Bonndorf Der Milchbauer der Wolls war schuld. Bis 1968 oder 1969 hatte dessen Familie Palmen für die Bonndorfer Pfarrgemeinde geflochten, dann suchten sie händeringend nach einem Nachfolger. Wolls Eltern erklärten sich bereit und der damals neun- oder zehnjährige Sohn sofort mit großem Eifer beim Sammeln von Reisig und beim Flechten von Girlanden und Reisigkugel dabei.

Im meterhohen Schnee habe man im ersten Jahr das Reisig aus dem Wald holen müssen, erinnert sich der heute 66¦Jahre alte Geschäftsführer eines Garten- und Landschaftsbaubetriebs am Ortsausgang Richtung Grafenhausen. Und gleich mal kräftig daneben gelangt. Fichtenreisig brachten die Wolls nach Hause, was im Gegensatz zu Weißtannenreisig für den Palmenbau komplett ungeeignet ist, wie sie sich von ihren Vorgängern belehren lassen mussten. Es sollte nicht die einzige Panne bleiben: „In den 1970er-Jahren ist mir der fünf Meter hohe Palmbaum direkt vor der Kirche in zwei Teile gebrochen“, kann sich Woll heute amüsieren. Damals war dem jungen Mann das so peinlich, dass er die zwei Teile vor der Kirche liegen ließ.

In jedem Ort sind die Palmbäume, mit denen die Christen an den Einzug von Jesu in Jerusalem erinnern und zugleich die Karwoche einläuten, anders gestaltet. Bei den Wolls ist die Stange in den Bonndorfer Stadtfarben Blau und Weiß gehalten. In fünf Meter Höhe findet sich eine Reisigkugel, den Palmbaum schmücken Reisiggirlanden, ein Kelch mit Hostie, Krepppapierrosen, und ganz oben ein kleines Tännle.

„Früher standen einmal 18 oder 20¦Palmen in der Kirche. Heute sind es drei oder vier“, sagt Woll. Und schüttelt den Kopf darüber. Er erzählt von den Maier-Buben, deren Palmbäume einst die größten in der Gemeinde waren. Sieben oder acht Meter lang seien deren Stangen gewesen, die Bäume ragten bis ans Dach des Kircheninneren. Woll war als Kind Ministrant und ist seit Jahrzehnten in der Kolpingfamilie aktiv. „Etwa 30 Leute gehen heute noch in der Kirche. Und wenn man deren Altersdurchschnitt sieht, kann man sich ausrechnen, wie lange es noch geht, bis die Kirche leer ist“, sagt Woll. Er macht eine kurze Pause. „Es ist beschämend. Aber die Kirche hat auch viel falsch gemacht“, sagt er dann. Das sei nicht überall so. Wolls Gedanken schweifen ab in die Gemeinde Neustift im Stubaital, die er regelmäßig besuche. Dort sei bei den großen Prozessionen, etwa dem Hohen Frauentag (Mariä Himmelfahrt) der ganze Ort auf den Beinen.

Jakob (5) und Hannes (3) schauen beim Opa vorbei, holen sich den Segen für einen Schluck Spezi ab und brechen bald wieder auf Abenteuersuche Richtung Garten auf. „Ihretwegen mache ich das Ganze noch“, sagt Woll. Wegen der fünf Kinder seiner beiden Kinder ist die ganze Familie am Palmenbau, Wolls Ehefrau Erika steht mit der Tochter im Garten und bindet einen Reisigkranz.