Eva Baumgartner

Erzingen – Eigentlich habe ich nicht mehr daran geglaubt, dass die Eisweinlese noch kommt. Schon zwei Mal hatte Lorenz Keller mich alarmiert, um in aller Herrgottsfrühe in Bitterkälte an der Lese teilzunehmen. Der Winter, so schien es, wollte einfach nicht kommen. Prompt kam am Donnerstagabend dann der Anruf. "Morgen geht es los, die Minustemperaturen stimmen zuversichtlich." Pünktlich um 5 Uhr morgens weckt mich das Handy, per Whatsapp erscheint die Nachricht: Treffpunkt 5.45 Uhr bei Lorenz Keller, dann Abmarsch in die Reben.

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Raus aus den warmen Federn, mit noch dicken Äuglein in die aller wärmsten Klamotten gehüpft. Vor der Haustür präsentiert sich die Straße spiegelglatt. Also Auto stehen lassen, müsste ich sowieso erst freikratzen, und zu Fuß in die Weinberge.

Bei der Eisweinlese müssen die Helfer mit Dunkelheit und Kälte kämpfen. Licht spenden die Scheinwerfer der am Rand der Rebstöcke ...
Bei der Eisweinlese müssen die Helfer mit Dunkelheit und Kälte kämpfen. Licht spenden die Scheinwerfer der am Rand der Rebstöcke geparkten Autos. | Bild: Eva Baumgartner

Zu so früher Stunde herrscht auf der Straße in Richtung Degernau erfreulich wenig Verkehr. Unterwegs treffe ich in völliger Dunkelheit am Ortsausgang drei Bauhofmitarbeiter beim Salzstreuen. Ein kurzes "Guten Morgen" und weiter geht es im Dunkeln die kleine Straße hinauf in die Weinberge. Angesichts der Eisglätte schwant mir Fürchterliches. Nach kurzem, rutschigen Aufstieg sehe ich in der Entfernung unheimliches, blaues Licht schimmern.

Die eiskalten Trauben wandern in den Eimer

In dem Wissen, dass dort die Eiswein-Lese vonstatten geht, marschiere ich, so gut es geht, mutig weiter. Endlich oben angekommen, herrscht in der Reb-Parzelle schon emsiges Treiben. Dick eingepackte, vermummte Gestalten, mit Stirnlampen ausgestattet, sind zwischen den Rebstöcken zugange, schneiden die eiskalten Trauben in die Eimer. Dabei sind alle Fahrzeuge so geparkt, dass die eingeschalteten Scheinwerfer zusätzlich die Reihen der Rebstöcke beleuchten.

Jetzt muss alles sehr schnell gehen

Mittendrin finde ich den Winzer Lorenz Keller. Er zeigt mir voller Freude die in den Reben aufgehängten Thermometer, die endlich die ersehnten mehr als Minus sieben Grad Celsius anzeigen. Viel Zeit hat er nicht, denn die Lese muss schnell vonstatten gehen, bevor die Temperaturen ansteigen. Ich renne hin und her, um die Lese bei den schwierigen Lichtverhältnissen in Fotos festzuhalten. Dabei fällt mir auf, dass alle Rebarbeiter eigenartig schweigsam sind – liegt das an der Dunkelheit, an der Müdigkeit oder am Zeitdruck?

Bild 2: Im dritten Anlauf glückt die Erzinger Eisweinlese bei -7 Grad

Nachdem ich alle Fotos im Kasten habe, mache mich auf den Heimweg, in Vorfreude auf einen heißen Kaffee. Wenige Stunden später ruft ein begeisterter Winzer an: "Toller Ertrag, tolle Qualität, 148 Öchslegrad und 420 Liter konzentrierter Traubenmost." Nur mit einer Ausbeute von rund 200 Liter auf den 15 Ar Fläche habe er gerechnet, um so größer sei nun seine Freude über dieses Ergebnis. Im dritten Anlauf in diesem Winter hat es mit dem Eiswein für das Erzinger Weingut Lorenz und Corina Keller endlich geklappt.

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"Das Eisweingeschäft ist ein einziges Pokerspiel, bei dem man viel gewinnen, aber auch alles verlieren kann", sagt Lorenz Keller, bei dem sich nun nach Wochen der Anspannung die große Erleichterung einstellt. "Wir sind allen Helfern, die wir so drangsaliert haben, und die für uns Gewehr bei Fuß stehen mussten, sehr dankbar."