Drei Schritte kann er gehen. Weiter kommt er nicht. Dann fehlt ihm die Luft zum Atmen. Yvette Blumentritt erzählt sehr gefasst von ihrem Partner, der an COPD (einer chronischen Lungenerkrankung) erkrankt ist.

Er wohnt in Küssaberg, sie in Niedergebisbach, einem Ortsteil der Hotzenwaldgemeinde Herrischried. Schon fast ein Jahr sucht sie eine gemeinsame Wohnung, um ihren kranken Partner bei sich haben zu können. Keine leichte Aufgabe.

Sie pendelt so oft wie möglich zu ihm.

„Es ist hier oben recht einsam.“ In ihrer 5-Zimmer-Wohnung ist es leer geworden. Die 100 Quadratmeter bewohnt Yvette Blumentritt mit ihrer 10-jährigen Tochter. Die drei Großen sind bereits ausgezogen. Platz wäre genug. Doch Yvettes Partner kann hier nicht wohnen. „Jede Überanstrengung führt bei ihm zu Atemnot. Er kommt hier nicht die Treppen hoch“, erzählt sie.

Auch die Anlieferung des Sauerstoffs, jede Woche werden 120 Liter angeliefert, würde an ihrem derzeitigen Wohnort nicht funktionieren. Im April war der 62-Jährige das letzte Mal bei ihr zu Besuch. In jeder freien Minute pendelt sie also zu seiner 2-Zimmer-Wohnung nach Küssaberg, setzt ihn in den Rollstuhl für einen Spaziergang, damit er auch mal raus kommt. „Ich lasse ihn nicht gern allein. Wenn irgendetwas ist, kann er bei Atemnot nicht einmal telefonieren“, sorgt sich die 46-Jährige.

Die Krankheit ist weit fortgeschritten

„Es geht ihm immer schlechter“, sagt Yvette Blumentritt. Seit fünf Jahren ist ihr Partner krank, seitdem sei es sukzessive bergab gegangen. Heute arbeite seine Lunge nur noch zu 30 Prozent. Zum Glück sei er aber von der vollen Beatmung wieder weg. Er stehe bereits auf der Liste für eine Lungentransplantation.

Mit ihm zusammenziehen möchte sie gerne. Aber nicht alles aufgeben. Denn es schwingt auch eine starke Angst mit. Sie nennt es Realität: „Ich weiß nicht, ob er die Zeit noch überbrücken kann bis zur Transplantation oder, ob er diese Operation überhaupt überlebt.“ Zeit, das sei so eine Sache, die sie nicht habe. Eine gemeinsame Wohnung müsse so schnell wie möglich her.

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Ebenerdig und mit Zufahrt

Ebenerdig müsse die Wohnung sein und man müsse direkt vor die Tür fahren können. „4-Zimmer, 80 Quadratmeter, mit einem Schritt im Garten, das wäre schön“. Auch, wenn diese Voraussetzungen zur größten Herausforderung gehören, eine Wohnung zu bekommen, sei sie nicht das einzige Problem.

Kein gesunder Rahmen

Denn: Die Mietpreise in der Region seien viel zu hoch, so Yvette Blumentritt. „Ich habe in Rickenbach mal eine 4-Zimmer-Wohnung für über 1 000 Euro gesehen, das ist einfach unangebracht“, ärgert sie sich. Derzeit zahlt sie für 100 Quadratmeter 620 Euro warm. „Ich weiß, eine Wohnung zu einem solchen Preis bekomme ich nie mehr“, sagt die Mutter.

„Ich möchte nicht das Auto abgeben, nur damit ich mir eine Wohnung leisten kann. Als Alleinerziehende ist das hier nicht machbar. Ich kann in der Pflege nur in der Frühschicht arbeiten, da sind dann auch die Löhne nicht so toll“, erklärt die Krankenschwester, die in St. Blasien in der Intensivstation der Lungenfachklinik arbeitet. „Wir würden auch etwas kaufen, aber es muss einfach im gesunden Rahmen liegen und den gibt es hier nicht“.

