Bernau – Die Diagnose „Asperger-Syndrom“ bekam die Familie von Victor, als er kurz vor der Einschulung stand. Erst war bei ihm noch ein Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADS) vermutet worden. Mit der neuen Diagnose begann der lange Kampf der Maiers um eine adäquate Ausbildung ihres Sohnes, auch heute noch müssen sie mitunter Kämpfe ausfechten, um Victor Maiers Möglichkeiten auszuschöpfen, sein Leben zu gestalten. „Ich habe gelernt, Gutachten zu misstrauen, und ich möchte Betroffenen Mut machen, sich nicht alles gefallen zu lassen“, sagt Ute Maier. Gleich mehrere Gutachten hatten prognostiziert, dass Victor nicht in der Lage sein würde, einen Hauptschulabschluss zu machen. Tatsächlich hatten die Eltern ihren Sohn ein Jahr länger warten lassen, um ihm etwas mehr Zeit zu geben bis zur Einschulung. Als seine zukünftige Lehrerin für die erste Klasse aber gleich den Vorschlag machte, ihn auf eine Förderschule zu schicken, wehrten sie sich und schulten ihn nach einem Besuch bei einem anthroposophischen Schularzt in Basel in der Freien Waldorfschule in Dachsberg ein. Dort absolvierte er die ersten fünf Klassen. Als in dieser Zeit die Klassengröße immer mehr zunahm, wuchsen Victors Probleme. Schließlich setzte die Familie gegenüber dem Schulamt durch, dass er in ein Internat am Bodensee wechseln konnte, wo er 2013 den Hauptschulabschluss machte, dem er ein Berufsorientierungsjahr in Überlingen anschloss.
Als Victor den Realschulabschluss anstrebte, hatte er das Glück, eine Schulbegleiterin zu finden, die ihn nach Kräften unterstützte. Er meldete sich an der Wirtschaftsschule an, erlangte 2016 dort die Mittlere Reife und machte danach in Waldshut 2018 sein Fachabitur. „Damit bin ich gleich an mehreren Schulen ein Präzedenzfall geworden“, erklärt er. Und nochmals hatte Victor Maier Glück, so schildert er es weiter. Seine Klassenlehrerin auf dem Berufskolleg habe erkannt, was er könne, und ihm geholfen, ein Praktikum bei ihrem Bruder auf dem Finanzamt zu bekommen, wo es ihm gleich gut gefiel. Sein dortiger Ausbildungsleiter habe sich auf ihn einlassen können. Seit vier Jahren arbeitet er nun bereits in seinem Beruf.
Seine Mutter spricht von einer Persönlichkeitsvariante. Seine Art macht sie an Beispielen deutlich. Mit fünf Jahren etwa habe er ein Vogelbuch geschenkt bekommen. Daraufhin fragte er immer wieder interessiert nach all den Vogelnamen und konnte sie bald auswendig, samt der zugehörigen Eier und Küken. Heute habe er eine derart große Allgemeinbildung, dass sie ihn frage, wenn sie etwas wissen wolle. Und auch mit Zahlen umzugehen, sei eine seiner Stärken.
Elterninitiative: Informationen und regelmäßige Treffen gibt es bei der 2009 gegründeten Elterninitiative Autismus Hochrhein unter info@autismus-hochrhein.de