Bernau – Peter Hahn und Jürgen Stich betreiben ein gewaltiges, nichtkommerzielles Projekt rund um den Berliner Stadtteil Friedenau, der bis 1920 eigenständige Gemeinde war. In Hunderten Beiträgen schildern und erläutern die Autoren die Lebensläufe historischer Persönlichkeiten und Ereignisse mit Bezug zum Stadtteil Friedenau, etwa, über Bildhauer Ernst Barlach, Komponist Ferruccio Busoni oder zur Mansarde, in der sich die Comedian Harmonists gegründet haben.
Ein Artikel beschäftigt sich auch mit Professor Emil Rudolf Weiß. Demnach war der 1875 geborene Lahrer 1907 nach seinem Studium an der Kunstgewerbeschule in Karlsruhe, unter anderem bei Hans Thoma, an die Unterrichtsanstalt des Berliner Kunstgewerbemuseums berufen worden. Mit seiner ersten Frau Johanna Schwan wohnte er in Friedenau. Weiß machte schnell Karriere, wurde 1908 in die Jury der Berliner Sezession gewählt und 1909 Professor an der Berliner Kunstgewerbeschule. 1922 erfolgte seine Aufnahme in die Preußische Akademie der Künste. Als Buch- und Schriftgestalter hat er für namhafte Verlage gearbeitet. Den Nazis war der bildende Künstler und Dichter nicht genehm. Im April 1933 verlor Weiß sein Lehramt, im Februar 1934 wurde Weiß‘ zweite Ehefrau, die Bildhauerin Renée Sintenis, zum Austritt aus der Akademie der Künste gezwungen. Emil Rudolf Weiß und weitere Mitglieder erklärten daraufhin 1937 ihren Austritt.
Im Jahrbuch 2023 der Hans-Fallada-Gesellschaft schreibt Wolfgang Behr in seinem Aufsatz „Hans Fallada und der Buchkünstler Emil Rudolf Weiß“, dass Weiß viele Sommer in Bernau verbracht habe. Weiß habe hier auch Bernauer Ansichten gemalt und gezeichnet, unter anderem im Archiv des Hans-Thoma-Kunstmuseums in Bernau befinden sich zwei dieser Ölgemälde, teilt Museumsdirektorin Margret Köpfer mit. In seinen letzten Lebensjahren bis zu seinem Tod am 7. November 1942 hatte Weiß in Meersburg gelebt und seine Urne in Bernau bestattet.
Erfahren haben Peter Hahn und Jürgen Stich von der Existenz der Grabstätte in Bernau über ein altes Foto von 1958, das sie Mitte 2023 erhielten. Sie nahmen Kontakt zur Gemeinde Bernau auf. Es gibt das Grab noch. „Nachdem uns die Gemeinde die Sanierung erlaubt hatte, haben wir eine Geldsammelaktion gestartet.“ Mit dem Bernauer Edelbert Wasmer habe man dann einen Steinbildhauer gefunden, dessen Vorschläge voll überzeugt hätten. Im März trafen sich die Berliner mit Wasmer am Grab. Die Grabplatte von E.R Weiß sei zum Zeitpunkt des Treffens völlig überwachsen gewesen und die weiße Schrift unleserlich, berichtet Wasmer bei einem Vor-Ort-Termin. Wetterbedingt dauerte die Restaurierung rund ein halbes Jahr. Bedauerlich sei, so das Berliner Autorenteam, dass die Gemeinde Bernau sich nicht in der Lage sieht, die Pflege für das Grab zu übernehmen.