Kaum ein Gewächs erlebt aktuell in den heimischen Gärten eine derartige Renaissance wie Streuobstbäume. Bestand noch bis vor wenigen Jahren die Gefahr, dass gerade alte Obstsorten regelrecht in Vergessenheit geraten könnten, gibt es in vielen Bereichen einen erfreulichen Zuwachs.
Warum sind Streuobstbäume so beliebt?
„Ich denke, es hat sich in den vergangenen Jahren einfach ein neues Ernährungsbewusstsein entwickelt“, sagt Michaela Berthold-Sieber. Viele Menschen seien durch Lebensmittelskandale sensibilisiert, es gebe in vielen Bereichen eine regelrechte Rückbesinnung auf das Selbstgemachte, das Echte und Ursprüngliche. „In diesem Zuge sind natürlich auch viele Menschen auf den Geschmack von selbst produziertem Apfelsaft gekommen“, so Berthold-Siebers Einschätzung.

Das sieht auch Edgar Koller so: „Selbst hergestellter Saft ist geschmacklich ein ganz besonderes Erlebnis.“ Zudem hätten sich außerdem die Produktionsmethoden erheblich vereinfacht, ergänzt Edgar Koller. All das sporne gerade auch jüngere Leute an, es mal selbst zu probieren – und eventuell einfach mal mit den Bäumen zu beginnen, die vielleicht der Großvater irgendwo gepflanzt habe.
Worin liegt die Besonderheit von Streuobst?
Die Früchte gelten als besonders allergiearm: „Das macht die Sache natürlich gerade für Eltern mit kleinen Kindern interessant“, sagt Michaela Berthold-Sieber. Denn Streuobst wird normalerweise nicht gespritzt oder anderweitig behandelt. Die Schädlingsbekämpfung erfolge auf anderem, natürlichem Weg.
Vor allem gebe es aber etliche alte Sorten, die sich einfach hervorragend für die Saft- oder Mostproduktion eignen, und gerade das sei für viele Menschen das wichtigste Argument, selbst Obstsaft herzustellen, so Edgar Koller.
Hätten Sie es gewusst?
Was sollte man beim Kauf von jungen Streuobstbäumen beachten?
Egal um welche Obstsorte es geht, wichtig sei darauf zu achten, dass es sich um robuste Sorten handelt: „Bei den Baumschulen, die junge Bäume verkaufen, werden Sie diesbezüglich ganz gut beraten“, so Koller. Ohnehin gebe es im Kreis nur zwei Baumschulen, Manz in Schwerzen und Kessler in Wehr, die Streuobstbäumchen verkaufen.
Abgesehen davon sollte man sich Gedanken darüber machen, was man mit dem Obst tun möchte und welche räumlichen Möglichkeiten man hat: „Es ist natürlich ein Unterschied, ob ich Äpfel für die Saftproduktion möchte oder Tafeläpfel.“
Bei der Fläche gelte die grobe Regel, dass Hochstammgewächse einen Abstand von zehn Metern zu Nachbarpflanzen benötigen. Bei Halbstammbäumen sollte der Abstand sechs bis acht Meter betragen. Die Hochstammbäume erreichen nach zehn Jahren ihre Ertragsreife, die Halbstämme nach etwa vier Jahren.
Wann ist die ideale Zeit für die Pflanzung neuer Bäume?
Hier rät Edgar Koller, die sogenannte „Vegetationsruhe“ zu nutzen, also den Spätherbst: „Beim Kauf hat man jetzt eine bessere Auswahl an Bäumen als im Frühjahr.“ Zudem bilden sich über den Winter bereits die so genannten Feinwurzeln aus, sodass der Austrieb im Frühjahr besser sei.
Wichtig sei aber: Die Pflege der Bäume muss gut geregelt sein, betont Edgar Koller. Daher sehe er etwa die aktuell vielerorts laufenden oder bereits vollzogenen Baumpflanzaktionen im Sinne des Klimaschutzes eher skeptisch, wie er sagt. Denn hier bleibe es ganz oft bei einmaligen Events, bevor die Bäume dann sich selbst überlassen werden.

Wie sieht eine gute Baumpflege aus?
Wer in die Baumpflege einsteigen will, braucht dazu keine kostspieligen Werkzeuge: „Es genügen eine Bockleiter, eine Säge und eine Baumschere“, sagt Edgar Koller. All das sei für wenig Geld in jedem Baumarkt zu erhalten.
Schon die Wiese zu mähen, auf der die Bäume stehen, kann eine Menge bewirken, denn so lasse sich das Kleinklima auf einer Obstbaumwiese spürbar beeinflussen – und etwa Pilzbefall vorbeugen.

