Wenn Barbara Binkert aus Schadenbirdorf von ihrer Kindheit erzählt, klingt es wie in einer Fernsehserie. Übernachtungen im Heu und spielen mit den Ferkeln. Aber zu einem Bauernhof gehört auch viel Arbeit. „Wir wurden als Kinder mit in die Arbeit einbezogen. Jeder hatte seine kleinen Aufgaben“, erzählt Barbara Binkert. Schon früh hatte sie eine große Leidenschaft für die Tiere auf dem Hof: „Früher war ich immer im Schweinestall und habe mich gerne um die Tiere gekümmert.“ Schweine gibt es auf dem Hof ihrer Eltern Manfred und Marianne Binkert in Schadenbirndorf seit 2011 nicht mehr, aber aktuell leben dort 220 Kühe. Sie sind auch der Grund, warum der Beruf der Landwirtin Binkerts Traumberuf ist. „Der Umgang mit den Kühen gefällt mir am besten. Das reizt mich an diesem Beruf am meisten“, sagt die 27-Jährige.
Sie ist eine der wenigen jungen Nachwuchskräfte in der Landwirtschaft im Landkreis. Bei der Landwirtschaftszählung 2010 gaben 589 Betriebe im Landkreis an, dass ihre Hofnachfolge noch ungewiss ist. Ludwig Käppeler, Leiter des Landwirtsschaftsamts im Landkreis, rechnet aktuell mit einer ähnlichen Anzahl: „Ich vermute, dass noch ein relativ hoher Prozentsatz an ungeklärter Hofnachfolge da ist. Davon muss man ausgehen.“
Barbara Binkert ist die Einzige von fünf Mädchen der Familie Binkert, die in den heimischen Landwirtschaftsbetrieb mit eingestiegen ist. Nach der zehnten Klasse verließ sie das Gymnasium in Waldshut und wechselte auf das Agrarwissenschaftliche Gymnasium in Radolfzell. „Im ersten Jahr bin ich jeden Tag gependelt. Wenn die Schule um 13 Uhr vorbei war, bin ich frühestens um 15.30 Uhr wieder am Bahnhof gewesen. Dann bin ich mit dem Fahrrad nach Hause gefahren“, erzählt Binkert. Der Umzug nach Radolfzell im zweiten Jahr bedeutete eine große Umstellung für sie: „Ich bin von einem Haus mit acht Personen in eine Wohngemeinschaft mit einer Mitbewohnerin gezogen, die kaum da war. Das erste Jahr war eine Katastrophe.“
Nach der Schule studierte sie Agrarwissenschaft an der FH Triesdorf. Ein Ausbildungsweg, der langsam in der Landwirtschaft ankommt. „In den letzten fünf Jahren hat es zugenommen, dass junge Betriebsleiter den Agraringenieur machen und dann in den Betrieb einsteigen“, sagt Ludwig Käppeler. Der klassische Weg ist eine Lehre über drei Jahre. Aktuell gibt es im Landkreis Waldshut in der Landwirtschaft 13 Auszubildende. „Die Lage ist definitiv angespannt“, so Käppeler. Bei den wenigen Auszubildenden sei zudem nicht sicher, ob alle später in der Landwirtschaft arbeiten würden. „Von den 13 bis 14 Lehrlingen haben wir am Ende immer zehn oder mehr Prozent, die die Lehre zwar machen, aber dann anschließend zum Studieren gehen. Das sind dann nicht die, die am Ende wieder als Landwirtschaftsmeister oder als Techniker im Betrieb sind“, berichtet Käppeler.
Barbara Binkert machte unter anderem ein Praktikum bei einem landwirtschaftlichen Beratungsdienst, entschied sich dann aber doch für den heimischen Betrieb, in dem die Sicherheit eine große Rolle spielt. „Die Landwirtschaft ist nicht planbar. Sie ist abhängig von Natur und Wetter. Letztes Jahr war es sehr trocken und wir konnten weniger Futter erzeugen. In einem normalen Jahr erzeugen wir mehr als wir verbrauchen und schaffen uns eine Reserve für solche Jahre“, sagt die Nachwuchsbäuerin. Das hohe Risiko in diesem Beruf sieht sie auch als einen Grund für den Nachwuchsmangel in der Landwirtschaft. „Es ist eine große Herausforderung, einen Betrieb so auszurichten, dass auch schlechtePreisphasen überstanden werden können. Dazu kommen die langen Arbeitszeiten.“ Morgens um 5.30 Uhr beginnt der Tag der Jungbäuerin mit dem Melken der Kühe. Hinzu kommen viele Verwaltungsarbeiten.
Diese hohe Belastung zeigt sich in den Lehrlingszahlen. „Wir haben knapp 30 Ausbildungsbetriebe. Also nicht jeder Ausbildungsbetrieb hat einen Lehrling, weil sie einfach keinen kriegen“, sagt Ludwig Käppeler. Das hänge auch mit der aktuellen Lage in der Landwirtschaft zusammen. „Die aktuelle Lage ist alles andere als förderlich. In den Jahren 2012 und 2013 lief es für die Landwirtschaft besser. Da war dann auch das Interesse an dem Beruf größer“, so Käppeler.
