Bonndorf Marlon Jost geht gern einkaufen. Allerdings könne er seiner Frau nie genau sagen, wann er zurück kommt, berichtet er. Nicht etwa, weil er sich zwischen den Supermarkt-Regalen verzetteln würde – sondern weil er in der Öffentlichkeit stets Bekannte trifft. Und wie das so ist: Etliche haben Redebedarf. Und Jost ist keiner, der dann nicht zuhören würde. „Bürgernähe habe ich mir zum Thema gemacht“, sagt er im Gespräch mit dieser Zeitung als einen seiner ersten Sätze. Wir sitzen am Besprechungstisch im Bürgermeister-Büro des Bonndorfer Rathauses, in jenem Gebäude, in dem Marlon Jost vor fast genau 40 Jahren seine berufliche Laufbahn mit einer Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten begonnen hat. Das war am 2.¦August, das weiß Marlon Jost noch genau, der 1.¦ August 1985 war ein Sonntag.
Nach seiner Ausbildung hat Jost mannigfaltige Erfahrungen in Rathäusern gesammelt; er hat an der Verwaltungs-Fachhochschule in Kehl das Diplom eines Verwaltungswirtes erworben, in Klettgau auf dem Hochbauamt gearbeitet, er ist Kämmerer in Blumberg und Stühlingen gewesen und nach einer Weiterbildung in Stuttgart zum kommunalen Energiemanager leitete Marlon Jost seit 2018 das Amt für Umwelt und Klimaschutz in Blumberg.
2021, bei der Bürgermeisterwahl, trat er in seiner Heimatstadt gegen vier starke Gegner an – und sackte im ersten Wahlgang mit 52,1 Prozent die absolute Mehrheit ein. Eine Überraschung, auch für den neuen Amtsinhaber selbst. „Ich habe gehofft, es im ersten Wahlgang zu schaffen, aber nicht daran geglaubt“, sagte er damals. Vier Jahre ist das her, die Wahlperiode ist zur Hälfte um – Zeit für eine Zwischenbilanz. Ist der Job des Bürgermeisters so, wie Sie sich das vorgestellt hatten, Herr Jost? Der Chef im Bonndorfer Rathaus, inzwischen 60 Jahre alt, winkt lässig ab. „Ich habe so viel Erfahrung in der Verwaltung, ich kannte schon alles“, sagt er. Diesen Satz wird er später korrigieren.
Doch zunächst betont Jost seine Freude am Job: „Es macht einfach Spaß, mit den Leuten zu sprechen.“ Auch wenn er nicht immer alle Erwartungen erfüllen kann. „Viele denken ja, der Bürgermeister müsste alles wissen“, stellt er fest, amüsiert über die stets hohen Ansprüche und das programmierte Scheitern daran. Dennoch, gerade die geforderte Vielseitigkeit liege ihm. Und dass man mit kleinen Dingen viel bewegen könne. Und falls nicht, sei das oft kein Problem. „Es geht ja gar nicht immer um Lösungen“, sagt Jost. „Manchmal reicht es, einfach miteinander zu reden.“
Es sei jedenfalls viel passiert in Bonndorf in den vergangenen vier Jahren, sagt Jost, nennt die gerade auf den Weg gebrachte Erweiterung des Gewerbegebiets „Im Breitenfeld¦IV“, die vergrößerten Kapazitäten der Kindergärten. Er verweist auf neue Feuerwehrfahrzeuge, die während seiner Amtszeit angeschafft oder bestellt wurden. Eine positive Entwicklung habe die Sanierung des Schlosses genommen. Dass die Mängel in Brandschutzmaßnahmen die Nutzung der Räume zunächst eingeschränkt hätten, habe sich letztlich als günstig erwiesen: Das habe die Sanierung beschleunigt, sagt Jost, Stadt und Landkreis Waldshut hätten an einem Strang gezogen, auch finanziell.
Der Einzelhandel sei zufrieden, das habe er am verkaufsoffenen Sonntag feststellen können. Als Errungenschaft bezeichnet Jost es, dass Bonndorf eben keinen zentralen Einkaufsort habe, sondern beispielsweise Supermärkte an beiden Ortsausgängen mit kleinen Einzelhändlern dazwischen. Das verringere den Autoverkehr in der Stadt. Dass der vielen Einwohner ohnehin zu viel ist, weiß Jost, gibt aber zu bedenken, dass er Kundschaft bringe.
Aktuell macht er sich Gedanken darüber, wie es mit der geplanten Klärschlamm-Verbrennungsanlage zur Abscheidung von Phosphor weitergeht. Die heftige Diskussion dreht sich um das Gewinnen des wertvollen Phosphors, Erzeugung billigen Stroms, um Gewerbesteuereinnahmen einerseits – und andererseits um das Risiko, dass sich durch Verbrennen von Klärschlamm gefährliche chemische Verbindungen, sogenannte PFAS, in der Umgebung anreichern. Marlon Jost hofft, dass die Wissenschaft zeitnah klare Hinweise gibt. Das ist auch die Stelle, an der sich Jost korrigiert in seinem Satz, dass er alles schon kannte. „Eines habe ich gelernt“, gibt er zu. „Bürgerbeteiligung stößt irgendwann an Grenzen.“ Man könne die Bürger ihre Argumente austauschen und jeden ausführlich reden lassen. „Aber am Ende muss eine Entscheidung gefällt werden. Die eine Hälfte geht dann enttäuscht nach Hause.“
Und wie geht es weiter? Vor seiner Wahl hat Jost noch von Visionen gesprochen. Doch jetzt setzt er auf realistische Einschätzungen der Zukunft. „Alles was wir machen, hängt von unseren Finanzen ab“, erklärt er, wie etwa beim Neubaugebiet Mittlishardt, von dem Pläne schon in der Schublade liegen – aber da wird allein das Regenrückhaltebecken 1,7 Millionen Euro kosten.
Und: Tritt Marlon Jost noch einmal als Bürgermeister an? „Darüber zu reden“, findet er, „ist es noch zu früh.“