19,2 Tage waren Berufstätige im Landkreis Waldshut im vergangenen Jahr krankgeschrieben. Damit liegt der Kreis nicht nur an der Spitze der drei Landkreise im Zuständigkeitsbereich der AOK Hochrhein-Bodensee, sondern ist bundesweit eine der Regionen mit dem niedrigsten Krankenstand. Das geht aus dem AOK-Gesundheitsreport hervor, den Hochrhein-Bodensee-Geschäftsführer Martin Hummel und der Geschäftsleiter Prävention, Karsten Schrankel, jetzt vorstellten. Nachdem auch hier das Gesamtniveau des Krankenstandes 2022 angestiegen und 2023 gehalten worden sei, rechnen die Verantwortlichen für dieses Jahr mit einer Trendwende.
Wie sieht die Lage in der Region aus?
Konkret wurden laut Schrankel die anonymisierten Daten von 40.000 im Arbeitsleben stehenden AOK-Versicherten im Landkreis ausgewertet, die sich vergangenes Jahr offiziell als arbeitsunfähig gemeldet haben. Der Krankenstand betrug demnach für den Landkreis Waldshut 5,3 Prozent und lag damit 0,2 Prozentpunkte unter dem Schnitt des AOK-Verbandsgebiets Hochrhein-Bodensee, zu dem auch die Landkreise Lörrach (5,6 Prozent) und Konstanz (5,5 Prozent) gehören. Besonders im Vergleich zum Bundesschnitt, den die AOK-Vertreter auf 6,6 Prozent beziffern, fällt die Region aus dem Rahmen.
Nach Berufsgruppen betrachtet seien Mitarbeiter im verarbeitenden Gewerbe, im Gesundheitswesen und im Verkehr- und Transportgewerbe häufiger krank, den niedrigsten Wert verzeichnet die AOK bei den Banken und Versicherungen.
Alles in allem seien Berufstätige im Landkreis Waldshut im Schnitt 19,2 Kalendertage krankgemeldet gewesen. „Auf 100 Versicherte in Betrieben im Landkreis Waldshut kamen 184,7 Krankheitsmeldungen“, so das rechnerische Ergebnis der AOK.
Dabei gibt es laut Statistik durchaus gravierende Unterschiede zwischen den Berufssparten. So führen Berufe der handwerklichen Metall- und Glockengießerei die Liste mit 51 Krankheitstagen an. Am wenigsten Krankheitstage – im Schnitt nur zwei – fielen demnach in der Kosmetikbranche an, so Schrankel.
Warum ist der Krankenstand in der Region so niedrig?
Eine genaue Erklärung, warum der Krankenstand so deutlich unter dem allgemeinen Trend liegt, können die Verantwortlichen nicht geben, wie sie auf Nachfrage einräumen.
Vieles sei spekulativ. Klar sei aber, dass im Süden Deutschlands sei der Krankenstand traditionell niedriger als in anderen Teilen der Republik sei, wie der Blick in die Statistik zeige, so Schrankel. „Das hat sicher strukturelle Gründe, aber es spielen auch andere Faktoren in diese Rechnung hinein.“
Inwiefern die notorischen Schwierigkeiten in der medizinischen Versorgung, insbesondere der zunehmende Ärztemangel positiv ins Gewicht fallen? „Diese Entwicklung bereitet natürlich auch uns Sorge, aber es ist nicht anzunehmen, dass sich das so gravierend auswirkt“, sagt Martin Hummel.
Welche Krankheiten dominieren?
Mit einem Anteil von 27,2 Prozent seien Atemwegserkrankungen die mit Abstand häufigste Ursache für krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeiten. Jedoch seien diese häufig schnell auskuriert, weswegen sie in der durchschnittlichen Krankheitsdauer nur eine untergeordnete Rolle spielen, so Karsten Schrankel. Überhaupt seien annähernd drei Viertel aller Krankmeldungen nach einem bis sieben Tagen beendet.
Derweil sei die Zahl der Langzeiterkrankungen von mehr als sechs Wochen mit einem Anteil von 3,5 Prozent zwar relativ gering. Diese verursachten aber 43,4 Prozent aller Krankentage: „Zudem stellen Langzeitkranke für Betriebe die größte Herausforderung dar, es fehlt nämlich nicht nur die Arbeitskraft sondern häufig auch die Erfahrung“, sagt Hummel.
Statistisch gesehen sind Langzeiterkrankungen in der Altersgruppe ab 50 deutlich höher – das gelte vor allem für Männer. Häufig gehe es hier um psychische Erkrankungen, aber auch um Herz-Kreislauf-Krankheiten oder andere körperliche Erkrankungen, die längere Genesungszeiten nach sich ziehen, erläutert Schrankel.
Wie beurteilt die AOK die Gesamtlage?
Nachdem die Krankenkasse 2022 den „höchsten Anstieg binnen eines Jahres“ seit Beginn der statistischen Erfassung verzeichnet habe – der Krankenstand stieg um einen Prozentpunkt von 4,2 auf 5,3 Prozent – stabilisierte sich die Lage auch im Landkreis Waldshut, wie Martin Hummel darstellt.
„Dieser Anstieg hat uns sehr überrascht, zumal es im Landkreis in den zehn Jahren zuvor nur marginale Veränderungen gegeben hat“, so Hummel. Vor allem kam der Anstieg nach der heißen Phase der Corona-Pandemie – mit Wiederaufnahme der sozialen Kontakte und des gesellschaftlichen Lebens: „Darauf waren die Immunsysteme nach zwei Jahren Distanzierung und Home-Office nicht vorbereitet.“
Wie sehen die Perspektiven aus?
Inzwischen sehen die Verantwortlichen der Krankenversicherung den generellen Trend höherer Krankenstände aber bundesweit durchbrochen. Es gebe gesicherte Anzeichen, dass die Werte wieder sinken, so Schrankel.
Das habe auch mit einem Umdenken zu tun, das auch durch Corona beeinflusst sei: „Vielen Betrieben ist sehr bewusst, dass Präsentismus weniger nutzt als eine Krankmeldung“, so Schrankel. Insofern würden Mitarbeiter eher motiviert bei Erkrankung zu Hause zu bleiben, als Gefahr zu laufen, Kollegen anzustecken.
Dass immer mehr Unternehmen das Thema Prävention immer ernster nehmen, ihre Mitarbeiter entweder zur Teilnahme an entsprechenden Aktionen animierten oder diese sogar zu sich ins Unternehmen holten, sei dafür sicherlich ein wichtiger Faktor, an den sich auch in Zukunft anknüpfen lasse – wobei die große Herausforderung sei, insbesondere die Mitarbeiter zu erreichen, die nicht ohnehin schon für ihre Gesundheit aktiv sind, wie Martin Hummel darstellt.