Immer seltener sind Fischerboote zu sehen, die hinausfahren, um die Netze einzuholen. Seit Jahren gehen die Fangquoten am Bodensee zurück, vor allem die des Felchen, dem „Brotfisch“ am See. Gingen den Berufsfischern in den vergangenen 20 Jahren im Schnitt 500 bis 600 Tonnen Felchen in die Netze, so waren es 2015 gerade mal 150 Tonnen, im Jahr darauf gut 200. Nur von der Fischerei leben kann kein Betrieb mehr, auch wenn bis 2020 nur noch 80 am Obersee eine Lizenz dafür haben werden.

„Die Berufsfischerei gehört zur DNA des Bodensees und wir sind sehr daran interessiert, den Berufsstand zu erhalten und zu unterstützen“. Wolfgang Sigg ist Vorsitzender des Internationalen Bodensee-Fischereiverbandes und so etwas wie der oberste Interessenvertreter der Berufsfischer am See. Über das „Wie“ ist man sich selbst in den eigenen Reihen nicht einig. Die meisten wollen „einen sauberen See mit etwas mehr Nahrung für die Wildfische“, erklärt Elke Dilger, Vorsitzende der Badischen Berufsfischer. Am liebsten so, dass der See in Maßen gedüngt, der Phosphatgehalt leicht erhöht wird und somit das Nahrungsangebot für Fische wieder steigt.

Sorge vor industrialisierter Fischproduktion

Keine realistische Option für den größten Trinkwasserspeicher Mitteleuropas, der fünf Millionen Menschen täglich mit Frischwasser versorgt. Felchenzucht-Gehege passen der Zunft aber auch nicht in die Strategie. Die Fischmast sei ökologisch gefährlich und schade den Berufsfischern, die am Ende leer ausgehen könnten, wenn Aquakultur genehmigt und die Fischproduktion quasi industrialisiert würde.

Genau das planen aber einige Berufskollegen, die im Sommer mit Partnern die Genossenschaft „RegioBodenseeFisch“ gegründet haben. In zwölf Netzgehegen im Überlingen See mit je zwanzig Metern Durchmesser sollen jährlich etwa 500 Tonnen Felchen herangezogen werden. Diese Menge fehlt den Berufsfischern in etwa im Durchschnitt der Jahre als Wildfang in den Netzen. Sie wird aus dem Ausland importiert und am Bodensee verkauft; der Markt dafür ist da. Die Landesregierung sieht in der Aquakultur daher eine große Chance, die heimische Fischzucht am Bodensee nachhaltig zu fördern. Solch einem Feldversuch steht das Stuttgarter Landwirtschaftsministerium deshalb auch nicht abgeneigt gegenüber, selbst wenn das nach den Bodenseerichtlinien derzeit verboten ist. Sobald ein Antrag der Genossenschaft zum Betrieb einer Netzgehege-Anlage vorliege, werde dieser fachrechtlich geprüft, teilte eine Sprecherin des Ministeriums auf Anfrage mit.

Doch dagegen laufen nicht nur die meisten Berufsfischer, sondern auch Wasserschützer, Naturschutzverbände und Politiker in der Region Sturm. 32 Organisationen aus Deutschland, Schweiz und Österreich fordern von Landwirtschaftsminister Peter Hauk in einem offenen Brief, die Felchenmast in Netzkäfigen im Bodensee nicht weiter zu unterstützen. Die Internationale Gewässerschutzkommission (IGKB) sieht nicht einmal den Bedarf für eine fachliche Prüfung der Aquakultur, obwohl die ökologischen Auswirkungen – Wassertrübung, Nährstoff- und Keimzahl, Sauerstoffzehrung – auf den Bodensee vor allem im unmittelbaren Umfeld solcher Netzgehege nicht geklärt sind.

Zumindest in puncto Fütterung der Zuchtfelchen seien „die ökologischen Auswirkungen auf die Umgebung als sehr gering einzustufen“, steht in einem Bericht, der im Mai dem Landtag vorgelegt wurde. Der zusätzliche Phosphoreintrag wäre demnach minimal, auch das Risiko von Fischkrankheiten reduzierbar.

Trotz vieler ungeklärter Fragen will der Kreistag des Bodenseekreises der Aquakultur im See vor der eigenen Haustür einen Riegel vorschieben. Mehrheitlich beschloss das Gremium, die Landesregierung solle sich dafür starkmachen, Netzgehege auch nicht zu Testzwecken zuzulassen. Stattdessen könnte die Aquakultur außerhalb des Bodensees – also mit Seewasser an Land – auf ihre ökologische Verträglichkeit hin geprüft werden. Trinkwasserspeicher und Fischzucht: „Beides zusammen geht eben nicht“, meint SPD-Fraktionschef Norbert Zeller.

Beispiel Finnland

Landwirtschaftsminister Hauk besuchte kürzlich eine große Felchenzuchtanlage in Finnland. Er besichtigte die staatliche Forschungsstation Tervo und eine kommerzielle Felchenzucht bei Kuopio. Die Netzgehege dort werden „ohne merkliche Umwelteinflüsse“, so das Ministerium, erfolgreich betrieben. Der Besitzer der Anlage habe berichtet, dass in 15 Meter Entfernung zu den Gehegen eine amtliche Wasserprobestelle bestehe, die die Nährstoff- und Keimbelastung ermittle. Dabei würden keine Auswirkungen der Fischerzeugung gemessen. In 25 Jahren hätten auch noch nie Antibiotika eingesetzt werden müssen.