter voran treibt." So schrieb der frühere Gemeinderat Bruno Bollin im April dieses Jahres an alle Gemeinderäte, verbunden mit dem Appell, sich einmal mehr für den Erhalt des alten Schul- und Rathauses einzusetzen. Offensichtlich ohne Erfolg: "Es gab keine Mehrheit dafür", sagt SPD-Gemeinderätin Renate Eiberger, der die ganze Geschichte "schwer im Magen liegt". Sie gehört zu jenen Bürgern, die das Haus als Zeugnis der Geschichte im Ort gern erhalten und lieber "etwas Schönes daraus machen" würden. "Ich hätte mir gewünscht, dass wir behutsamer vorgehen. Die Begehrlichkeiten sind so groß", sagt Renate Eiberger.

Von Interessenten wird verbindliches Konzept erwartet
Allein das Grundstück dürfte für rund eine Million Euro den Besitzer wechseln. Mit dem möglichen Investor will die Gemeinde die Nutzung des Bauareals "vertraglich und grundbuchlich sichern", schreibt Edgar Lamm auf Nachfrage. Vor dem Verkauf soll der Erwerber ein verbindliches Nutzungs- und Bebauungskonzept vorlegen, das auch auf das Ortsbild "in besonderer Weise Rücksicht nimmt".
Eine Ortsbild-erhaltende Sanierung des alten Schul- und Rathauses oder gar ein alternatives Nutzungskonzept kommt für Edgar Lamm nicht in Frage. Derzeit ist das Gebäude vermietet, selbst habe die Gemeinde keine Verwendung mehr dafür. "Bleibt die Liegenschaft im Gemeindebesitz, müssen kurzfristig über 500.000 Euro in die Teilsanierung des nicht barrierefreien Gebäudes investiert werden", erklärt der Bürgermeister. Nicht zuletzt habe das Kommunalamt des Kreises 2017 eine Prüfung angeregt, ob nicht Grundstücks- und Gebäudebestand der Gemeinde sinnvoll verwertet werden könne.
Emotionale Bindung vieler Bürger schützt nicht vor Abriss
"Der Gemeinderat ist sich sehr wohl bewusst, dass sehr viele Unteruhldinger emotionale Bindungen an das Gebäude haben, das früher mal Sitz des Rathauses und der Schule in Unteruhldingen war", erklärt Edgar Lamm. Nach Abwägung der Vor- und Nachteile und dem Hinweis im Haushaltserlass der Kreisverwaltung spreche sich der Gemeinderat für den Verkauf der Liegenschaft aus, "um die zukünftigen Pflichtaufgaben der Gemeinde erfüllen zu können". Dazu gehört nun auch die Finanzierung der neuen Tourist-Info, der Welterbesaal.
Museumsdirektor Gunter Schöbel wird im Museumsarchiv fündig
Gunter Schöbel, Museumsdirektor der Pfahlbauten Unteruhldingen, die vom Pfahlbau- und Heimatkundeverein getragen werden, hat im Museumsarchiv auch ein Stück Geschichte über das Schul- und Rathaus Uhldingen gefunden.
Die Erbauung eines Schul- und Rathauses wurde 1907 beschlossen. Das alte Rathaus neben der Kapelle hatte so niedrige Decken, dass ein hochgewachsener Mensch immer mit dem Kopf oben anstieß. Die Grundbücher und Akten hatten keinen feuersicheren Raum. Die 68 Schüler des Ortes sollten einen eigenen Schulraum erhalten. Eine neue Wasserleitung musste entstehen.
Am 18. Dezember 1910, 14 Uhr, war es soweit. Das vom Architekturbüro Amolsch aus Überlingen geplante Haus konnte eröffnet werden. Nach dem Festgottesdienst in der Kapelle zogen sie mit Musik und Fahne, Kriegerverein und Festjungfrauen vor das Gebäude. Ansprachen des Pfarrers, des Oberramtmanns aus Überlingen und des Bürgermeisters folgten vor dem reich geschmückten Haus, danach die Übergabe der Schlüssel an den Oberlehrer Fröhlich. Gedichte wurden vorgetragen, die Räumlichkeiten inspiziert und das Fest in den drei Dorfwirtschaften ging bis in den frühen Morgen. So ist es im Seeboten, Dezember 1910, nachzulesen.
Prompt gelobt wurde die Gemeinde bei der Ortsbereisung 1911 durch Amtvorstand Levinger: „In vollem Bewusstsein der Opfer, die sie hierdurch der Gemeinde, sich und ihren Kindern auf Jahrzehnte hinaus auferlegen, haben sich die Unteruhldinger nicht nur besonnen, eine eigene Schule einzurichten und eine Wasserleitung zu erstellen… Im Osten ist ein Landhausviertel im Entstehen begriffen, das einst eine Zierde des ganzen nördlichen Ufers bilden wird. Durch Erlassung von Bauvorschriften ist dafür gesorgt, dass der schöne landschaftliche Charakter des Ortsbildes nicht verunziert wird. Die Einführung der Elektrizität wird ausnahmslos sehnlich erwartet. Kurz, es sind Fortschritte in der kleinen Gemeinde zu verzeichnen, wie sie im Amtsbezirk leider zu den Seltenheiten gehören. Diese Besserung ist einzig und allein der Tatkraft und dem Wagemut einer intelligenten Bevölkerung und dem umsichtigen und weitblickenden Verständnis und Walten der derzeitigen Gemeindeverwaltungsbehörde zuzuschreiben.“
Schnee von gestern? – Und sie setzten noch eines drauf. In das Gebäude wurde, wie gerade im Überlinger Stadtarchiv ermittelt, eine Urkunde eingemauert. Darin steht unter anderem: „Wir Unterzeichneten, der Bürgermeister und Gesamtgemeinderat von Unteruhldingen, hinterlegen und verwahren diese Aufzeichnungen in der Grundmauer des neu errichteten Schul- und Rathauses zur Erinnerung an die Feier zur Fertigstellung und Übergabe des schönen Baues. ... Möge das Schul- und Rathaus der Gemeinde Unteruhldingen und den heranblühenden Generationen zum reichsten Segen gereichen. Möge es ein stolzes Wahrzeichen der Fürsorge für die Jugend und der Gemeinde sein, möge es ein Hort der Bildung und des Friedens sein und bleiben“. Unteruhldingen, 18. Dezember 1910. Stempel. Unterschrift. Der Urkunde sind beigelegt verschiedene Kupfer-, Nickel- und Silbermünzen, Maße und Gewichte sowie ein Exemplar des Bauplans und der Tageszeitung „Der Seebote“.
Wenn nun der Altbau verkauft, abgerissen und wohl kurzfristig auf Kieselsteingröße geschreddert werden soll, dann sollten Gemeinde- und Kreisverwaltung auf die Kassette mit den Urkunden und den Münzen im Grundstein aufpassen. Diese Silbermünzen gehören nach dem Willen der Altvorderen nicht den Veräußerern, sondern denen, die an diesen Auftrag der 252 Bürger von Unteruhldingen von damals erinnern möchten. Sie gehören in ein Archiv. Dort wird man dann auch über uns und unseren Umgang mit Gemeindevermögen in 100 Jahren nachlesen können.