Können Menschen mit geistigem Handicap fit gemacht werden für eine Anstellung in der Gastronomie oder im Hotelbetrieb? Diese Frage sollte ein am 30. September 2007 gestartetes Experiment der neu gegründeten Akademie im Hofgut Himmelreich in Kirchzarten mit neun jungen Menschen klären, begleitet von den Kameras des Filmfaktum Ganterfilm. Rund elf Jahre später wird das Ergebnis des Experiments durchleuchtet. Einer der Teilnehmer des Pilotprojektes ist Winfried Müller, Mitarbeiter des Hotels "Fridolin" in Bad Säckingen. Er war der erste Mitarbeiter mit Handicap, der eingestellt wurde. Seinen Werdegang und den der übrigen Teilnehmer des Projektes zeigt der Film „Utopisches vom Himmelreich? Inklusion im irdischen Arbeitsleben“, am Montag, 3. Dezember, um 16 Uhr, in der Kapelle des Hotel "Fridolin".

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Die 15 Mitarbeiter der Awocado Integrationsbetriebe Gemeinnützige GmbH, mit den Bad Säckinger Hotels "Fridolin" und "Rheinsberg", sind der beste Beweise dafür, dass eine Inklusion möglich ist. Darunter der 33-jährige Winfried Müller: Seit fast zehn Jahren arbeitet er im Hotel "Fridolin", ist zuständig für Housekeeping, Service, Unterstützung der Rezeption und Gästeempfang, manchmal kocht er. In der Kindheit wurde bei Müller eine geistige Behinderung diagnostiziert, er besuchte die Laufenschule für geistig behinderte Kinder in Laufenburg.

Dank Pilotprojekt ins Arbeitsleben

Nach dem Abschluss stellte sich für ihn die Frage, wie es weiter geht. Zur Werkstätte für Menschen mit Behinderung in Wallbach wollte er nicht, unterstützt von seiner Klassenlehrerin: „Du bist zu fit für die Werkstatt.“ Müller absolvierte verschiedene Praktika, kam mit rund 20 Jahren zur Akademie Himmelreich, nahm am ersten Kurs des Pilotprojektes zur möglichen Inklusion von Menschen mit geistigem Handicap im Arbeitsleben teil. In der rund 18 Monate dauernden Ausbildung sollten Müller und acht weitere Menschen mit geistigem Handicap fit für den Arbeitsmarkt in Hotelerie oder Gastronomie gemacht werden.

Alles war neu

Während eines Inklusionsworkshops lernten sich Nils Bosley, heute Geschäftsführer der Awocado, die zu jener Zeit im Aufbau war, kennen. Müller bewarb sich beim Hotel "Fridolin" und blieb, bis heute. „Keiner wusste, ob das Experiment funktionieren würde, alles war neu. Zuerst dachte ich, das ist ein Abenteuer, ich konnte es nicht einschätzen, da ich zuvor nie mit Behinderten gearbeitet hatte“, so Bosley.

Familiäres Verhältnis im Hotel "Fridolin"

Der Chef und die 15 Mitarbeiter mit Handicap pflegen ein familiäres Verhältnis, doch trotz der Behinderungen muss der Hotelbetrieb wie am Schnürchen laufen: "Ohne dass wir wirtschaftlich erfolgreich sind, kann Inklusion nicht funktionieren. Daran scheitern viele Inklusionsbetriebe, dass sie zu idealistisch denken“, sagt Bosley. Er schätzt an seinen Mitarbeitern mit Handicap besonders die ehrliche, herzliche Wesensart, die Direktheit, Authentizität, ohne sich zu verstellen: „Sie zeigen ihre Emotionen. Es ist eine Herzenswärme, die einem manchmal überfordert“, sagt er. „Doch die Gastronomie ist eine Branche, die vom Menschlichen abhängt. Andere Arbeitnehmer sollten dies als Chance entdecken“, rät er.

Das Experiment ist gelungen

Für Bosley ist das Experiment gelungen – auf beiden Seiten: „Die Mitarbeiter sind unser Kapital, mit ihnen kann man langfristig planen. Bei der Akademie bekamen sie das Rüstzeug, um auf dem ersten Arbeitsmarkt zu bestehen.“ Auch für Winfried Müller hat sich das Wagnis gelohnt: „Ich führe ein Leben, wie ich es mir vorgestellt habe, mit geregeltem Einkommen, eigener Wohnung, ich habe im Job meine Freundin kennengelernt.“