Ingrid Ploss

Herr Glocker, Sie konnten für das Kulturzentrum des Landkreises Waldshut, Schloss Bonndorf, viele international namhafte Künstler gewinnen. Was waren für Sie die Höhepunkte?

Wichtig waren zum Beispiel die Ausstellung und der Besuch des weltweit agierenden Künstlerpaars Christo und Jeanne-Claude in Schloss Bonndorf, die Schau zum Frühwerk Franz Xaver Winterhalters, die die Wiederentdeckung des großen Porträtmalers in Deutschland mit initiiert hat, und etliche Präsentationen zu zentralen Positionen der Klassischen Moderne und der Gegenwartskunst. Wichtig sind mir allerdings auch die Bonndorfer Konzerte, die inzwischen das Niveau europäischer Kammermusikfestivals erreicht haben. Am Herzen lagen mir ebenso die literarischen Veranstaltungen mit herausragenden deutschsprachigen Autorinnen und Autoren, aber auch mit neuen Stimmen aus Baden-Württemberg.

In welchen Punkten unterscheiden sich aus Ihrer Sicht die großstädtischen Kulturangebote von denen in eher ländlichen Regionen wie im Landkreis Waldshut?

Ich habe mein Amt stets als eine Art Schnittstelle zwischen der Kultur der Großstädte und der des ländlichen Raums verstanden. Zugleich wollte ich eine Plattform bieten für die grenzüberschreitende Kooperation mit der Schweiz, Frankreich und Österreich. Mein Programm zielte darauf ab, kein kulturelles Angebot „von der Stange“ bereitzustellen, sondern ein Programm, das den „Geschmack“ der Region vermittelt. Konkret heißt das: Ich wollte Künstlerinnen und Künstler aus Südbaden ein Podium bieten und zugleich kulturelle Inhalte vermitteln, wie sie sonst nur in Großstädten geboten werden. Oberste Richtschnur war stets die Qualität.

Schloss Bonndorf: "Als Ihr Kind" bezeichnete Landrat Martin Kistler Schloss Bonndorf, das Jürgen Glocker zum Kreiskulturzentrum ...
Schloss Bonndorf: "Als Ihr Kind" bezeichnete Landrat Martin Kistler Schloss Bonndorf, das Jürgen Glocker zum Kreiskulturzentrum ausgebaut hat. Jährlich finden dort Ausstellungen, Konzerte und Lesungen mit renommierten Künstlern statt. Als Höhepunkte nannte Kistler die Ausstellung des Künstlerpaares Christo und Jeanne-Claude (Bild) sowie die Ausstellung des Malers Franz Xaver Winterhalter. Bild: dpa | Bild: A2609 epa efe Raquel Manzanares

Inwieweit unterstützen Sie regionale Kulturschaffende?

In vielfältiger Hinsicht: durch Engagements im Bereich von Ausstellungen, Konzerten und zum Teil im Rahmen von Lesungen. Das gilt beispielsweise auch im Hinblick auf meine Arbeit bei drei Stiftungen, die sich die Förderung regionaler Kulturschaffender auf die Fahnen geschrieben haben. Das gilt ebenso, um nur noch ein weiteres Beispiel zu nennen, im Hinblick auf Kunstankäufe. Ich habe außerdem immer wieder international bekannte Künstler in Kontakt mit regionalen Künstlerinnen und Künstlern gebracht. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Ausstellung, die Horst Antes zusammen mit seinem Meisterschüler Stefan Bergmann präsentiert hat.

Was bedeutet Kulturförderung für Sie?

Mir ging es immer darum, dass ein ländlicher Raum wie der Landkreis Waldshut gegenüber den Großstädten kulturell nicht abgehängt wird. Mein Ziel war und ist es, kulturelle Traditionslinien auch gerade auf dem Land nicht abbrechen zu lassen. Das gilt für die Traditionskultur ebenso wie für die klassische Musik, für anspruchsvolle Literatur und Kunst, für Jazz oder Architektur, für alternative Kulturangebote. Daher fördern wir beispielsweise auch die Hotzenwälder Kleinkunstbühne in Murg-Oberhof und den Folktreff in Bonndorf. Ähnliches galt und gilt für die neuen Scheffelräume in Bad Säckingen. Das kulturelle Leben ist ein wichtiger Kitt für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Kultur stiftet Identität. Unter anderem deshalb brauchen wir Literatur und Kunst, aber zum Beispiel auch Musikschulen. Kulturförderung meint allerdings zugleich Tourismusförderung und die Schärfung des Profils.

Das Kulturzentrum Schloss Bonndorf trägt mit seinen Ausstellungen, über die regional und überregional in Presse, Funk und Fernsehen berichtet wurde, und mit den Konzertübertragungen auf SWR 2 sicher nicht unwesentlich dazu bei. Vom Museum „Hüsli“ in Grafenhausen und vom Mühlenmuseum in Stühlingen-Blumegg ganz zu schweigen.

