Frau Fahnenstiel, wurden Sie vom Virus-Ausbruch überrascht?
Nein, nicht wirklich. Es hat in Deutschland und Europa ja schon früher angefangen. Da war es dann nur noch eine Frage der Zeit bis es auch in New York ankommt.

Wie erleben Sie zurzeit in New York den drakonischen Lockdown?
Die meiste Zeit verbringe ich in meiner Wohnung und gehe eigentlich nur zum Einkaufen und Spazieren nach draußen. Die Schlangen vor den Supermärkten sind lang. Es kommt schon vor, dass man 40 Minuten vor der Ladenöffnung anstehen muss und selbst dann ist man nicht ganz vorne in der Schlange. Aber glücklicherweise gibt es genug Lebensmittel, sodass ich nicht das Gefühl habe, auf etwas zu verzichten.
Mit welchen Einschränkungen müssen Sie jetzt leben? Tragen Sie Schutzmasken, wenn Sie das Haus verlassen?
Vorschrift ist, mindestens zwei Meter Abstand von anderen Personen zu halten. Es wird auch empfohlen, Masken zutragen und zu versuchen, nur dann nach draußen zu gehen, wenn es unbedingt notwendig ist.
Haben Sie Konzertausfälle?
Ja, es waren zwei Konzerte im Juni geplant, die leider abgesagt werden mussten. Im Moment konnte noch kein Ersatztermin gefunden werden, aber ich bin guter Dinge,dass dieses vielleicht in der nächsten Saison nachgeholt werden kann.
Wie gestaltet sich zu normalen Zeiten Ihr Alltag als Musikerin in New York und wie hat er sich unter diesen Erschwernissen verändert?
Normalerweise gehe ich zum Üben und Unterrichten zu den Klavierschulen. Allerdings sind diese jetzt geschlossen. Üben kann ich immer noch zu Hause und arbeite an den Programmen für die Konzerte im Herbst.
Sie unterrichten auch Klavierschüler, können Sie das noch immer?
Ich kann meine Schüler noch unterrichten. Alles läuft jetzt online per Skype. Ich bin doch überrascht, dass es so gut funktioniert. Im Moment ist es eine akzeptable Lösung, aber natürlich kann Skype-Unterricht den normalen Unterricht nicht ersetzen.
Sie leben unter anderen Umständen ja gerne in dieser pulsierenden Stadt. Können Sie sich noch in Parks aufhalten und kann man sich noch mit Musikern im Lincoln Center oder in der Carnegie Hall treffen?
Die Parks sind noch geöffnet und ich versuche jeden Morgen, früher aufzustehen, um dort ungestörter spazieren zugehen. Wenn das Wetter schön ist, sind nachmittags immer noch viele Menschen im Park unterwegs. Natürlich versuchen alle Abstand voneinander zu halten, aber ich fühle mich wohler und es ist ruhiger am Morgen. Alles andere ist geschlossen, die Cafés und Restaurants. Die Carnegie Hall hat gerade mitgeteilt, dass sie den Konzertbetrieb erst wieder Anfang Oktober aufnehmen wird.
Wie sieht es mit dem New Yorker Musikleben überhaupt aus? Sind am Broadway alle Lichter ausgegangen und die Straßen so leer, wie man das in den Medien sieht?
Die Straßen sind tatsächlich so leer, wie man auf den Bildern sieht. Ich bin vor einigen Tagen durch den Central Park bis hinunter zum Times Square spaziert. Es kam einem, im Gegensatz zum Park, wie in einer Geisterstadt vor. Ich habe keine andere Menschenseele beim Times Square, auf dem sich normalerweise tausende Menschen drängen, gesehen. Midtown war wie ausgestorben.
Sie sind dabei, sich ein Leben in New York als Musikerin aufzubauen. Ist das nun ein herber Rückschlag für Sie?
Als großen Rückschlag würde ich es nicht bezeichnen. Es geht ja allen Musikern so. Solange ich weiter Stücke einstudiere und mein Repertoire erweitere, mache ich Schritte vorwärts. Und mit etwa 15 Schülern bin ich noch gut beschäftigt. Neben dem Üben, lese ich viel, koche und backe gerne, bin vermehrt mit Familie und Freunden in Kontakt und mache Sport. Ich nehme mir aber auch bewusst Zeit zum Reflektieren und habe zum Beispiel Tage ganz ohne jegliche Elektronik eingeführt.
Gibt es – wie in Italien – auch in New York schon Musik von den Balkonen?
Ja, auch in New York gibt es Musiker, die von Balkonen aus ein paar Minuten spielen. Und des Öfteren hört man gegen 19 Uhr Applaus für die zahlreichen essentiellen Arbeiter.
Sie werden im Herbst bei uns für Konzerte erwartet. Sind Sie optimistisch, dass bis dahin wieder Normalität herrscht?
Ich bin optimistisch und hoffe, dass sich die Lage bis dahin soweit verbessert,dass Konzerte stattfinden können und vor allem auch das Publikum sich im Saal wohlfühlen wird.