Eine Stunde vor Sonnenaufgang steigt Stefan Knoblauch am Ufer von Uhldingen-Mühlhofen in sein Fischerboot. Der See schlägt leichte Wellen. Sonst ist es still, weit und breit ist kein weiteres Boot auf dem Wasser zu sehen. Es ist kühl und windig. Der Berufsfischer scheint das nicht wahrzunehmen. Vielmehr betont er: „Man muss den See schon mögen.“ Er sagt, er wolle den See nicht missen, weder beruflich noch privat.
Netze sind mit GPS-Sendern ausgestattet
Dann startet er den Motor und fährt los. „Die Netze haben heutzutage so einen kleinen GPS-Sender“, erläutert er. So könne er sie genau orten und ansteuern. Früher sei das nicht so einfach gewesen: „Da musste man sie tatsächlich suchen. Man wusste ja nicht, wie weit die Strömung sie abgetrieben hat.“

Bis zu zehn, manchmal sogar 15 Kilometer weit bewegen sich die Netze je nach Wind, Wetterlage und Strömung. 120 Meter lang ist ein solches Netz, fünf davon hat er abends platziert. Durch den Aufbau mit einer leichteren Schwimmleine einerseits und einer schwereren Bleileine andererseits, stehen sie dann „wie ein Zaun“ im Wasser. Die Menge und die Art der Netze – bis hin zur Größe der Maschen – kontrolliert die Fischereiaufsichtsbehörde stichprobenartig. „Das ist alles vorgegeben“, kommentiert Stefan Knoblauch.
Netze müssen noch bei Dunkelheit eingeholt werden, sonst befreien sich die Fische
Selbst die Uhrzeit, zu der gefischt werden dürfe, sei festgelegt. Eine Stunde vor Sonnenaufgang sei die frühestmögliche Zeit, aufs Wasser zu fahren. Dabei sei es wichtig, noch bei Dunkelheit die Netze einzuholen, denn: „Je heller es wird, desto aktiver werden die Fische.“ So könnten sich einzelne Tiere wieder aus den Netzen befreien. Daher ist er auch heute wieder pünktlich um 5 Uhr losgefahren.
Dank der GPS-Sender erreicht er schnell die erste Boje und damit auch sein erstes Netz. Seine Handgriffe sind routiniert. Zügig holt er Meter um Meter Netz ein. Der erste Fisch des Tages lässt auf sich warten und so hat er Zeit zu erzählen.
Knoblauch ist in vierter Generation Fischer
„Wir sind jetzt in der vierten Generation Fischer. Ich bin da sozusagen hineingewachsen“, beginnt er und schweigt kurz. Heute, so sagt er, sei es gar nicht mehr möglich, Bodenseefischer zu werden: „Es gibt nicht genug Fisch, um das Handwerk zu erlernen.“ Selbst habe er sein Angebot um Forellenzucht erweitert, damit in der familieneigenen Uhldinger Fischtheke, die er mit seiner Frau Heidi in Unteruhldingen betreibt, überhaupt genug Ware zum Verkauf stehe.

Er unterbricht seine Erzählung kurz, denn da ist der erste Fisch: ein Hecht. Er nimmt den Fang mit Humor. Eigentlich sind es Felchen, die hier ins Netz gehen sollen. „Immerhin gibt es was zu Mittag“, scherzt er und holt weiter das Netz ein. Kurze Zeit später ist es dann auch da, schimmert silbrig aus dem dunklen Wasser hervor: das erste Felchen. Kurz darauf folgt ein Zweites.
Fische schwimmen an der Oberfläche, aber dort können Schiffe die Netze beschädigen
Alle zehn Meter hängt außerdem ein sogenannter Schwimmer in den Maschen. „Damit kann ich die Höhe regulieren“, erläutert er. Aktuell müsste er die Netze eigentlich ganz an der Oberfläche treiben lassen. Denn dort finden die Fische um diese Jahreszeit Nahrung. Doch um das Risiko nicht einzugehen, dass Schiffe die Netze beschädigen, hält er einen Mindestabstand zur Oberfläche von zwei bis drei Metern ein.

