Bernau – Undine Remmes ist im Sitzungszimmer des Rathauses Bernau zu Gast gewesen. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin der Badischen Landesbibliothek hielt zum Hans-Thoma-Jubiläumsprogramm einen Vortrag über die Briefe von Hans Thoma. Remmes ist mit der digitalen Aufarbeitung und Übertragung von Thomas Korrespondenz im Landesarchiv betraut. In Bernau berichtete sie über ihre Vorgehensweise und die bisherigen Erkenntnisse zu Person und Werk.

Briefe stellen laut Remmes eine hochinteressante Quelle bei der Betrachtung einer Persönlichkeit dar. Gerade vor dem Hintergrund der Antisemitismusvorwürfe Thoma gegenüber verspricht die Entschlüsselung der teilweise schwer lesbaren Schrift neue Erkenntnisse. Der vielfältige und ausgedehnte Briefwechsel könnte wichtige Einblicke in den „Spiegel der Seele“ bieten, wie Remmes den Briefwechsel charakterisierte. Der Fokus ihrer Arbeit liege hauptsächlich auf der Übertragung und dem Spannungsfeld zwischen öffentlicher und privater Person. Deshalb werde sie zur Antisemitismus-Diskussion keine Aussagen treffen.

Das Landesarchiv ist im Besitz von 1300 Briefen, Notizbüchern, Manuskripten und weiteren Dokumenten Hans Thomas auf rund 7500 Seiten, die viel über dessen Arbeitsweise und Netzwerk verraten dürften. Die Texterkennung mittels KI-gestützter Software, an der Undine Remmes arbeitet, ist auf ein Jahr terminiert. Alle bisher transkribierten Dokumente sind über den Internetauftritt der Landesbibliothek einsehbar.

Hans Thomas Nachlass beinhalte heterogenes Material unterschiedlicher Schreiber und etliche Arten von Schriftstücken, sowohl persönlicher als auch offizieller Natur. Einen großen Arbeitsaufwand bedeute das Erstellen einer auf die Erkennung von Thomas Schrift trainierten Softwareversion. Immerhin liege die Fehlerrate aktuell bei lediglich sechs Prozent. Das bedeute, dass bei der Überprüfung der von der KI übertragenen Handschriftenseiten bei sechs Prozent des Textes ein weiterer manueller Eingriff notwendig ist, um eine sinnvolle und sachlich korrekte Übertragung zu erhalten.

Undine Remmes betonte, dass aus Thomas Briefen eine tiefe Religiosität, unabhängig von einer konfessionellen Einordnung, spreche, ebenso die enge Verbundenheit mit der dörflichen Heimat und der Landschaft. Bewegend für Thoma seien zudem die Reisen nach Italien gewesen und auch von großem künstlerischen Einfluss durch die dortige Renaissancemalerei. Große Bedeutung hätten für Thoma auch Freundschaften gehabt. Neben dem Kontakt zum Wagnerkreis, der Thoma zu künstlerischer Anerkennung verhalf, zeuge die Korrespondenz von etlichen Künstlerfreundschaften. In einem Brief aus dem Jahr 1921 bekennt Thoma sich zum Glauben an eine unvergängliche Seelensympathie, die auch über Zeiten mit wenig Kontakt hinweg verbinde.

Thoma hinterfragte zeitlebens seine Werke und verlor den Betrachter seiner Bilder bei der Einschätzung seiner Kunst nie aus dem Blick. Trotz massiver Kritik, die ihm zu Beginn seiner Laufbahn etwa aus Karlsruhe entgegenschlug, blieb er seinem eigenen Kunstverständnis stets treu. Dies könne man, so Remmes, deutlich aus der Korrespondenz herauslesen.

An den Vortrag schloss sich eine angeregte Fragerunde der Besucher an. Bei der Frage nach Thomas Äußerungen zu modernen Stilrichtungen seiner Zeit erklärte Undine Remmes, Thoma habe sich durchaus kritisch und sehr unterschiedlich allen Stilen gegenüber geäußert, egal ob alt oder neu. Thoma war Professor in Karlsruhe, hatte zwei Ehrendoktortitel und einen als Ehrensenator und erhielt auch diverse Orden. Zu einer Frage nach dem Umgang mit seinen etlichen Titeln berichtete Undine Remmes, Thoma habe all diese Titel ausschließlich in hochoffiziellen Schreiben benutzt. Trotz seiner großen Erfolge sei der private Briefwechsel nach dem Tod seiner Frau eher von Schwermut gezeichnet, im Gegensatz zur Lebensfreude früherer Jahre. In einem Brief von 1912 bezeichnet Thoma, Familienmensch, der er immer war, die Ehe als Paradiesfrieden, ihm aber seien nur die Arbeit und der Freundeskreis geblieben.