Aktuell machen die niedrigen Milchpreise den Landwirten sorgen. Das ist auch auf dem Hof der Binkerts spürbar. „Am Ende des Monats zahlt die Molkerei weniger aus, aber die Rechnungen bleiben gleich hoch“, sagt Barbara Binkert. Umso wichtiger sei es, dass die Verbraucher regionale Produkte kauften. „Im Moment bekommen wir einen Grundpreis von 26 Cent für den Liter Milch von der Schwarzwaldmolkerei. Das ist im deutschlandweiten Vergleich ein guter Preis. Wenn die Menschen bereit wären, für die regionalen Produkte mehr zu zahlen, wäre es sicherlich einfacher“, so Binkert. Das Wohl der Kühe verliert sie bei der angespannten Lage trotzdem nicht aus den Augen: „Da wir eine Melkmaschine haben und keinen Roboter, sehen wir jedes Tier zwei Mal am Tag. Ich merke, wenn etwas nicht stimmt. Den Kühen sieht man an, ob sie sich wohlfühlen“, so Binkert. Die Leidenschaft zu den Kühen reicht jedoch nicht aus, um den Hof am Leben zu halten: „Ich mache den Job gerne und er macht mir Spaß, aber ich muss auch schauen, dass der Betrieb wirtschaftlich ist“, sagt Binkert. Ein Zwiespalt, mit dem viele Bauern kämpfen. Der mangelnde Nachwuchs ist dabei besonders auf wachsenden Höfen ein Problem: „Wenn die Betriebe wachsen, brauchen sie Fremdarbeitskräfte. Das ist auf Dauer keine Lösung. Es braucht gut ausgebildete Leute, da fehlen uns aber wirklich die Lehrlinge“, sagt Käppeler. Für Barbara Binkert ist eine Eigenschaft Grundvoraussetzung für den Beruf in der Landwirtschaft: „Dafür braucht man eine Menge Leidenschaft. Ohne Leidenschaft ist das kaum möglich.“
Die Landwirtschaft in der Region im Überblick
Die Landwirtschaft spielt in der Region weiterhin eine große Rolle. Besonders die Rindertierhaltung prägt die Landwirtschaft im Landkreis Waldshut.
- Landwirtschaftliche Betriebe: Die Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe im Landkreis Waldshut liegt nach der aktuellsten Zählung des Statistischen Landesamts bei 1242 Betrieben. Dazu zählen sowohl Haupterwerbsbetriebe als auch Nebenerwerbsbetriebe. Haupterwerbsbetriebe beziehen ihren Verdienst zu mindestens 51 Prozent aus der Landwirtschaft. Das sind in der Region circa ein Viertel aller Betriebe im Landkreis Waldshut. Somit besteht die Landwirtschaft im Landkreis Waldshut größtenteils aus Nebenerwerbsbetrieben, die drei Viertel aller landwirtschaftlichen Betriebe stellen.
- Ökologische Betriebe: Der Anteil an ökologisch landwirtschaftlichen Betrieben ist im Landkreis Waldshut überdurchschnittlich. 2015 gab es 171 Betriebe, die ökologisch bewirtschaftet wurden. Insgesamt sind 11,9 Prozent der Betriebe im Landkreis Biohöfe. In Baden-Württemberg liegt der Schnitt bei nur 6,4 Prozent. Bei der Tierhaltung steht auch im ökologischen Landbau das Rind an erster Stelle. 87 Prozent der Tiere sind Rinder. Im Pflanzenbau dominiert das Dauergrünland, das 82 Prozent im ökologischen Landbau ausmacht. 48 Betriebe in der Region sind ökologische Betriebe im Haupterwerb und 123 Betriebe führen einen Nebenerwerbsbetrieb.
- Landwirtschaftliche Fläche: 39 Prozent der Gesamtfläche des Landkreises Waldshut wird landwirtschaftlich genutzt. Das entspricht einer landwirtschaftlichen Fläche von 43 939 Hektar. Der Großteil dieser Fläche ist Dauergrünland. Eine wichtige Rolle spielt auch der Getreideanbau. Der Ackerfutterbau nimmt den drittgrößten Anteil der landwirtschaftlichen Fläche ein. Ölsaaten wie Raps oder Hackfrüchte wie Kartoffeln spielen in der Flächennutzung dagegen nur eine untergeordnete Rolle. Von der Gesamtfläche der landwirtschaftlichen Nutzung werden 17 Prozent von ökologischen Betrieben in der Region genutzt.
- Tiere in der Landwirtschaft: Die Tierhaltung in der Region ist besonders auf die Rinderhaltung spezialisiert. 86 Prozent der Tiere in der regionalen Landwirtschaft sind Rinder. Insgesamt gibt es über 35 000 Rinder in der Region. Die zweitgrößte Gruppe sind Pferde. Sie machen allerdings nur sieben Prozent der landwirtschaftlichen Tierhaltung aus. (Lena Mehren)