Die Fische sind sehr dünn, da sie zu wenig Nahrung finden
Überhaupt seien die Fische sehr dünn. „Das ist die letzten beiden Jahre extrem geworden“, sagt er. Die Fische fänden kaum Nahrung. Begründen mag er diese Entwicklung nicht: „Da spielen zu viele Faktoren eine Rolle.“ Nur eins weiß er: So rechnet sich der Fischfang für seinen Berufszweig nicht mehr. Inzwischen dämmert der Morgen und tatsächlich ist weit und breit keiner seiner Kollegen zu sehen.
Besonders schwierig werde der Fischfang dadurch, dass sich die Fische auf der Suche nach Nahrung auf unterschiedlichen Höhen verteilten: „Früher schwammen sie meist auf einer Höhe, wo eben gerade das Plankton zu finden war. Danach konnte man sich richten.“

Auch mit 30 Felchen ist ein heute guter Fang im Vergleich zu früher sehr mager
Ein Dutzend Felchen und zwei Hechte sind der ganze Fang des Morgens. Dabei hat Knoblauch die Netze da gesetzt, wo ihm am Vortag ein größerer Fang gelungen war. Doch auch der war mit 30 Felchen – im Vergleich zu früheren Zeiten – sehr mager.
Gründe für den Rückgang des Fischbestands

Alexander Brinker, Leiter der Fischereiforschungsstelle Langenargen, fasst es so zusammen: „Es gibt viele Faktoren, die sich auf den Bodenseefischbestand auswirken. Positiv wirkt davon keiner.“
- Nährstoffarmut
Der derzeit relevanteste Faktor für den Rückgang des Fischbestandes ist der gesunkene Nährstoffgehalt des Sees. Fischnährtiere ernähren sich häufig von Algen, für die der Phosphatgehalt entscheidend ist. Dieser ist durch den Bau von Kläranlagen gesunken, denn Phosphat kam durch Abwässer in den See (wie Waschmittel, Fäkalien, Landwirtschaft). So finden die Fische weniger Nahrung, wachsen langsamer und können weniger Fette speichern.
- Invasive Tierarten
Als zweitwichtigsten Grund benennt Brinker die Zunahme der invasiven Kleinfischart des Stichlings seit 2012. Stichlinge stehen in Nahrungskonkurrenz zum Felchen und haben dessen Bestand inzwischen zusätzlich beinahe halbiert. In flachen Gewässern spielen außerdem Kormorane und weitere Fisch fressende Wasservögel eine Rolle. Sie entnehmen dem See hier sogar mehr Fische als die Berufsfischer. Dies betrifft Flachwasserfischarten wie Hechte und Barsche.
- Klimawandel
Während der Klimawandel noch keinen erkennbaren Einfluss auf den Gesamtbestand der Fische hat, hat sein Einfluss die Trüschen oder Quappen, die einzigen Süßwasservertreter der Dorschfamilie, im Bodensee beinahe ausgerottet. Die Fischereiforschungsstelle hat ein Forschungsprojekt zur Resilienz oder Widerstandsfähigkeit des Bodensees ins Leben gerufen, das ihn ganzheitlich und nicht nur im Kontext der Fischerei betrachtet: http://www.seewandel.org
- Neue Muschelart
Noch unklar ist, welchen Einfluss die Quaggamuschel nehmen wird, die sich massiv im See ausbreitet. Ob die Muschel keinen oder einen negativen Einfluss nimmt, wird derzeit beobachtet. Sicher ist derzeit nur eines: Eine positive Wirkung kann sie nicht haben. „Vorsichtig optimistisch“ stimmt Brinker die Tatsache, dass ihre Vorgängerin, die Zebramuschel, keinen negativen Einfluss hatte.