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Den gesunden Rahmen brauche sie auch, um auf Nummer sicher zu gehen. „Denn, wenn ich am Ende mit dem Häuschen und den Kosten alleine da stehe, muss ich es auch bezahlen können“, sagt die 46-Jährige im Hinblick auf die schwere Krankheit ihres Partners und die Ungewissheit, wie lange er noch leben wird.

Yvette Blumentritt mit ihrer Tochter Neele und Hund Aaron. Eine neue Wohnung zu finden, ist für sie schwer.
Yvette Blumentritt mit ihrer Tochter Neele und Hund Aaron. Eine neue Wohnung zu finden, ist für sie schwer. | Bild: privat

Zu viele Feriendomizile

„Hier steht der halbe Hotzenwald leer“, sagt sie. „Ich bin nicht überzeugt, dass es zu wenig Wohnraum gibt, wenn nur die leer stehenden Feriendomizile vermietet oder verkauft würden.“ Schweizer oder auch deutsche ältere Ehepaare würden diese Häuser einmal im Jahr nutzen, um dort ihren Urlaub zu verbringen. Den Rest des Jahres seien die Rollläden heruntergelassen, die Vorhänge geschlossen.

„Verschenkter Raum“, nennt es Yvette Blumentritt, auch wenn sie weiß, dass man ja keinem den Wohnraum „wegnehmen“ könne, aber: „Die brauchen es nicht, das ist nur Luxus. Ich nenne es das Recht der Reichen.“

Hintergrund: Zweitwohnungen im Hotzenwald

Vieles unter der Hand

Yvette Blumentritt sucht überall nach einer neuen Wohnung, hauptsächlich im Raum Waldshut. Über Facebook, Zeitungen, Amtsblätter habe sie Annoncen geschaltet und auch schon Flugblätter verteilt. Doch im Hotzenwald heiße es „Ohren spitzen“, denn viele Häuser und Wohnungen werden laut Yvette Blumentritt unter der Hand vermietet. „Und wenn es mal nicht so ist, hat man gleich 30 Mitbewerber“, sagt sie.

Eine Suchanzeige für eine „bezahlbare Wohnung„ hängt an einem schwarzen Brett“ (Symbolbild). Auch Yvette Blumentritt ...
Eine Suchanzeige für eine „bezahlbare Wohnung„ hängt an einem schwarzen Brett“ (Symbolbild). Auch Yvette Blumentritt ging mit Flugblättern auf Wohnungssuche, bisher ohne Erfolg. | Bild: Frank Rumpenhorst/dpa

Kinder und Haustiere als rote Ampel

Die 46-Jährige, hatte schon Wohnungen in Aussicht. „Doch es kam immer jemand früher“, sagt sie. Und ihre Situation macht es ihr nicht einfacher: „Das erste Problem ist, dass ich alleinerziehend bin, das zweite, dass der Mann sich nicht ums Haus kümmern kann“, erklärt sie. Und: „Kinder und Haustiere sind eine rote Ampel“, so Yvette Blumentritt, die einen Hund hat.

Schon einmal war sie kurz davor, ein kleines Haus im Hotzenwald zu kaufen. Doch wie sich später herausgestellt habe, sei dies nur ein Marktcheck gewesen. „Das machen viele hier, sie stellen eine Annonce rein, nur um zu schauen, was die Leute zahlen würden und ein Jahr später verkaufen sie das Haus für einen viel höheren Preis“, erklärt die Wohnungssuchende.

Doch Yvette Blumentritt hat nicht aufgehört zu hoffen:

„Eine neue Lunge für ihn, kein Sauerstoff mehr und alles wird gut.“

Wer der Familie helfen will oder eine Wohnung vermitteln kann, kann sich bei der Autorin per E-Mail an verena.wehrle@suedkurier.de melden.