Cornelia Liebwein

Den Raben „Birdy“ fanden die Schulkinder Lilli und Metti Schutz suchend tief unter einer Hecke kauernd. „Höchstwahrscheinlich“, vermuten sie sofort, „wurde er von seiner Mutter verstoßen“. Daher, sind sie sich sicher, komme wohl auch die Bezeichnung „Rabenmutter“. Aber Birdy hat in den beiden zwei engagierte Ersatzeltern gefunden.

Das könnte Sie auch interessieren

Es ist später Nachmittag, als die Kinder vor dem Abendessen noch durch die Natur streifen und auf ein schwarzes Knäuel, das unter einer Hecke liegt, aufmerksam werden. „Wir wollten ihn so nicht liegenlassen, weil wir nicht wussten, ob er vielleicht verletzt ist“, erzählen sie. Daher entschließen sie sich, den jungen Vogel mit nach Hause zu nehmen. Die Nacht über, entscheiden sie, soll es das Vögelchen im Garten in einem Karton, den sie mit Stroh weich polstern, bequem haben. Sorgfältig achten sie darauf, es von den beiden Yorkshireterriern und dem Schäferhund der Familie getrennt zu halten.

Das könnte Sie auch interessieren

Als sich der Opa der Kinder am Tag darauf vom Haustierarzt Rat holt, erfährt er, dass der Rabe wohl nicht länger als eine Woche im Haushalt bleiben wird. Doch inzwischen sind mehr als drei Wochen vergangen, und Birdy scheint es in seinem neuen Domizil immer noch zu gefallen. Eben hat er seinen Schnabel wieder weit geöffnet. Einen langen Löffel in der Hand, füttert Lilly das Rabenjunge. „Wir schätzen das Tier auf drei Monate“, erzählt sie. Das Katzenfutter, das Birdy von ihr und Metti auf Empfehlung des Tierarztes erhält, scheint ihm hervorragend zu schmecken.

Findelkind als Schulwegbegleiter

Einige Tage später, die Kinder sind auf dem Weg zur Schule, entschließt sich das Findelkind im Federkleid, seine Retter auf ihrem Schulweg zu begleiten. Etliche Flügelschläge fliegt er mit ihnen mit, dann kehrt er zurück in seine sichere Unterkunft. Seither ist Birdy kurz vor acht Uhr der ständige Begleiter von Lilli und Metti, wenn sie zur Schule gehen und dort, da das von anderen nicht unbemerkt blieb, Gesprächsstoff Nummer eins. Auch für ein Schulreferat stand Birdy bereits Pate.

Als Birdy davonflog

Die Aufregung ist jedoch groß, als er eines Abends davonfliegt und nicht zurückkehrt. Auch am nächsten Morgen sitzt er nicht, wie inzwischen in den Morgenstunden üblich, in seinem Karton. Dicke Tränen kullern bei Lilli und Metti, und traurig sitzen sie wartend am Platz des Vogels. Erst als er mit einem lauten „Ra-ra“ auf die kleine Gruppe zusteuert, atmen beide erleichtert auf.

Intelligenter Mitbewohner

Von der Intelligenz ihres gefiederten Mitbewohners sind sie ohnehin überzeugt. Eines Tages beobachtete ein Spaziergänger, wie der Rabe eine vorbeihuschende Katze fixierte, die eine Maus als Trophäe im Maul trug. Der Vierbeiner war jedoch der Meinung, das Federvieh verscheuchen zu können, legte die Maus kurzfristig auf der Straße ab und sprang auf das Vögelchen zu. Das war der Moment, den der Flattermann als Gunst der Stunde nutzte, um sich mit weit gespannten Flügeln und im Sturzflug die Mahlzeit der Katze zu holen. Die wiederum blieb wütend fauchend zurück. Ein bisschen eitel ist der Rabe außerdem. Er liebt es, so sah es ein Passant, vor einem auf dem Boden stehenden Spiegel in der benachbarten Garage hin und her zu stolzieren, um sich dabei eingehend zu mustern.