Frau Heim, alle Veranstaltungen im Schloss Bonndorf sind bis auf weiteres abgesagt oder verschoben. Haben Sie Hoffnung, in dieser Saison im Schloss Bonndorf wieder in den Kulturbetrieb einsteigen zu können?
Ja, die Hoffnung haben wir und wir halten uns auch tapfer daran fest. Wir haben bis Oktober ein Programm konzipiert. Die Krise fordert unsere Flexibilität und Kreativität heraus. Wir werden auf jeden Fall nach Lösungen suchen, notfalls auch andere Wochentage, nicht nur das Wochenende, für Veranstaltungen ins Auge fassen. Trotzdem kann es natürlich vorkommen, dass wir den einen oder anderen Programmpunkt ersatzlos streichen müssen, weil wir keine geeigneten Termine mit den Künstlern finden.
Wie gehen Sie mit den Künstlern um? Werden diese entsprechend der Entwicklung kurzfristig abgesagt oder bereits pauschal bis zu einem bestimmten Datum im Jahr?
Vorerst haben wir nur die Veranstaltungen bis Mitte Mai abgesagt. Wir müssen jeweils auf die vielzitierte dynamische Entwicklung in der Corona-Krise reagieren. Vorhersagen zu machen, war schon immer schwierig, nun ist es unmöglich geworden. Ich habe den Eindruck, alle können im Moment nur noch von Tag zu Tag planen.
Gibt es Rückmeldungen der Künstler auf Absagen und wie fallen diese aus?
Alle, mit denen ich bisher gesprochen habe, verstehen es. Sie haben nichts anderes erwartet. Der Medizinethiker Giovanni Maio, der am 5. April im Rahmen der Dahrendorf-Lecture über ethische Fragen in der modernen Medizin sprechen wollte, hat mir versichert, dass er auch zu einem späteren Zeitpunkt sehr gerne nach Bonndorf kommt. Ich hatte mich im Vorfeld lange mit ihm unterhalten und ich finde, seine Gedanken über die Menschlichkeit in der Medizin sind wichtiger denn je. Deshalb setze ich alles daran, dass Professor Maio zu einem anderen Zeitpunkt im Schloss zu hören ist. Einige Konzertagenturen fragen bereits an nach Ausweichterminen. Im Moment ist die Planung für mich aber schwierig.
Denken Sie daran, die abgesagten Veranstaltungen in der nächsten Saison nachzuholen?
Das ist sicherlich auch eine Option, aber nicht jede Veranstaltung eignet sich dazu. Ich möchte auch ein möglichst aktuelles Programm machen. Von den Terminschwierigkeiten mit den Künstlern gar nicht zu reden.
Welche finanziellen Belastungen entstehen dem Landkreis und der Stadt Bonndorf durch die Absagen?
Das will und kann ich noch nicht beziffern, vielleicht geht am Ende ja alles gut aus. Wir sind noch am Abklären, was wir überhaupt zahlen müssen. Für die Stadt Bonndorf sehe ich keine Ausfälle. Im Übrigen ist es so: Ich bekomme ja vom Kreistag ein Budget bewilligt, somit ist die Bezahlung gedeckt, und es entstehen keine zusätzlichen Belastungen. Der größte Schaden liegt folglich darin, dass wir etwas gekauft haben, was wir nicht „vorführen“ können. Wie gesagt, wir klammern uns noch an den Satz „aufgeschoben ist nicht aufgehoben“.
Wie fühlt es sich für Sie an, wenn viel Arbeit, die in das Jahresprogramm gesteckt wurde, mit einem Schlag Makulatur wird?
Meinem Team und mir geht es wie allen Kulturveranstaltern im Landkreis: Wir sind enttäuscht. Ich spreche auch für meine Kolleginnen und Kollegen in den Gemeinden, mit denen ich in Kontakt stehe: Wir hängen alle sehr viel Herzblut rein, und dann kommt solch ein Schlag in die Magengrube. Ich glaube, das ist ein Gefühl, das derzeit alle kennen. Aber wir stecken das weg und suchen nach Lösungen.
Wie sieht die mittel- und langfristige inhaltliche Entwicklung des Schlossprogramms aus?
Das Programm 2020 steht für einen weiteren Schritt nicht nur der inhaltlichen Öffnung, sondern auch der Öffnung für viele Menschen und ihre Interessen. Als Symbol dafür haben wir das Programmheft mit einem offenen Fenster gestaltet. Es ist eine Einladung, einzutreten – gerade auch an jene, die bisher am Schloss vorbeigelaufen sind, aus welchen Gründen auch immer. Damit will ich sagen: Wir werden weiterhin Musik, Literatur und Kunst im Schloss präsentieren. Doch wir folgen keinem festgeschraubtem Kulturbegriff. Wir wollen gesellschaftliche Entwicklungen, Trends, Zeitgeistthemen in unserem Programm widerspiegeln. Schloss Bonndorf soll ein Ort sein, wo Kultur gepflegt wird, aber auch ein Ort, wo Innovatives, auch mal Ungewöhnliches, Platz hat. Ich wiederhole mich gerne: Wir müssen Kultur vermitteln, und dafür muss man die richtige Sprache und die richtige Form finden, dann kann man viele Menschen erreichen. Davon bin ich überzeugt. In unserem Programm gibt es viele Formate seit Jahrzehnten, es ist aber wichtig, dass wir Neues wagen. Ich glaube, man kann mit der Zeit gehen und trotzdem sich selber treu bleiben. Die Menschen in der Region sind auf eine gute Art traditionell und gleichzeitig neugierig und offen für Neues. Ein ideales Publikum!
Stellt die derzeitige Entwicklung eine Zäsur im Kulturbetrieb des Schlosses dar? Wie sehen Sie das?
Nein, soweit würde ich nicht gehen. Wir wurden, wie alle anderen auch, durch die Corona-Pandemie zum Halt gezwungen. Das gibt Gelegenheit, den Ist-Zustand zu überdenken. Das werden wir machen. Ich beobachte überall, wie viel Kreativität so eine Krise freisetzt. Das macht mich optimistisch. Ich bin ja auch die Mediensprecherin des Landkreises, und sobald ich mal wieder über etwas anderes reden kann als die Corona-Krise, möchte ich mich mit meinen Kolleginnen und Kollegen in den Kulturorganisationen der Gemeinden austauschen. Es würde mich freuen, wenn wir es schaffen, aus der Krise heraus etwas Gemeinsames für den Landkreis zu entwickeln. Als Kreis-Kulturreferentin sehe ich mich nicht nur Schloss Bonndorf verpflichtet, sondern dem gesamten Kulturleben im Landkreis.