Bernau – Jetzt, im Advent, ist mit der Weihnachtsbäckerei in der Backstube und im Verkauf eine der turbulentesten Zeiten des Jahres. Nicht, dass es da sonst ruhig wäre. An Samstagvormittagen stehen die Kunden manchmal bis vor die Tür hinaus Schlange, um sich bei der Familie Stoll fürs Wochenende mit Backwaren einzudecken. Ihre Bäckerei hat einen Ruf weit über Bernau hinaus. Jahrzehntelang hat Theo Stolls Tagwerk in der Früh um 3 Uhr begonnen, jetzt ist er froh, den Betrieb ab dem neuen Jahr in jüngere Hände legen zu können.
Es ist dasselbe Gebäude in Bernau, in dem schon seine Vorfahren gelebt und Brot gebacken haben. In der Hauptsache seien die Stolls Landwirte gewesen mit rund 15 Rindern, was in ihrer Zeit viel gewesen sei, und einem großen Kartoffelacker. Auch ein Holzfuhrbetrieb habe zur Wirtschaft gehört. Zahlreiche Knechte und Mägde lebten teils mit im Haus.
Wann die Urväter und Urmütter damit angefangen haben, neben der Landwirtschaft auch Brot zu backen, kann er nur schätzen: irgendwann um das Jahr 1780 herum. Im weitläufigen und damals dünn besiedelten Bernauer Tal habe es in mehreren Ortsteilen Brotstationen gegeben, an denen Kunden ihre Bestellungen abholen konnten. Ausgefahren wurden die Backwaren mit betriebseigenen Pferdefuhrwerken. Das Brotsortiment sei aber wahrscheinlich eher bescheiden gewesen, vermutet Theo Stoll. „Die alten Rezepte gibt es zum Teil sogar noch, aber sie sind im Lauf der Zeit natürlich ständig verändert worden“, erzählt er.
Theo Stoll selbst hatte den Bäckerberuf bei seinem Vater gelernt und eine Konditorlehre angeschlossen: „Das war im Café König, damals eine der führenden Konditoreien in Baden-Baden.“ Dort habe man nur mit natürlichen Rohstoffen gearbeitet – eine Linie, der Theo Stoll auch nach seiner Rückkehr in die heimische Bäckerei in Bernau treu geblieben ist.
Das war im Jahr 1978. Als er 1983 die alleinige Geschäftsführung der Bäckerei Stoll übernahm, habe er vieles auf den Kopf gestellt, erzählt er. Teils schuf er neue Rezepturen und führte auch die Schnitzer-Brote, gebacken mit Vollwertmehl aus ökologischer Landwirtschaft, ins Sortiment ein. „Da war viel Idealismus dabei“, erzählt er. Auf chemische Zusatzstoffe oder Backhilfen verzichtet er auch heute noch und vermutet, dass ein Teil seiner Kundschaft dies besonders schätze.
Anfang der 1950er-Jahre sei der Betrieb um das Café erweitert worden, und mit dem aufkommenden Fremdenverkehr habe es zunehmend an Bedeutung gewonnen. Reisebusse steuerten das Hans-Thoma-Tal an. „Auf den touristischen Schwarzwaldrundfahrten stand auch ein Besuch des Hans-Thoma-Museums auf dem Programm, da lag ein Besuch im gegenüberliegenden Café natürlich nahe“, erzählt Theo Stoll.
Mit seiner Frau Petra kam bedeutende Unterstützung in den Betrieb. Die Fremdsprachenkorrespondentin und Theo Stoll hatten sich im Bernauer Musikverein kennengelernt und waren sich schnell einig geworden, wurden bald ein Ehepaar. Als Fremdsprachenkorrespondentin hatte Petra in dieser Zeit bei der Firma Lauffenmühle in Lauchringen gearbeitet. „Doch dann ist die Liebe zu einem Bäcker dazwischengekommen“, sagt sie. Petra Stoll entschloss sich, in den Bäckereibetrieb einzusteigen. Ihre Fremdsprachenbeherrschung war eine Hilfe, sie führte das Büro und sorgt bis heute für die Dekorationen des Ladengeschäfts. Im Jahr 2010 haben die Stolls auch einen Onlineshop eingerichtet.
Nun ist das Ehepaar froh, den Betrieb in jüngere Hände legen zu können. Ihre Nachfolger, die Konditormeisterin Sandra Frank und ihr Lebensgefährte Kevin Schmidt, wollen den Betrieb so weiterführen, wie Kunden das bisher bekannt ist.