Der Mühlstein der Museumsmühle in Blumegg gibt einen Eindruck davon, dass das Mahlen manchmal viel Zeit erfordern kann, bis die Arbeit ...
Der Mühlstein der Museumsmühle in Blumegg gibt einen Eindruck davon, dass das Mahlen manchmal viel Zeit erfordern kann, bis die Arbeit gründlich getan ist. | Bild: K. Hansen

Welche Maßnahmen haben Sie umgesetzt, um auch die kulturelle Bildung von Kindern zu fördern?

Über das Jugendbildungswerk bezuschussen wir Kurse für Kinder und Jugendliche im musikalischen, tänzerischen und gestalterischen Bereich sowie eine Zirkusfreizeit. Darüber hinaus habe ich das Augenmerk auf die Vermittlung klassischer Musik im Rahmen von Kinderkonzerten gelegt. Mein Amt hat im Verlauf der letzten 30 Jahre ungezählte Theaterfahrten finanziell unterstützt. Wir bieten regelmäßig Ausstellungsführungen für Schulklassen an. Die Dr.-Inge-Freytag-Stiftung fördert kulturelle Angebote im Bereich Sprache und Literatur für Jugendliche. Die Volksbank-Hochrhein-Musikstiftung prämiert und fördert junge musikalische Talente. Die beiden Musikschulen habe ich bereits erwähnt.

Welche finanzielle Unterstützung erfahren Sie aus der Region?

Mein Amt hatte stets das Wohlwollen des jeweiligen Landrats und der Kreisgremien, wofür ich sehr dankbar bin. Dankbar bin ich in gleicher Weise dem Bonndorfer Förderkreis und seinem Vorsitzenden Alexander Fink. Und meine Arbeit wurde stets von vielen Firmen und Privatpersonen im Rahmen meiner Sponsoringarbeit unterstützt. Auch dafür bin ich sehr dankbar.

Mit welchen Schwierigkeiten hatten Sie zu kämpfen?

Mein Amt, das nur über sehr wenige hauptamtliche Mitarbeiter verfügt, betreut Schloss Bonndorf als einzige Mehrsparteneinrichtung des Südschwarzwalds, das Museum St. Blasien, das Volkskundemuseum „Hüsli“ und das Mühlenmuseum. Dazu kamen zusätzliche Aktionen wie zum Beispiel das Projekt „Flagge zeigen“, etliche Kooperationen auch über die Landesgrenze hinaus, viel Beratung für andere Träger, Buchpublikationen, das Archivwesen, die Betreuung von Künstlernachlässen, die Medien- und Öffentlichkeitsarbeit für das ganze Landratsamt, das Sponsoring, die interne Verwaltungsarbeit, etc. Das heißt: Die Hauptschwierigkeit war das tägliche Zeitmanagement. Demgegenüber stand eine faszinierende Tätigkeit.

Abschied: Landrat Martin Kistler würdigte Jürgen Glocker bei seiner Verabschiedung in Schloss Bonndorf als "belesenen und gebildeten ...
Abschied: Landrat Martin Kistler würdigte Jürgen Glocker bei seiner Verabschiedung in Schloss Bonndorf als "belesenen und gebildeten Kulturreferenten", der in seiner 30-jährigen Tätigkeit viele brillante Veranstaltungen und Projekte etabliert habe. "Die Tätigkeit als Kulturreferent war Ihnen auf den Leib geschnitten. Sie haben Ihr Amt gelebt", sagte Kistler. Die Arbeit Glockers zeichnete sich durch Liebe zum Detail aus, das Kulturprogramm habe er mit Fingerspitzengefühl, Flexibilität und Kreativität gestaltet.Bild: Melanie Völk

Wem möchten Sie besonders für die gute Zusammenarbeit danken?

Meinem wunderbaren Team, ohne das ich meine Arbeit nicht hätte stemmen können, und zahlreichen Partnerinstitutionen im In- und Ausland.

Wie wurden Ihre Projekte von der Bevölkerung angenommen?

Sehr gut. Die Bonndorfer Schlosskonzerte sind seit vielen, vielen Jahren ausverkauft, die Ausstellungen und die Lesungen in Schloss Bonndorf, trotz dessen Lage am Rand des Hochschwarzwalds, sehr gut besucht. Ähnliches gilt für die Jazzkonzerte in Dogern. Das Gastspiel des Tingvall Trios im November 2017 beispielsweise war gleichfalls ausverkauft. Mit unserem Programm erreichen wir dort alle Generationen. Ich übergebe insgesamt ein geordnetes Haus. Der Laden läuft.

Was planen Sie für Ihren Ruhestand?

Ich werde kulturell weiterarbeiten, regional und überregional.

Fragen: Ingrid Ploss

 

Zur Person

Jürgen Glocker (63) wurde in Pforzheim geboren. Er hat Germanistik und Geschichte studiert und an der Uni in Tübingen promoviert. Im Dezember 1987 wurde er Leiter des Amts für Kultur, Archivwesen und Öffentlichkeitsarbeit des Landkreises Waldshut – damals setzte er sich gegen 265 Mitbewerber durch. Glocker veröffentlichte zahlreiche Romane, Erzählungen und Essays.