Grenzach-Wyhlen – Ein Vormittag auf der Chrischona. Schon auf dem schlammigen Waldpfad, der zum Grillplatz führt, ist das Kindergeschrei zu hören. Tom Müller, Regisseur und Leiter des Filmprojekts, läuft über den Grillplatz und sucht „eine Himmelspforte“. „Irgendeine Art Tor, die man als Durchgang zum Himmel verwenden kann“, erklärt er im Gespräch mit dieser Zeitung. Auf dem Grillplatz wuseln die Kinder lautstark vor sich hin, einige ziehen schon ihre Kostüme an. Ein Junge stopft sich ein Kissen unter das T-Shirt, bindet sich eine Krawatte um und zieht eine blonde Perücke auf. Der Regisseur findet ein geeignetes Holztor. Clara Sommer, eine der zwei Set-Designerinnen, schmückt es mit Goldlametta, damit es optisch besser als Himmelspforte durchgeht.
Neben seiner Rolle hat jedes Kind nämlich noch ein weiteres Amt: Auf die Chrischona gibt es die Ämter Maske, Kostüme und Set-Designer. Wenn sie im Jugendzentrum drehen, kommen noch die Ämter Licht, Ton und Kamera-Assistenz für sie hinzu.
Dieses Jahr ist nicht nur das 16.¦Mal, dass Müller das Projekt durchführt. Es wird auch ein Remake seines allerersten Sommerferien-Filmprojekts: Ein Neuverfilmung von „Am Tag, als der Respekt nach Grenzach-Wyhlen kam“. In dem Film geht es um eine junge Sozialarbeiterin, die an ihrer ersten Arbeitsstelle, dem Jugendzentrum, von der Respektlosigkeit der Kinder enttäuscht ist. Sie schläft ein und träumt von einer Himmelspforte und dem Himmel. Die Erzengelin Gabriela kommt nach Grenzach-Wyhlen, um den Kindern Respekt beizubringen. Doch sie tut es mit Gewalt. Die Sozialarbeiterin steht für die Kinder ein und beschützt sie. Sie wacht auf und denkt, alles war ein Traum, oder? Anna Wendel, die damals selbst im ersten Film mitgespielt hat und nun seit einigen Jahren als Regie-Assistenz am Projekt mitwirkt, sagt: „Ich erinnere mich noch an unseren Film. Die Darstellerin meiner damaligen Rolle ist ganz anders als ich, aber macht es echt super.“ Es sei spannend für sie, das Remake zu begleiten. „Beim Schauspielern kommen die Kinder aus sich heraus, sie müssen Mut aufbringen und können sich kreativ austoben.“ Die Kinder, die zwischen elf und 14¦Jahre alt sind, legen sich beim Schminken ins Zeug. Lioba Bendig ist unter anderem für die Maske verantwortlich. „Ich finde es interessant und schminke auch sonst gerne Leute“, sagt Lioba. Auf die Frage, welche Rolle sie spielt, antwortet sie: „Gott. Ich bin Gott.“
An jenem Tag sollen die Szenen 10¦bis 19¦a gedreht werden. Los geht es mit einer Szene an der Himmelspforte. Als Müller mit einigen der Schauspieler die Szenenarbeit beginnt, versammeln sich die anderen Kinder um die Kamera und schauen zu. Der Regisseur spricht mit den Schauspielern letzte Details ab, ermutigt sie, alles zu geben: „Spielt mit Spaß und Frechheit und Freude!“, feuert er diejenigen an, die noch etwas schüchtern sind und nicht laut genug sprechen. Im Laufe der Proben gehen einige der Zuschauer ab, um an ihren eigenen Szenen zu üben.
Auf einmal ruft Müller über den Platz: „Das magische Wort: Ruhe bitte! Wir drehen.“ Die Kinder verstummen. Wer noch einen letzten Schritt machen muss, macht ihn auf Zehenspitzen. In der Szene versuchen verschiedene Menschen, durch die Himmelspforte in den Himmel zu kommen. Paul Schultheis besticht in seiner Rolle als Pantomime. Als die Szene im Kasten ist, erzählt er: „Mein Deutschlehrer hat mir beim Vorlesewettbewerb empfohlen, beim Theater mitzuspielen. Jetzt spiele ich bei Tempus fugit.“
„Es ist mir wichtig, in meinen Theaterstücken mehrere Ebenen zu durchbrechen“, erklärt Müller. Einerseits behandele sein Stück spöttisch eine desillusionierte Sozialarbeiterin. „Doch die Kernaussage des Stückes ist: Respekt muss man sich verdienen. Man kann ihn nicht mit Gewalt erzwingen.“ Müller sei es wichtig, Botschaften in seine Texte zu integrieren.
„Zum Beispiel breche ich mit Geschlechterklischees; Gott wird von einem kleinen Mädchen gespielt, Erzengel Gabriel wird zu Gabriela.“ 15 Jahre lang habe bei dem Filmen auch Christoph Richter, damaliger Leiter des Jugendreferats, mitgewirkt. „Er ist letztes Jahr überraschend zwischen dem Dreh und der Premiere des Films verstorben. Es gibt Momente, wo wir beim Dreh immer gerne an Ritschie denken.“
Die Vorführung: Die Premiere von „Am Tag, als der Respekt nach Grenzach-Wyhlen kam“ findet Ende Oktober/Anfang November im Jugendzentrum in Wyhlen statt.