Martin Meichle, der Vorsitzende der Genossenschaft "Regiobodenseefisch", will die geplanten Felchenzucht-Gehege im Bodensee möglichst schnell errichten. "Noch vor dem Sommer wollen wir beim Landratsamt den Genehmigungsantrag für ein Pilotprojekt stellen", sagt der Hagnauer Fischer. Er hofft, noch dieses Jahr die Erlaubnis zu erhalten. Ist sie erteilt, sollen im Überlinger See, beim Teufelstisch nahe Wallhausen, zwei Netzgehege mit 20 Metern Durchmesser und rund 40 Metern Tiefe entstehen.

Meichle verhandelt derzeit mit norwegischen Herstellern von Netzgehegen. "Ihre Auftragsbücher sind voll, da ist unser Vorhaben nur ein Mikroauftrag, trotzdem hoffe ich, dass wir schnell weiterkommen", sagt er. Die Genossenschaft, die derzeit aus 15 Mitgliedern besteht, werde die Pilotanlage finanzieren. "Und mit wissenschaftlicher Begleitung können wir endlich sehen, ob es überhaupt Umweltauswirkungen gibt", beschreibt Meichle das auf rund zwei Jahre angelegte Projekt. Er rechnet nicht damit. Stattdessen sollen die Zucht-Felchen dafür sorgen, dass die Nachfrage nach dem Fisch wieder gestillt werden kann. Der Bedarf in der Region ist mit den Fängen aus dem Bodensee längst nicht mehr zu decken. In der Pilotphase sollen die zwei Gehege im Jahr rund 80 Tonnen Jahresertrag an Felchen bringen.

Im Winter sollen Vorbereitungen starten

Den Teufelstisch habe man als Standort deswegen gewählt, weil die Gehege dort weder Wassersport noch die Weiße Flotte behindern, so Meichle. Ein Endausbau der Anlage mit zwölf Netzgehegen würde nach erfolgreich abgeschlossener Projektphase 1,5 bis 2 Millionen Euro kosten und die Fläche zweier Fußballfelder einnehmen. Durch die erwarteten Erträge refinanziere sich die Anlage in zehn bis 20 Jahren, kalkuliert Meichle. Zu sehen sind von den Gehegen vor allem die Bojen und Ringe an der Wasseroberfläche, die die Netze in Form halten. Diese werden zudem am Seegrund verankert. Sollte die Genehmigung rasch erteilt sein, werden laut Meichle im kommenden Winter wilde Felchen abgefischt und aus ihrem Laich die erste Zuchtgeneration für die Gehege herangezogen. Diese sollen vor dem Einsetzen in die Gehege geimpft werden. 

Der Ministerpräsident ist dagegen, der Landwirtschaftsminister dafür

Die Felchenzucht im See ist extrem umstritten. Naturschutzverbände, Fischerverbände, Anliegergemeinden und Wasserversorger haben sich in der Vergangenheit klar gegen die Gehege ausgesprochen. Auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann ist ein Gegner der Haltungsform. Anfang des Jahres sagte der Grünen-Politiker bei den Naturschutztagen in Radolfzell, es dürfe "keine Experimente" geben. Landwirtschaftsminister Peter Hauk von der CDU sieht das allerdings anders, er argumentiert für die Felchenzucht. Im grün-schwarzen Koalitionsvertrag von 2016 steht dazu, dass man "auf eine nachhaltige Aquakulturinitiative am Bodensee" setze.

Als Argumente gegen die Zucht im See nennen Kritiker vor allem Umweltgefahren. Sie befürchten durch Futter und Kot der auf einen Ort konzentrierten Fischschwärme eine Verschlechterung der Gewässerqualität. Der Bodensee dient rund vier Millionen Menschen als Trinkwasserquelle. Zudem warnt etwa der Internationale Bodensee-Fischereiverband vor möglichen Krankheiten und davor, dass Felchen ihren Status als reiner Wildfisch verlieren. Der Verband fordert stattdessen, den Phosphat-Gehalt im See künstlich leicht zu erhöhen. So hätten die Felchen wieder mehr Nahrung, weswegen deren Wild-Bestand wachsen werde, so die Theorie. Politisch verfolgt wird diese Idee derzeit allerdings nicht mehr.

Aquakultur

Der Begriff Aquakultur bezeichnet alle Methoden, Wasserlebewesen wie Muscheln, Algen oder Fische zu züchten. Aquakulturen können eigens angelegte Fischteiche sein, sie kann aber auch Netzgehege in Meeren, Flüssen oder Seen stattfinden. Da die natürlichen Fischvorkommen längst nicht mehr die Nachfrage decken können, kommt weltweit mittlerweile rund die Hälfte des Speisefisches aus der von Naturschützern kritisierten Aquakultur. (dod)