Ansonsten stellen Nagetiere eine nicht unerhebliche Gefahr für den Baumbestand dar. Feldhasen fressen häufig die Baumrinde. Hier lasse sich mit Kunststoffspiralen, die man um den Baumstamm wickelt, eine Menge bewirken, schildert Koller. Bei Wühlmäusen, die sich gerade zum Ende des Winters, wenn ihre Vorräte knapp werden, über das Wurzelwerk von Bäumen hermachen, empfehlen die Experten den Einsatz konventioneller Mausefallen.

Aus der Insektenwelt nennt Edgar Koller, vor allem den Frostspanner als Problem. Diese Tiere kriechen gewöhnlich im Spätherbst an den Baumstämmen empor und legen ihre Eier zwischen den Ästen ab. Die geschlüpften Raupen machen sich dann im Frühjahr über die Blätter her – mit verheerenden Folgen. „Hier kann man mit Leimringen, die man um den Baumstamm wickelt, Abhilfe schaffen“, erklärt Koller.
Wann ist die ideale Zeit für einen Baumschnitt?
Das hängt nach Ansicht der Experten ganz stark von der jeweiligen Baumsorte, aber auch von der persönlichen Erfahrung ab. „Immer häufiger wird der Baumschnitt im Sommer vorgenommen“, sagt Edgar Koller. Das habe den Vorteil, dass die „Wundheilung“ des Baumes wesentlich schneller vonstatten gehe als in den anderen Jahreszeiten. Allerdings ist durch den Blattbewuchs die Baumstruktur häufig nicht klar ersichtlich, was das Ganze deutlich schwieriger gestalte.

Dieses Problem gebe es im Spätherbst oder Winter freilich nicht, allerdings bleiben offene Stellen länger offen, was Schädlinge oder Baumkrankheiten anbelangt. Für Sorten, die als besonders anfällig für Pilzbefall gelten, rät Experte Koller zum Baumschnitt im Frühjahr: „Ab März ist es zum Beispiel ideal für Kirsch- oder Pfirsichbäume. Man sollte den Baumschnitt dann am besten am Beginn einer Schönwetterperiode durchführen.“
Welche Lebensphasen gibt es bei einem Baum zu beachten?
In den ersten gut 15 Jahren raten die Experten dazu, einmal jährlich einen „Erziehungsschnitt“ der Leittriebe vorzunehmen. So wird ein Kronengerüst geschaffen, was dem Baum Stabilität verleiht und gewährleistet, dass die Äste das Gewicht der Früchte schadlos tragen können.
Die Ertragsphase des Baums beginnt nach zehn bis 15 Jahren. Hier gilt es, dem Baum seine natürliche Größe zu lassen und nicht zu stark ins Astwerk einzugreifen, da dies sonst zu Wildwuchs führen kann, wie Edgar Koller darstellt: „Man sollte einfach den natürlichen Habitus eines Baums berücksichtigen.“ Diese Phase kann übrigens mehrere Jahrzehnte dauern.
So werden Sie zum Experten in Sachen Pflanzenpflege
- Den Erwerb Fachwissen für Hobbygärtner, Baumbesitzer und diejenigen, die das noch werden möchten, bietet die Fachwartevereinigung Hochrhein im Obst- und Gartenbauverband Hochrhein in Form der sogenannten Fachwartausbildungen an. Diese finden alle zwei Jahre statt. Die Kursinhalte orientieren sich an den den Vorgaben des Landesverbands für Obstbau, Garten und Landschaft (LOGL) Baden-Württemberg. Inhaltlich geht es dabei nicht nur um Baumpflege sondern auch um Veredelung von Obstgehölzen, den Schnitt von Beerensträuchern und Ziergehölzen.
- Termine, Dauer, Kosten: Der nächste Kurs beginnt am 23. November mit einem Schnuppertag und dauert voraussichtlich bis Ende April. Er besteht aus 60 Stunden Praxis, vorwiegend samstags, und 30 Stunden Theorie-Unterricht. Die Kursgebühren betragen 300 Euro. Die Kursorte variieren und befinden sich entlang des ganzen Hochrheingebiets. Der Kurs endet mit einer Prüfung.
- Vorkenntnisse oder eigener Baumbesitz sind für die Teilnahme an den Kursen nicht notwendig. Der Unterricht beginnt mit Grundlagen und Begriffserklärungen. Wichtig ist nach Ansicht des Fachwarte-Vorsitzenden Edgar Koller ausschließlich das Interesse an der Materie. Zu allen fachlichen Aspekten gibt es im Nachgang regelmäßige Auffrischungs- und Schnittkurse.
- Anmeldungen: Noch sind einige Plätze für die nächste Fachwarteausbildung vorhanden. Anmeldungen sind bei Edgar Koller möglich. Kontakt: Telefon: 07746/919215; Fax: 07746/928717; E-Mail: gartenpflege.koller@gmx.de.