Nach Wochen der geschlossenen Grenze zur Schweiz und strikter Kontrollen kündigt sich nach langem Ringen eine Lockerung an der Grenze an. Die könnte vor allem die Situation der Grenzgänger verbessern, denn wer in der Schweiz arbeitet, brauchte seit März länger, um an den Arbeitsplatz zu kommen, oder musste Umwege in Kauf nehmen. Obwohl sich die Lage an den Grenzübergängen im Laufe der Zeit etwas entspannt habe, wie einige Grenzgänger berichten. Drei Berufspendler aus dem Landkreis berichten darüber, wie sie die geschlossenen Grenzen und Kontrollen erleben und wie sie damit umgehen.
Rainer Jehle (53), gelernter Autosattler, arbeitet seit fast 30 Jahren in der Schweiz. Er ist beim Möbelhersteller de Sede wenige Kilometer vom Grenzübergang Waldshut-Koblenz entfernt beschäftigt. Er pendelt an fünf Tagen von Albbruck in die Schweiz.
Ein bisschen fühlt sich Jehle an die Zeit vor dem Schengener Abkommen, das 2008 auf die Schweiz ausgedehnt wurde, zurückversetzt, als es noch Grenzkontrollen gab. „Ich erinnere mich noch gut. Als ich in der Schweiz angefangen habe, habe ich zwei Mal die Woche wegen der Kontrollen 45 Minuten länger gebraucht, bis ich bei der Arbeit war. Ich hoffe, dass es alle wieder schätzen, dass sie fast ohne Kontrolle über die Grenze kommen.“
Der 53-Jährige fährt unter normalen Bedingungen um 5.30 Uhr in Albbruck los, ist um 5.45 Uhr am Waldshuter Zoll und fünf Minuten später in seinem Betrieb, der drei Kilometer vom Grenzübergang Koblenz entfernt liegt. Er ist also rund 20 Minuten unterwegs.
Stau bis weit ins Landesinnere
Die Verbreitung des Coronavirus‘ änderte auf einen Schlag alles. Jehle: „In den ersten Tagen bin ich teilweise über eine Stunde im Auto gesessen.“ Um 16 Uhr hat er in der Regel Feierabend, noch vor dem Einsetzen des Hauptverkehrs. „Da hat es sich noch im Rahmen gehalten.“
Doch er konnte den Verkehr und die Staus beobachten. Die Autos hätten teils bis weit zur Firma in der Schlange gestanden. „Koblenz Dorf war komplett zu, es herrschte Chaos“, beschreibt Jehle.
Wenn er zur Arbeit fährt und an den Zoll kommt, muss er, wie alle anderen Pendler, seine Grenzgängerbewilligung (Ausweis G) vorzeigen. In den 30 Jahren bis zum Ausbruch der Krise habe er seinen Ausweis vielleicht zehn Mal vorzeigen müssen. Jetzt muss er ihn jeden Tag zücken.
Fast wie vor Corona
Zwischenzeitlich war Jehle in Kurzarbeit und zu Hause. Seit dieser Woche fährt er wieder rüber. Erstaunt stellte er fest: „Perfekt. Es ist fast wie vor Corona.“ Man merke, dass wieder viele über die Grenzübergänge in Rheinheim und bei Hohentengen fahren würden. „Und die Zöllner auf beiden Seiten machen das gut.“ Es sind mehr Beamte da. Jehle schildert: „Auf jeder Seite sind drei Zöllner. So wird der Verkehr schneller abgewickelt.“
Im Betrieb seien derweil alle froh, dass es weiter geht. Für einige Zeit stand die Produktion still. Die Möbelhäuser in Europa waren zu. „Wir produzieren Einzelanfertigungen, wir können nicht auf Halde arbeiten“, erklärt Jehle. Die Stimmung unter den Arbeitskollegen sei trotz aller Umstände gut. Jehle: „Die Firma macht viel, wir halten Abstand und sind verantwortungsbewusster.“
Thomas Kummer (63) aus Lauchringen, Geschäftsführer (CEO) beim Möbelhersteller Dietiker in Stein am Rhein bei Schaffhausen, braucht für die 48 Kilometer, seit der Galgenbucktunnel in Neuhausen fertig ist, 45 Minuten bis zu seinem Betrieb. Zwischen 6.45 und 7 Uhr fährt er los. Rund 15 Minuten braucht er bis zum Zoll in Erzingen.

Er stellt fest, dass tendenziell weniger los sei auf den Straßen. „Man merkt, dass viele im Homeoffice arbeiten oder in Kurzarbeit sind“, sagt er. Der Grenzgängerausweis werde auch hier regelmäßig kontrolliert. Die Zöllner wollen die Papiere sehen.
Anders als sonst, seien beide Seiten besetzt. Vor Corona standen in Erzingen auf der deutschen Seite selten Beamte. Kummer berichtet: „Die Zöllner sind sehr entspannt und freundlich, es gibt keine Wartezeiten, auch morgens nicht. Höchstens drei, vier Autos stehen am Zoll.“ Drei Zöllner kontrollieren die Papiere. Kummer: „Man wird zum Vordersten gewunken, so können gleichzeitig drei Fahrzeuge kontrolliert werden.“
Auch sein Unternehmen ist durch die allgemeine Lage auf dem Möbelmarkt betroffen. Dennoch seien alle in der Firma entspannt. „Wir haben es so angenommen, wie es ist. Durch die Kurzarbeit haben wir die Aufgaben auf alle verteilt. Alle nehmen sehr viel Rücksicht aufeinander.“ Abstand, Hygiene, offene Bürotüren – die üblichen Maßnahmen gelten auch hier. Konferenzen gibt es über Video.
Wolfgang Gmelin (48), ebenfalls aus Lauchringen, arbeitet als Koch in der Migros-Zentrale in Zürich. Er fährt schon früh um 5 Uhr über die Grenze, normalerweise in Rheinheim nach Bad Zurzach. Er erzählt: „Am ersten Tag, als die Grenze geschlossen wurde, bin ich morgens noch durch gefahren, eine Stunde später war der Zoll in Bad Zurzach zu.“
Am zweiten Tag nach der Schließung sei er über Waldshut nach Hause gefahren. Er habe für die letzten 1500 Meter bis zum Übergang zweieinhalb Stunden gebraucht, drei Stunden und zehn Minuten, bis er zu Hause war. „Fast alle fahren Umwege, um die Staus zu umgehen, in Waldshut sind die Lastwagen das Problem“, sagt der 48-Jährige.
Mehr Kilometer, dafür keine Wartezeit
Gmelin fährt dennoch über Waldshut zur Arbeit – so früh ist noch nicht viel Verkehr. Zurück über Lottstetten nach Lauchringen. „Das sind zehn Kilometer mehr, dafür muss ich nicht warten“, erklärt er. Auf dieser Route braucht er eine Stunde, bis er zu Hause ist. Bad Zurzach und Rheinheim sind zwar wieder für einige Stunden geöffnet. Aber Gmelin betont: „Das nützt mir nix, wenn sie erst um 16 Uhr aufmachen.“ Er macht sich viel früher auf den Heimweg und müsste am Zoll warten. Da fährt er lieber den kleinen Umweg.